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Sport

Diese Parkour-Profis prüfen die Ausbruchsicherheit von Gefängnissen

Der Ausbruchsrekord des Teams liegt bei 15 Sekunden.

Alle Bilder: bereitgestellt von ParkourGenerations.com

Man sollte sich vom Namen nicht fehlleiten lassen—bei einem Penetrationstest werden keine Dildos zur Qualitätskontrolle in eine riesige Gummivagina geschleudert. Nein, bei einem Penetrationstest wird eine Gruppe von erfahrenen Parkour-Sportlern damit beauftragt, aus einem Gefängnis auszubrechen. Dadurch sollen eventuelle Sicherheitsmängel aufgezeigt und beseitigt werden—und diese Sicherheitsmängel sind häufiger vorhanden, als man glauben mag.

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Sicherheitsfirmen, die für den Bau von Hochsicherheitsgefängnissen, psychiatrischen Anstalten und Häusern von paranoiden Superreichen verantwortlich sind, nehmen die Dienste der Profis von Parkour Generations in Anspruch—dem einzigen Unternehmen im Vereinigten Königreich, das diesen Service anbietet. Die Sportler werden dann ins Gefängnis gebracht und müssen wieder ausbrechen, indem sie von Wände und Zäune hochklettern. In diesem Zug sollen sie auch noch Schwachpunkte lokalisieren und herausfinden, ob sie ebenfalls einbrechen könnten.

Wenn es das Team schafft, innerhalb weniger Minuten auszubrechen, dann schämt sich die Sicherheitsfirma zuerst einmal gewaltig und macht sich dann gleich daran, die getesteten Orte ausbruchsicherer zu machen.

Parkour Generations trainiert zusätzlich noch das Militär: Die Mitarbeiter zeigen Soldaten und der Militärpolizei, wie man sich Zugang zu einem „sicheren" Gebäude verschafft, wie man Verfolgern entkommt und wie man sich am schnellsten aus lebensbedrohlichen Situationen befreit.

Ich habe mich mit Dan Edwardes unterhalten, dem Geschäftsführer vom Parkour Generations.

VICE: Wie viele Penetrationstests habt ihr jetzt schon hinter euch? Und bei wie vielen habt ihr es erfolgreich geschafft, ein- oder auszubrechen?
Dan Edwardes: Obwohl es das Ganze noch nicht so lange gibt, haben wir jetzt schon einige Einsätze absolviert. Wir nehmen allerdings immer mehr an Fahrt auf, denn vielen Einrichtungen wird klar, dass ihre Sicherheitsvorkehrungen noch nie unter „echten Bedingungen" überprüft worden sind. Unsere Erfolgsquote im Bezug auf tatsächliches Ein- oder Ausbrechen bei realistischen Sicherheitsvorkehrungen liegt bei ungefähr 85 Prozent.

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In welchem Ländern seid ihr unterwegs?
Bis jetzt vor allem in den USA und im Vereinigten Königreich.

Welche Einrichtungen nehmen euren Service in Anspruch? Wohl hauptsächlich Gefängnisse, oder?
Ach, da ist eigentlich alles dabei: Strafanstalten, psychiatrische Anstalten mit höchster Sicherheitsstufe, gewerbliche Gebäude, polizeiliche und militärische Einrichtungen, aber auch Privatgrundstücke.

Gehen eure Auftraggeber normalerweise davon aus, dass ihr die Sicherheitsvorkehrungen nicht überwinden könnt?
Ja, sie sind immer sehr überrascht davon, wie schnell wir rein- bzw. rauskommen. Sie gehen meistens davon aus, dass man sich zu ihren Gebäuden keinen Zugang verschaffen kann, aber das liegt daran, dass sie nicht um die Ecke denken und die Architektur nicht so sehen, wie wir das tun.

Seid ihr schonmal auf richtig komische Art und Weise irgendwo ausgebrochen?
Die meisten unserer Wege rein und raus sind relativ komisch, was allerdings auch nötig ist—die offensichtlichen Fluchtwege werden ja normalerweise streng überwacht oder unzugänglich gemacht. Oftmals verschaffen wir uns über andere Gebäude oder urbane Gegebenheiten Zugang. Das ist etwas, auf das viele der Architekten keinen Einfluss haben, wenn sie ihre Blaupausen anfertigen. Man muss jede Einrichtung im Kontext des Ortes und der Umgebung betrachten.

