Popkultur

Wie ein deutscher Schüler ein Wochenende lang zum Rap-Superstar wurde

Wegen eines Fehlers bei Spotify hören Fans von Future plötzlich einen 15-Jährigen über Sucuk und Ayran rappen.
Ein Screenshot von Futures Spotify-Profil
Screenshot: Spotify

Future rappt und singt nicht mehr nur mit Krächzstimme über das High von Drogen wie Codein und Xanax, sondern auch über Katzen auf seinem Schoß, Sucuk und Ayran. Auf Deutsch, auf einem klassischen Beat mit Piano-Sample. Seit diesem Wochenende steht ganz oben auf Futures Spotify-Profil, das immerhin 21 Millionen monatliche Hörer zählt, in der Kategorie Neuerscheinung der Song "Ausländer 2". Auf dem Cover: Eine in Scheiben geschnittene Sucuk-Wurst.

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Was ist los mit einem der größten Rapstars der USA – hat der gerade wirklich radikal seinen Style verändert und ist von Hustensaft auf Knoblauchwurst umgestiegen?

Am Wochenende diskutierten Nutzerinnen und Nutzer auf Twitter darüber, ob sich ein unbekannter Rapper in Futures Profil gehackt haben könnte, um seinen eigenen Song prominent zu platzieren. Immer wieder nutzen Amateur-Rapper bei YouTube den Trick, ihren neuesten Song nach dem eines Stars zu benennen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ein Spotify-Hack für diesen Zweck wäre ein Upgrade, die Meisterdisziplin. Denn natürlich ist "Ausländer 2" kein Track des berühmten Künstlers aus Atlanta. "Ich fang mal an zu erzählen, ich bin 15 Jahre alt/ bin ein Hobby-Youtuber und auch Kanak zugleich", heißt es gleich am Anfang. Mit "Mask Off" hat das wenig zu tun.

Hinter dieser Zeile steckt der 15-jährige Emre, ein Schüler aus Nordrhein-Westfalen. Seit 2016 veröffentlicht er auf seinem YouTube-Channel Videos über Minecraft, Gamingstühle, Playstation-Controller und ab und zu auch Rapsongs unter seinem Künstlernamen Future. Mehr als tausend Klicks haben seine Videos selten, knapp 400 Menschen folgen seinem Kanal.

"Es war definitiv kein Hacking", sagt der deutsche Future

Am 9. August lud er seinen Song "Ausländer 2" über einen Digitalvertrieb auf Spotify hoch. Jeder kann einen solchen Vertrieb, in diesem Fall iMusician, nutzen. Es reicht, sich anzumelden und das Cover, den Song und die zugehörigen Infos an den Anbieter zu schicken – der übernimmt den Rest. Das funktioniert problemlos, meistens jedenfalls. Im aktuellen Fall aber wurde "Ausländer 2" irrtümlich dem Künstlerprofil des amerikanischen Future zugeordnet. "Ich habe plötzlich viele Instagram-Nachrichten von Freunden und von fremden Leuten mit Screenshots von Futures Spotify-Profil bekommen", sagt der deutsche Future am Telefon im Gespräch mit VICE. Weil der Spotify-Kundenservice am Wochenende schwer zu erreichen sei, habe den Fehler bisher niemand beheben können. "Ich freue mich über die Aufmerksamkeit, aber es war definitiv kein Hacking", sagt der 15-Jährige.

Durch einen kleinen Fehler im System hat er nun für einige Tage ein Millionenpublikum. Wie viele Klicks ihm das bringt, kann er bisher noch nicht sagen. Die Einnahmen der letzten Tage könnten ihm aber tatsächlich ausgezahlt werden. Schlecht ist das nicht. Denn im Song rappt er, der selbst einen türkischen Migrationshintergrund hat, über nervige Klischees, denen er in Deutschland ausgesetzt ist. "Ich wollte die Vorurteile, die es gegenüber Ausländern gibt, zum Beispiel, dass Türken immer Sucuk und Ei essen, in meinem Track verarbeiten", sagt er.

Nur ein Problem hat der deutsche Future mit dem US-Future. "Ich höre seine Musik gar nicht, weil ich einfach keinen Mumblerap mag", sagt er. Stattdessen höre er lieber die Songs des Rappers Tech N9ne, der das komplette Gegenteil von Futures verdrogter Trap-Musik macht. Beschwert habe sich der US-Future öffentlich bisher nicht über den Fehler. Vielleicht gefallen ihm ja Zeilen wie "Ich erzähl’ die Story weiter, wo war ich bloß / ach scheiß drauf, eine Katze sitzt auf meinem Schoß". Oder er erfreut sich einfach an diesem kleinen Empowerment-Track eines deutschen Schülers, der Lust darauf hat, zu Hause Musik zu machen. So ähnlich hat Futures Karriere schließlich auch begonnen.

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