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Popkultur

Die Geschichte des Mafiabosses "The Snake", der mit 17 erstmals wegen Mordes angeklagt wurde

Heute ist Carmine Persico 85 und leitet die Geschäfte seiner Familie aus dem Gefängnis, wo er eine 139-jährige Haftstrafe absitzt.
Carmine Persico
Foto: Brooklyn Eagle | Brooklyn Collection | Brooklyn Public Library

In der Geschichte US-amerikanischer Gangster trifft man auf viele große Namen wie Al Capone, Whitey Bulger oder John Gotti. Doch nur Wenige können mit der Lebensgeschichte von Carmine "The Snake" Persico mithalten. Seit er 1973 zum Kopf der New Yorker Colombo-Familie aufstieg, hält er die Geschäfte seiner Familie fest im Griff – davon lässt er sich auch durch eine 139-jährige Gefängnisstrafe nicht abhalten, die er seit Mitte der 80er Jahre für räuberische Erpressung, Bestechung, illegales Glücksspiel und Drogenhandel absitzt.

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In ihrem bald erscheinenden Buch Carmine the Snake untersuchen der ehemalige Mafioso Frank DiMatteo und der Kriminalforscher Michael Benson den Aufstieg der lebenden Legende. Von seinen Anfängen als tougher Straßengangster bis zu seiner Krönung als Oberhaupt einer der mächtigsten Mafia-Familien in New York soll Persico als einer der Wenigen dem Gesetz der Omertà – dem Schweigegelübde der Mafia – immer treu geblieben sein. Wir haben mit DiMatteo und Benson darüber gesprochen, wie Persico in der Mafia bis ganz nach oben aufstieg, wo sein Spitzname "The Snake" tatsächlich herkommt und wie er es schaffte, so lange an der Macht zu bleiben.

VICE: Persicos Lebensgeschichte wirkt nicht so, als ob er zufällig kriminell wurde. War schon immer klar, dass er in der Mafia aufsteigen würde?
Frank DiMatteo: Carmine hat sich auf der Straße schon sehr jung einen Namen gemacht. Er war ein hitzköpfiger, tougher Typ und Mitglied der Garfield Boys, einer New Yorker Gang. Mit 15 oder 16 Jahren war er in eine Schießerei zwischen zwei Gangs verwickelt. Das war in den frühen 50er Jahren. So kletterten Typen damals die Leiter empor. Als er und sein Bruder alt genug waren, wurden sie Teil der Profaci-Familie, die damals Red Hook in Brooklyn kontrollierte. Durch ihren Ruf als toughe Straßenkids erarbeiteten sie sich ihren Platz im Mob.

Michael Benson: Carmine war schon immer ein Gangster. In der Schule nahm er anderen Kindern ihr Essensgeld ab. Er war der Typ, der für einen gewissen Preis dein Auto bewachte. In seinen Teenagerjahren terrorisierte er die New Yorker Stadtviertel von Brooklyn Heights bis Canarsie. Einige der Jungs, die Carmine schon als Kind kannte, blieben ihm bis in die 70er Jahre treu, bis das RICO-Gesetz sie hinter Gitter brachte.

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Wie schaffte es Carmine, vom einfachen Gangmitglied bis an die Spitze der Colombo-Familie aufzusteigen?
Benson: Carmine Persico stellte seine Loyalität zur Mafia auf spektakuläre Weise unter Beweis. Als letzte Aufgabe, um ein vollwertiges Mitglied der Familie zu werden, wurde er Teil des "Barbershop Quartet", das für den Mord an dem Mafioso Albert Anastasia verantwortlich war, während dieser gerade rasiert wurde. Dieser Vorfall änderte den Verlauf der Mafia-Geschichte.

Er war ein eiskalter Killer. Für ihn war alles rein geschäftlich und nichts persönlich. Bereits mit 24 war er ein "made man" und somit das jüngste vollwertige Mitglied in der Geschichte seiner Mafia-Familie. Carmine hatte ein Ziel im Leben: Er wollte der Anführer sein. Ein Teil seines Traums wurde bereits in der Jugend als Anführer der Garfield Boys wahr. Und sein Traum ging erneut in Erfüllung, als er Jahre später zum Boss der Colombo-Familie aufstieg.

