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Sex

Rick Burger fotografierte drei Jahre lang die Berliner Fetisch-Szene

"Bei einer Session nagelte sich ein Mann einen zwölf Zentimeter langer Nagel in die Eichel. Das konnte ich zuerst nicht mit anschauen."

Der Fotograf Rick Burger lebt in Berlin und fotografiert meistens Mode. Die Models seines letzten Projekts waren aber Berliner Fetischisten. Drei Jahre lang fotografierte er Menschen in Ketten, Gummimasken, Latex und Leder. Herausgekommen sind sehr eindringliche Porträts, die an die berühmte Serie "In the American West" von Richard Avedon erinnern. Für dieses Projekt fotografierte Avedon—eigentlich ein Modefotograf—ungewöhnliche Menschen mit einer Großformatkamera in Schwarz-Weiß.

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Die Ähnlichkeit sei keine Absicht gewesen, sagt Rick Burger, aber auch er habe versucht, auf seinen Fotos vor allem die Persönlichkeiten der Menschen festzuhalten. Wir haben mit Rick darüber gesprochen, warum ihn die Fetisch-Szene fasziniert.

Alle Fotos: Rick Burger

VICE: Wo hast du die Leute kennengelernt, die du fotografiert hast?
Rick Burger: In meinem Datingprofil auf GayRomeo stand die Beschreibung meines Projekts. Viele meldeten sich von sich aus bei mir, ein paar Menschen schrieb ich auch an. Ich habe mich aber auch auf Fetisch-Partys im Lab.Oratory rumgetrieben und mich bei Fetisch-Gruppen, wie dem Berliner Leder- und Fetischverein, gemeldet. Die Fetischisten sind sehr gut organisiert, es gibt für jede erdenkliche Vorliebe Gruppen: Leder, Gummi, Doggy, Sneakers, Skin, Windel, Kettenhemden, Wolle.

Bist du auch privat in der Fetisch-Szene?
Nein, aber ich bin schwul, wie die meisten meiner Protagonisten. Diese Menschen und ihre Fetische interessieren mich sehr, weil sie auf Fotos Tiefe, Ehrlichkeit und Verletzlichkeit zeigen—und damit Authentizität. Sie müssen oft ihre Vorliebe verstecken. Ein großer Teil unserer Gesellschaft versteht Fetische nicht. Die Fetischisten hatten sehr unterschiedliche Existenzen. Sie kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Einer trug seinen Keuschheitsgürtel aus Stahl unter seiner Anzugshose, wenn er zur Arbeit ging.

Wie empfandest du die Fetisch-Szene?
Ich fand sie sehr demokratisch. Der soziale Status und die Äußerlichkeit spielen eine untergeordnete Rolle. Was zählt, ist, worauf du stehst. Der Fetisch ist eine Art Magnet: Er zieht die unterschiedlichsten Kerle an.

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Gab es Fetische, die für dich schwer zu fotografieren waren?
Ja. Einmal sollte ich eine Cock-Ball-Torture-Session fotografieren, übersetzt heißt es: Foltern von Schwanz und Eiern. Der Master holte ein Holzbrett, einen Hammer und einen dicken, zwölf Zentimeter langen Nagel. Der sollte in die Eichel des passiven Partners genagelt werden, in die Öffnung, wo sonst sein Prinz-Albert-Piercing war. Das konnte ich nicht mit anschauen. Ich habe selbst einen Penis, ich weiß, wie empfindlich er ist.

Du hast die beiden also gar nicht fotografiert?
Doch, aber ich habe zwei Jahre gebraucht, bis ich dafür bereit war. Dann habe ich es geschafft, die nötige Distanz aufzubauen, den Penis als ein Objekt zu sehen. Mit den beiden habe ich dann mein nächstes längeres Projekt gemacht. Ich habe fotografiert, wie der Mann sich Rosenstiele samt Dornen in die Harnröhre gesteckt hat, Brennnessel oder ein Messer. Oder eine ganze Aubergine in den Anus. Diese Bilder werde ich ab April in der Galerie Denker&Schneider zeigen. Zuvor ist dort mein 2 mal 4,8 Meter großes Gruppenbild von Fetischisten zu sehen.

Du hast drei Jahre lang Fetische fotografiert. Was hast du in der Zeit gelernt?Ich habe gelernt, dass die Dinge oft nicht so sind, wie sie aussehen. Wenn man zum Beispiel einen Sadisten und einen Masochisten anschaut, nimmt man zuerst mal an, dass der Sadist derjenige mit mehr Macht ist. Aber so ist es nicht: Der Masochist ist es ja, der die Grenzen bestimmt. Er legt fest, wie weit der andere gehen kann und sitzt sozusagen am Steuer.