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Die Legende von Thema 3

Eine Themenvorgabe der Deutsch-Zentralmatura ist jetzt ein waschechtes Internet-Phänomen. Und Kastanien-Waschmittel irgendwie auch.

Am Montag ging die diesjährige Zentralmatura, bei der erstmals neben den AHS auch die BHS dabei sind, in ihre erste Runde und weil das hier 2016 ist, hat die bundesweite Reifeprüfung es doch tatsächlich geschafft, schon nach dem ersten Tag ein Viral zu produzieren: Thema 3 der Deutsch-Matura, das inzwischen zu einem Phänomen der jüngeren Zeitgeschichte wurde. Dabei geht es um Lisa und Michael, Pastinaken, Hula-Hoop-Reifen und Kastanien-Waschmittel—das Ergebnis im Netz war eine Art modernes Tschernobyl, von dem eine ganze Generation an Absolventen wahrscheinlich noch ihren Kindern erzählen wird.

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Über 40.000 angehende Maturanten in ganz Österreich wissen heute, was gemeint ist, wenn wir "Pflück mich" schreiben. Deutsch ist das einzige Fach der Zentralmatura, das sowohl an AHS als auch an BHS analog geprüft wird und somit 40.500 angehende Maturanten mit einem einzigen Schlag in der selben Form erreicht. 40.500 junge Leute, die seit Monaten den Großteil ihrer Zeit eher damit verbringen, darüber zu sinnieren, wieviele Bacardi-Flaschen sie auf die anstehende Maturareise mitnehmen, als tatsächlich für die Prüfungen zu lernen. 40.500 Wahnsinnige, die allesamt dieselbe Angabe vorgelegt bekamen und jetzt kollektiv die Geschichte von Lisa und Michael, einem Selbsterhalter-Pärchen aus dem Burgenland, feiern.

Insgesamt gab es klassisch drei Themenbereiche, aus denen man wählen konnte. Textanalysen und -interpretationen über Stadtleben und Tourismus—besser bekannt als Thema 1 und 2—interessieren aber die Wenigsten, weshalb sich geschätzte 75 Prozent schließlich für Thema 3 entschieden haben: Dazu zählte einerseits eine Meinungsrede, aber eben auch ein Leserbrief, der sich auf einen 2013 erschienen Text mit dem Titel "Keine Dogmatiker, sondern Idealisten" aus der österreichischen Wochenzeitung Die Furche beziehen sollte.

In besagtem Text werden Michael und Lisa porträtiert—ein junges Pärchen, das aufs Land gezogen ist, um ein veganes Selbstversorger-Leben zu führen. So weit, so vorbildlich. Laut der Plattform BÄM! sind Lisa und Michael inzwischen getrennt, gegenüber VICE erklären die beiden Neo-Kultfiguren: "Wir wurden weder vorher gefragt, noch hatten wir eine Ahnung davon. Eh klar, warum sollte uns das bifie auch fragen? Als gestern Mittag zunächst Lisa von einer Verwandten erfahren hat, dass wir dort Thema waren, mussten wir sehr lachen. So ein Zufall. Witzig. Abgehakt. Was dann passiert ist, haben wir nicht erwartet. Klar hatten wir uns gefreut, dass jetzt vielleicht ein paar junge Menschen mit unseren Themen in Kontakt kommen, aber dass da solche Memes entstehen und so viele Menschen auf unsere Website gehen und teils mit uns interagieren—das hatten wir wirklich nicht kommen sehen."

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Im Verlauf des Texts tun sich nämlich so einige Fragen auf: Ist ein Gemüsebeet in der Größe von 400 fucking Quadratmeter wirklich noch ein Gemüsebeet? Was genau verdient man mit dem Vertrieb von selbst gebauten Hula-Hoop-Reifen im Internet? Sind Pastinaken der Sinn des Lebens? Und wie hart kann man eigentlich drauf sein, wenn man Wildkräuter "Pflück mich" flüstern hört?

Es ist diese liebenswürdige Absurdität, die aus dem Text hervorgeht—und vielleicht ein Stück weit auch die Prüfungssituation und der damit verbundene Druck auf den Maturanten—, die die Geschichte so wahnwitzig erscheinen lässt und letztendlich dafür gesorgt hat, dass eine Welle aus Zentralmatura-Memes das Internet überschwemmt.

An meiner alten Schule gab es laut Angaben der Maturanten unter rund 75 Kandidaten nur drei, die sich für eines der beiden anderen Themen entschieden haben. Johanna ist eine derjenigen, die sich für Thema 3 entschieden haben: "Wir mussten darüber schreiben, ob wir glauben, dass so ein Lebensstil Zukunft hat und und ob sich auch andere dafür begeistern könnten. Der Text war einfach, aber ich glaube, es war noch nie so lustig während einer Matura, weil jeder über ihr Kastanien-Waschmittel und die Hula-Hoop-Reifen gelacht hat."

Lisa und Michael, ihr Helden. Wir salutieren und hoffen, eines Tages euren Uhudler kosten zu dürfen. Bei der Mathe-Matura wird aller Voraussicht nach wohl kein virales Phänomen mehr entstehen—da gibt es nämlich nicht nur eine, sondern elf verschiedene Varianten, je nach Schultyp. Aber hey, solltet ihr die nicht schaffen, werdet ihr eben einfach Selbstversorger und macht Seifenkraut-Shampoo.

Twittert mit Franz über Pastinaken: @FranzLicht