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Wie eine dystopische Black Mirror-Folge Camerons Schweinesex-Skandal vorhersagte

#piggate, #snoutrage, #hameron — manchmal nehmen dystopische Science-Fiction-Serien die Gegenwart vorweg.
In der gefeierten Science-Fiction-Serie Black Mirror hat der britische Premierminister Livesex mit einem Schwein, um das Leben der Prinzessin zu retten. Bild: Channel 4

Ein beleidigter britischer Lord hat im Boulevardblatt Daily Mail gestern Auszüge aus seiner offen feindseligen, unautorisierten Biografie des britischen Premierministers veröffentlicht und damit nicht nur das unappetitliche Hashtag #Piggate losgetreten, sondern auch Fans der Serie Black Mirror einen amüsanten Montag beschert.

In dem Text von Lord Ashcroft behauptet eine unbestätigte anonyme Quelle, Cameron habe seinen Penis in das Maul eines toten Schweins gesteckt—als eine Art exotisches Initiationsritual zur Aufnahme in eine dekadente Dinnergesellschaft (im Auszug ist zwar auch noch die Rede von Kokspartys im Wohnzimmer des Premiers sowie Anschuldigungen, Cameron habe Gras geraucht und dabei gerne Supertramp gehört; aber wen interessiert das schon angesichts des Schweinepenetrations-Vorwurfs, der doch so schön grafisch und anrüchig daherkommt?!). Es gäbe—möglicherweise, unter Umständen—auch ein Foto davon!

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Zwischen Ekel und Faszination gehen die Fakten gern mal flöten. Bild: Channel 4

Downing Street wollte den Vorwurf bislang nicht kommentieren, doch die britische Öffentlichkeit, die den Skandal gierig aufsaugte und gerade medial verdaut, fühlte sich wie mitten in einem Déjà-Vu: Denn die Parallelen zwischen der ebenfalls britischen, gefeierten Techno-Dystopieserie Black Mirror auf Channel 4 und dieser Geschichte sind auffallend.

In der 2011 ausgestrahlten, ersten Folge The National Anthem wird eine beliebte junge Prinzessin in London entführt und der fiktionale Premierminister des Landes folgendermaßen erpresst: Die Geisel würde nur überleben, wenn der Politiker noch am selben Nachmittag live im Fernsehen Sex mit einem Schwein habe.

„Ich ficke doch kein Schwein. Kommt gar nicht in Frage", ist seine prompte Antwort im Krisenstab. Doch nachdem ein abgeschnittener Mädchenfinger bei einem Nachrichtensender auftaucht, wendet sich die öffentliche Meinung gegen ihn: Dieser Akt sei seine politische Pflicht, geradezu die Verantwortung des Premiers. In einer Mischung aus Faszination und Ekel verlangen seine Bürger, dass er es tut, um ihn dabei am Bildschirm zu beobachten und gleichzeitig dafür zu verachten.

Die in der

Daily Mail

lancierte Kampagne ist derweil ziemlich durchsichtig—Ex-Parteifreund Lord Ashcroft ist auf einem ganz persönlichen, dreckigen Rachefeldzug, weil er überzeugt ist, im politischen Stühlerücken zu kurz gekommen zu sein. Konservative Politiker haben bereits abgestritten, dass Cameron jemals in der erwähnten hochexklusiven Schweinesexverbindung Mitglied gewesen wäre. Und auch der nun zum Visionär verklärte Black-Mirror-Serienautor Charlie Brooker dementierte leicht verstört, jemals zuvor etwas von einem Vorfall mit einem Schwein und Cameron gehört zu haben:

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Just to clear it up: nope, I'd never heard anything about Cameron and a pig when coming up with that story. So this weirds me out.
— Charlie Brooker (@charltonbrooker) September 20, 2015

So fabriziert und kalkuliert der angebliche Skandal auch sein mag: Das Bild von Cameron, der irgendetwas Versautes mit einem Tier anstellt, wird sich trotzdem für alle Zeiten in unsere Gehirne brennen—völlig egal, ob es wirklich passiert ist; wir haben dafür einfach zu viel Fantasie und Freude am Skandal. Camerons Ruf wird diese Attacke nachhaltig schädigen; an seinem politischen Posten wird sie derweil nicht rütteln (zumindest, solange kein belastendes Bildmaterial auftaucht).

Die Wahrheit spielt ohnehin schon längst keine Rolle mehr spielt—die Absicht eines Rivalen, Cameron eine vermeintliche Schweinerei anzuhängen, ist vor allem, ihn dazu zu zwingen, Sex mit toten Schweinen abstreiten zu müssen und ihn so zu demütigen.

Online-Debatten werden häufig von ungebremsten Emotionen und überstrapazierten Hashtags getragen. Bestimmte Skandale—wie der Vorwurf der Sodomie eines Politikers mit einem Bauernhoftier—können die Vorstellungskraft der Öffentlichkeit gefangen halten und zu ihren eigenen Über-Memes werden lassen. Die Fakten verblassen im Sekundären, während Empörung, Vorverurteilung und Spott sich im Sekundentakt öffentlich überschlagen—und Vorwürfe, seien sie noch so haltlos, länger an zeitgeschichtlichen Personen haften bleiben, als PR-Manager beherzte Gegenkampagnen steuern können.

Just been nosing through old Black Mirror files now, of course. pic.twitter.com/6Xhuhby0Gj
— Charlie Brooker (@charltonbrooker) September 20, 2015

Zwölf Stunden nach der Veröffentlichung war für aufmerksamkeitsgeile Internetkommentatoren jedenfalls klar: Da war was. Üble Nachrede und Geläster ergossen sich in die sozialen Medien. Nicht unähnlich einer Szene aus besagter Black Mirror-Episode, in der die Frau des fiktiven Premierministers Tweetdeck überfliegt und und vor Demütigung im Boden versinkt, als Nutzer unter dem rasend schnell etablierten Hashtag #SNOUTRAGE beispielsweise ätzen, dass Sex mit einem Schwein ja immerhin noch besser sei als Sex mit der Präsidentengattin.

Heute kann man bereits Ähnliches unter #Piggate oder #Hameron lesen.