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Nationalratswahl 2013

Wir waren beim Gala-Dinner mit Frank Stronach und Dieter Bohlen

Ich kann mich nur dem anschließen, was Dieter Bohlen sagte, als er von der Bühne ging: Vielen Dank. Ich mach sowas nie wieder.

Der samstägliche Titanentreff wurde freitags adäquat anmoderiert: Mit einem Erdbeben südlich von Wien, dessen Epizentrum irgendwo zwischen dem Stronachland zu Ebreichsdorf und der Oberwaltersdorfer gated Reichen-Community Fontana, Stronachs Wohnsitz, lag. Es könnte sich davor irgendwie so zugetragen haben: Frank Stronach, der sich, wie man seit der ORF-Wahlfahrt mit Hanno Settele weiß, "für alles interessiert", könnte "Der Bohlenweg: Planieren statt Sanieren" gelesen haben. Und weil er laut Tillmann Fuchs "keine komplizierten Menschen mag", könnte er sofort begeistert gewesen sein. Bohlen mag noch nie Aufsichtsrat der New Yorker Stock Exchange gewesen sein, ist aber qua Kontostand satisfaktionsfähig.

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Dieser macht ihn in der entwaffnend unorthodoxen Stronach-Sicht der Dinge schließlich klüger als andere. Flugs könnte Helmut Werner, mit den Bohlen-Agenden in Österreich betraut, engagiert worden sein, um fortan am 21. September nicht nur einen bemerkenswert schlecht sitzenden Anzug, Tschäcki Lugner sowie seinen einschlägigen Hansi-Hinterseer-Haarhelm auszuführen, sondern eben auch für die Zusammenkunft der beiden "klug-weil-reich"-Intelligenzbolzen in der Aula der Wissenschaften (!) zu sorgen. Und so begab sich, was auf Facebook und Twitter anfangs für einen Scherz gehalten wurde—und wir waren für euch dabei. Undercover, als zahlende Gäste, denn Medien waren beim Gala-Dinner ausgesperrt.

Gut, das stimmt nicht ganz. Denn bevor Medienvertreter hinauskomplimentiert wurden, gab es noch eine kleine Pressekonferenz in einem Nebenraum. Und diese war wirklich klein. Denn auf Nachfrage beim Gatekeeper, ob wir denn als einfache Gäste da ebenfalls rein dürften, wurden wir mit der Begründung reingelassen, dass es dann "wenigstens nach mehr Leuten" aussehe und mit einem, sich später noch als relevant herausstellendem, weißen Presseband versehen. Nicht, dass es sich gelohnt hätte. Redundante Bauchpinsel-Fragen zum Thema Erfolg, gegenseitige Versicherung der Wertschätzung und die angesichts der deutschen Bundestagswahl tags darauf unvermeidliche Frage, ob Dieter Bohlen denn auch plane, in die Politik zu gehen. Nein, plant er natürlich nicht. "Politiker verdienen ja nichts".

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Kurz nach 19 Uhr ging es dann los mit Sektempfang und freier Tischwahl im ersten Stock. Das, mit Ausnahme von Helmut Werner, erstaunlich gut und stilsicher gekleidete Publikum füllt die etwa 25 8er und 10er Tische nicht ganz, was uns kurz an die Befürchtung von Niko Alm (ebenfalls anwesend) erinnert: Wir wären ohnehin die Einzigen, die bezahlt hätten. Der Rest setze sich aus Parteijüngern und F- bis U-Prominenten zusammen. Die Sichtung von Dieter Chmelar, Werner Tomanek und Janine Schiller erhärten den Verdacht.

Es folgt die seit ewig und drei Tagen auf der payroll von Stronach stehende Miss World 1987 Ulla Weigerstorfer, die, unleugbar gestählt durch zig Bingoabende für Speckgürtelomas in Niederösterreich, ein kleines Fränk-Imagevideo anmoderiert: "Frank Stronach wurde bis jetzt oft nicht richtig verstanden." Ja, das hätten wir auch so gemerkt.

