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Sex

Eine Studie zeigt das enorme Ausmaß von sexualisierter Gewalt unter Schülern

Die Befragung Tausender offenbart, wie viele Schüler in Deutschland gegen ihren Willen sexuell gemobbt und angefasst wurden – und wie viele einer Vergewaltigung nur knapp entkommen sind.
Symbolbild: Imago

Es wäre schön, wenn die größten Probleme deutscher Schüler mangelnde Fidget-Spinner-Skills oder schlechte Noten wären. Leider sind sie das nicht. Eine Studie zum Thema sexualisierte Gewalt offenbart erschreckende Erkenntnisse über den Alltag von Schülern: Demnach hat über die Hälfte aller Mädchen (55 Prozent) bereits Erfahrungen von nicht-körperlicher sexualisierter Gewalt gemacht. Bei den Jungs sind es 40 Prozent.

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Das fanden die Macher der SPEAK!-Studie heraus. Diese entstand in Zusammenarbeit der Philipps-Universität Marburg und der Justus-Liebig-Universität Gießen. Für die repräsentative Umfrage wurden zwischen Mai und Dezember 2016 an 53 hessischen Schulen 2.719 Schülerinnen und Schüler befragt, die meisten von ihnen waren zwischen 14 und 16 Jahre alt.


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Bei der Untersuchung ging es im Gegensatz zu den meisten anderen Studien zum Thema nicht um sexuellen Missbrauch, bei dem sich Erwachsene an Minderjährigen vergehen, sondern um sexualisierte Gewalt unter etwa gleichaltrigen Schülern. Darunter verstehen die Wissenschaftler "jede Verletzung der körperlichen oder seelischen Integrität einer Person, welche mit der Geschlechtlichkeit des Opfers und Täters zusammenhängt".

Schulen sind keine sicheren Orte

Sexuelle Belästigung gehört an vielen Schulen zum Alltag. 40,6 Prozent der befragten Schülerinnen mussten schon sexuelle Kommentare, Witze oder Beleidigungen über sich ergehen lassen. Mehr als jedem vierten Jungen ging es ebenso. Sexuell aufgeladenes Cybermobbing hat rund jedes Dritte Mädchen bereits erlebt. 14,9 Prozent der Mädchen wurden Opfer von Exhibitionismus und 3,6 Prozent der Jungs.

Laut der Studie steigt das Risiko, Opfer von nicht-körperlicher sexualisierter Gewalt zu werden, je älter die Schüler werden. Etwa die Hälfte der nicht-körperlichen sexualisierten Gewalt findet direkt an Schulen statt. Direkte körperliche sexualisierte Gewalt erfuhren die Befragten zu etwa 75 Prozent außerhalb der Schule.

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Mädchen werden dreimal so häufig Opfer von Übergriffen wie Jungs

Auch das Ausmaß von körperlicher sexualisierter Gewalt unter Schülern ist gravierend: 30,1 Prozent der Mädchen gaben an, dass sie schon mal gegen ihren Willen zum Beispiel an Po oder Brust betatscht wurden. Fünf Prozent der Jungs machten ähnliche Erfahrungen. Jedes zehnte Mädchen gab außerdem an, schon gegen ihren Willen im Schritt berührt worden zu sein.

Jede zehnte Schülerin wäre schon fast vergewaltigt worden, unter den Jungs liegt diese Quote bei 1,4 Prozent.

Pornos als Gründe für sexualisierte Gewalt?

Die Studie untersuchte auch, ob Pornos der Grund für die vielen Fälle von sexualisierter Gewalt unter Schülern sind. In ihren Ergebnissen räumen die Macher zwar ein, dass sie nicht sagen können, ob sexuelle Gewalttäter besonders häufig Pornos schauen, oder ihre Taten aus diesem Grund begehen. Häufiger Pornokonsum würde sich laut der Befragung aber trotzdem auf die Einstellung zu Sexualität auswirken, besonders was die Vorstellungen von Macht, Gewalt und Dominanz von Männern gegenüber Frauen angeht. Die Studienmacher fordern deshalb, junge Menschen in Zukunft besser im Umgang mit Medien zu schulen.

Noch wichtiger, als über den eigenen Pornokonsum nachzudenken, könnte allerdings sein, etwas zu sagen, wenn man Zeuge von sexualisierter Gewalt wird. 52,3 Prozent der Jungs und 55,6 Prozent der Mädchen gaben an, schon einmal gesehen zu haben, wie jemand Opfer von sexuellen Kommentaren, Beleidigungen, Gesten oder Witzen wurde.

Wenn du etwas beobachtet hast oder Hilfe brauchst, weil du selbst Opfer von sexualisierter Gewalt wurdest, kannst du eine Mail an das Kinder- und Jugendtelefon schreiben oder dich direkt melden, anonym und kostenfrei. Montag bis Samstag, 14 - 20 Uhr unter 116 111 oder 0800 – 111 0 333.

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