OK, aber wenn er so sehr am Ehrenkodex der Mafia festhielt, wie kam es dann zu seinem berüchtigten Streit mit den Gallo-Brüdern und zu seinem Spitznamen "The Snake", also "Die Schlange"? Lag es daran, dass er ein Lügner war?
DiMatteo: Carmine und Joey "Crazy Joe" Gallo kannten sich aus ihrer Zeit in der Gang und standen sich nahe. Gallo wollte sich von der Profaci-Familie lösen, da er den Boss der Familie, Joe Profaci, nicht mochte. Joey und sein Bruder Larry Gallo dachten, dass sie Carmine Persico trauen konnten, als sie ihren Austritt planten. Doch der Boss Profaci bekam Wind von der Sache und machte Carmine ein lukratives Angebot. Daraufhin lud Carmine Larry Gallo zu einem Treffen ein und versuchte, ihn im Auftrag von Profaci zu töten.

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Benson: Er wollte Larry Gallo 1961 in der Sahara Lounge in Brooklyn umbringen – das lief ganz ähnlich ab wie eine Szene in Der Pate II. Larry Gallo wäre gestorben, wenn nicht ein Polizist zufällig in den Laden gekommen wäre, weil er sich wunderte, warum die Tür am Sonntagmorgen offen stand.

DiMatteo: Seinen Spitznamen "The Snake" erhielt Carmine vom Mafia-Boss einer anderen New Yorker Familie, Frank "Punchy" Iliano. Er soll Carmine auf dem Weg ins Gerichtsgebäude getroffen haben, die beiden gerieten aneinander und Punchy nannte ihn eine Schlange. Seitdem nannten die Gallos ihn nur noch "The Snake".


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Wie gelang es Persico, sich so viel Respekt zu verschaffen?
DiMatteo: Er war selbst sehr gefährlich und hatte viele Killer, die ihm gehorchten. Jetzt haben wir 2018 und er ist immer noch am Leben. Er war nie ein Verräter und hat nie mit der Polizei geredet, er ist dem Leben als Gangster immer treu geblieben. Er hat nie einen Deal mit den Behörden ausgehandelt, war zehnmal im Gefängnis und trägt immer noch ein Lächeln im Gesicht. Er ist ein tougher Typ der alten Schule. Das weiß jeder auf der Straße und sie respektieren ihn dafür.

Benson: Persico war selbstsicher und rücksichtslos, er tat alles, um seinen Reichtum und seine Macht auszubauen. Das war für ihn so selbstverständlich wie für andere Leute das Atmen. Wenn jemand seine Führungsrolle bei den Colombos anzweifelte, zog er gegen ihn in den Krieg. Persico liebte die Mafia-Kriege, denn er war immer auf der Seite, die gewann, selbst wenn er seine angeblichen Freunde dafür hintergehen musste. Er war länger Boss einer der fünf New Yorker Familien als irgendjemand sonst. Wenn es darauf ankam, blieb er seinem Schwur treu und hielt die Klappe.

Wie konnte Persico seine Macht auch aus dem Gefängnis heraus aufrecht halten?
Benson: Er war schlau. Die anderen wollten, dass er das Sagen hatte, selbst als er hinter Gittern saß. Carmine hat viel weniger Scheiße gebaut als die anderen Bosse. Nachdem er lebenslang ins Gefängnis kam, nutzte er die Männer, denen er am meisten vertraute – die er noch aus seiner Zeit mit den Garfield Boys kannte –, um Botschaften zu schicken. Persico war ein Gangster wie kein Zweiter und ich glaube, dass einige Teile von Der Pate auf seinem Leben basieren. Mit den Jahren nahm seine Macht ab. Einer nach dem anderen verschwanden seine Vertrauten und inzwischen ist er eher ein Mentor für das, was nach den RICO-Verhandlungen noch von der Colombo-Familie übrig ist.

Wofür wird man sich in der Mafia-Geschichte an Persico erinnern?
DiMatteo: Dieser Typ hat mehr Jahre eingesessen als irgendwer sonst, außer vielleicht Tony Franzese. Falls Carmine auch 100 Jahre alt wird, wird er diesen Rekord brechen. Meiner Meinung nach ist Carmine einer der letzten lebenden Gangster der alten Schule.

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