Wir machen derweil ausgiebig Gebrauch vom blaufränkischen Free Refill, zwei Flaschen (mit Schraubverschluss) standen bereits zur Begrüßung am schlicht eingedeckten Tisch. Weitere folgen. Zur Begleitung gibts Kartoffeln mit Feldsalat an Franks Kernöl, Kürbiscremesuppe sowie ein Charolais Filet mit Kartoffelgratin und Bohnen im Speckmantel. Tadellos. Nicht die 75 Euro pro Ticket wert, aber die sich summierenden, per Scheck im DIN-A1 Format überreichten 25.000 Euro für die Make A Wish-Foundation gäben ohnehin einen passablen Vorwand für den Besuch dieses "Realität übertrifft die Tagespresse"-Events ab.

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Der Abend steuert seinem Höhepunkt entgegen, Frau Weigerstorfer übernimmt abermals die Moderation und bittet die beiden Haudegen auf die Bühne. Es folgt ein etwas müdes, teilweise gescripted wirkendes Zuspielen von Bällen, keine "Rede" wie angekündigt. Hinterher fällt mir auf, dass Dieter Chmelar den Abend bereits zuvor unter das Motto "Modernd Talking" stellte – ihr versteht schon. Bohlen so: "In der Politik ist es leichter als im Showbusiness. Als Politiker musst du ja nie die Wahrheit sagen." Lacher.

Powersatz des Abends: "Menschen, die gegen den Strom schwimmen, bekommen Muskeln. Wenn du mit dem Strom schwimmst, bist du tot." Lacher. Erneut der Hinweis darauf, dass Politik für ihn persönlich nichts wäre, weil man dort ja nichts verdient. Lacher. Es folgt ein Vollplayback-Medley aus Bohlen-Hits mit dem Pop-Titanen am Klavier—er vergisst dabei natürlich nicht, auf eine nicht so wirklich selbstironische Art und Weise zu erwähnen, dass das lange nicht alle "Nummereinsn" aus seiner Feder wären. Müßig zu erwähnen, dass sie alle gleich klingen. Etwas Schwung erhält der Auftritt dadurch, dass bei der ersten Nummer einige Takte lang ein falsches Playback eingespielt wird, was Bohlen aber souverän mit der Bitte nach dem anderen Playback meistert.

Gegen Mitternacht erweisen sich die erschnorrten Pressebändchen als nützlich, weil diese noch Zutritt zum randvollen Club Palffy erweisen, in welchem wir weiter trinken (leider nicht mehr auf Magna-Rechnung) und Zeuge der Ankunft des umgezogenen, von jungen Damen umschwärmten Frank Stronachs in Jeans und jugendlicher Lederjacke werden. Bohlen (nicht umgezogen) ist auch wieder dabei, steht aber spätestens dann im Schatten, als Fränk das textile Missverständnis auszieht um ein neues zu entblößen.

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ab Minute 4:20 anzusehen. Fränk zeigt seine besten Dancemoves.

Frank und Dieter sind für uns zu diesem Zeitpunkt nicht zu erreichen. Es reicht nur für ein Foto mit Robert Lugar. Irgendwie demütigend.

Was bleibt von so einem Abend? Erst einmal 25.000 Euro für schwerkranke Kinder (alleine Dieter Bohlens Gage lag jenseits der 100.000). Man muss Frank Stronach diese zutiefst nordamerikanische, meritokratische Attitüde zugutehalten: österreichische Selbstverständlichkeiten wie Parteibuch, Stallgeruch und Herkunft spielen im Denken des steirischen Werkzeugmachers keine Rolle.

Auch glaube ich ihm aufs Wort, dass er in Sachen Korruption völlig unanfällig wäre. Ihm geht es einzig und allein um Nachruhm. "Legacy", wie er wohl sagen würde. Ins Geschichtsbuch eingehen als einer, der wie kein zweiter österreichischer Unternehmer der jüngeren Geschichte "Löhne bezohlt hot" und, nochamol, "wos von der Weadschoft versteht". Reicht das? Schwimmen Stronach-Wähler gegen den Strom und bekommen Muskeln? Oder mit ihm und sind fast tot?

Wir können es nur mit Dieter Bohlen halten, der, als er von der Bühne ging, sagte: "Vielen Dank. Ich mach sowas nie wieder."

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