Viele Unternehmen heuern euch an, aber es gibt auch viele Orte, die ihre Sicherheitsvorkehrungen nicht prüfen lassen. Sind euch schonmal Gefängnisse oder psychiatrische Anstalten untergekommen, die eurer Meinung nach sicherer gemacht werden sollten?
Ja, ständig. Uns fallen bei angeblich sicheren Einrichtungen dauernd mögliche Ein- und Ausbruchsrouten auf. Natürlich muss jedes Unternehmen selbst entscheiden, wie zufrieden es mit den eigenen Sicherheitsstandards ist, aber wir liefern ihnen eine Komponente, die bei anderen Testverfahren oft nicht mit eingeplant wird: die körperlichen Fähigkeiten im Zusammenspiel mit der Raffinesse eines engagierten und motivierten Menschen, der gewisse Hürden überwinden will.

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Wie viele deiner Mitarbeiter sind dazu qualifiziert, diese Tests durchzuführen?
Im Vereinigten Königreich haben wir sechs Berater, die auch die Penetrationstests durchführen.

Welche Voraussetzungen muss man dafür mitbringen?
Bei unserer Taktikabteilung gibt es interne Trainingsprogramme, aber die meisten Berater bringen bereits Erfahrungen aus verschiedenen Bereichen mit—Sicherheit, Arbeitsabläufe und so weiter. Und natürlich Parkour.

Dein Unternehmen bietet auch Lehrgänge zu den Themen Ex- und Infiltration an. Was genau wird einem da beigebracht?
Diese Lehrgänge bestehen aus zwei Komponenten: zum einen das Aneignen der nötigen körperlichen Fähigkeiten und Voraussetzungen—inklusive funktioneller Stärke und Fitness—und zum anderen die Entwicklung eines Gespürs für den richtigen Weg in ein Gebäude hinein und dann auch wieder heraus. Die beiden Komponenten bauen aufeinander auf, alleine sind sie jeweils nutzlos.

Wie überwindet ihr gewisse Hürden? Ein Beispiel: Wie schafft man es, eine große Mauer nur als Hindernis und nicht als Sackgasse zu betrachten?
Mit der richtigen Technik und dem passenden Schwung kann man sich an einer Mauer schon sehr weit nach oben katapultieren und man sieht sie dann als eine Art „vertikalen Boden". Dinge, die eigentlich als Hindernisse gedacht sind, werden zu einem Sprungbrett, mit dem man sein Ziel erreicht. Es geht vor allem darum, durch abgestimmte Bewegungen eine neue Perspektive und damit auch neue Möglichkeiten zu erschaffen.

Wie gefährlich ist das Ganze?
Es erscheint vielleicht gefährlich, aber das liegt immer im Auge des Betrachters—wir trainieren unsere Bewegungsabläufe schließlich schon jahrelang, um das Risiko so gering wie möglich zu halten. Wir haben uns auf diese Arbeit alle sehr gut vorbereitet. Dazu überprüfen wir während der Planungsphase noch die Oberflächen und das Material, schauen uns die Wettervorhersage an, messen die Höhen und so weiter. Wir stellen einfach sicher, dass unser Team die Aufgabe in einem möglichst sicheren Umfeld erledigen kann. Wenn jemand wirklich aus dem Gefängnis ausbricht, kann er die Umstände natürlich nicht so prüfen wie wir.

Die Sicherheit ist denen dann wahrscheinlich auch relativ egal. Wie schafft ihr es, dass eure Tests trotzdem noch einen gewissen Realitätsgrad behalten?
Die körperlichen Fähigkeiten unseres Teams übersteigen die eines durchschnittlichen Häftlings um ein Vielfaches. Unsere Aufgabe setzt eine Mischung aus jahrelangem Parkour-Training und taktischen Kenntnissen voraus. Wenn wir keinen Weg rein oder raus finden, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass das einem Gefangenem gelingt.

Was ist euer Ausbruchsrekord?
Ich erinnere mich noch an eine psychiatrische Anstalt, aus der wir in unter 15 Sekunden ausgebrochen sind—also so lange haben wir vom inneren Hof bis zum Parkplatz gebraucht. Das hat der Anstaltsleitung wirklich die Augen geöffnet.