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Popkultur

Warum Böhmermann überlegt, Merkel zu verklagen

Es hat etwas mit Ziegen und Sodomie zu tun.
Foto: imago | STAR Media

Witze sind etwas Schönes. Witze machen das Leben erträglich: wenn man zum Beispiel gerade merkt, dass der Sommer schon vorbei ist, obwohl er nie richtig angefangen hat. Witze sorgen dafür, dass Menschen dich mit auf Partys nehmen, auch wenn du komische Klamotten anhast und immer den ganzen Alkohol klaust.

Aber Witze können zum Albtraum für alle Beteiligten werden und zwar dann, wenn sie erklärt werden müssen. In dem Moment beginnt der Witz, sich in sein Gegenteil zu verkehren, er wird zur Last, die schwerer wird, je länger die Erklärung dauert.

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Der Witz der Menschheitsgeschichte, der sich am schnellsten in sein Gegenteil verkehrt hat, ist übrigens in Deutschland entstanden: Es ist die "Böhmermann-Affäre".

Was mal als gutgemeinte Satire angefangen hat, hat sich mittlerweile zu einem Monstrum mit mehreren Gerichtsverfahren und einem eigenem Wikipedia-Eintrag entwickelt. Schuld daran sind vor allem die beteiligten Politiker. Aber auch Böhmermann selbst hat im Laufe der Affäre irgendwann den Humor verloren, und was das angeht, hat er ihn offenbar bis heute nicht wiedergefunden.

Es sind zwei kleine Worte, die Jan Böhmermann damals so sauer gemacht haben. Zwei kleine Worte, die Angela Merkel in einem Telefongespräch mit dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu fallen ließ: "bewusst verletzend".

Das war Merkels Einschätzung über den Text des "Schmähgedichts", das Böhmermann drei Tage vorher, am 31. März 2016, im ZDF vorgelesen hatte. Zur Erinnerung – falls das wirklich irgendjemand vergessen hat: Böhmermann nannte den türkischen Präsidenten Erdoğan darin einen "Präsident mit kleinem Schwanz", der seine Zeit am liebsten mit "Ziegen ficken", "Kurden treten" und "Kinderpornos schauen" verbringt. Außerdem sei er eine "dumme Sau" mit "Schrumpelklöten".

Klar, irgendwie kann man verstehen, was Merkel meint, wenn sie das "bewusst verletzend" nennt. Das Problem war aber, dass Merkel nicht einfach irgendjemand ist, sondern als Kanzlerin auch die Meinung der Bundesregierung repräsentiert – vor allem, wenn sie mit dem türkischen Ministerpräsidenten spricht. Und das gilt noch mehr, wenn dieselbe Regierung kurz darauf beschließt, ein von Erdoğan angestrengtes Strafverfahren gegen Böhmermann zuzulassen. Merkel hat das übrigens auch gemerkt und sich deshalb ein paar Tage später dafür entschuldigt, das Gedicht öffentlich so bewertet zu haben.

Für Böhmermann und seinen Anwalt Christian Schertz war das Kind da aber schon in den Brunnen gefallen. Mit ihrer Kritik habe Merkel eine "juristische Bewertung des Werkes meines Mandanten vorgenommen, die einer Vorverurteilung gleichkommt", schreibt Schertz in einem Brief an das Kanzleramt, der dem Tagesspiegel vorliegt. Das sei rechtswidrig gewesen, weil Erdoğans Strafverfahren zu dem Zeitpunkt schon eingeleitet gewesen sei.

Damit habe Merkel den Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt, weil sie als "höchste Vertreterin der Exekutive" sich öffentlich zu einer Rechtsfrage geäußert "und damit erhebliche Folgen ausgelöst" habe. Wie der Tagesspiegel berichtet, hat Böhmermanns Anwalt der Kanzlerin deshalb eine Woche Zeit gegeben, um eine Erklärung abzugeben, dass sie damals rechtswidrig gehandelt habe.

Was das bringen soll? Eins ist klar: Böhmermann macht die Satire dadurch nicht gelungener.

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