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Das passiert, wenn wir Weihnachten bei unseren Eltern verbringen

Wir lösen die Computerprobleme unserer Eltern, führen Kriege ums Auto, treffen Leute, die wir sonst nicht sehen wollen und entwickeln uns generell wieder zum Teenager zurück.

Egal, wie alt ihr seid, zu Weihnachten werdet ihr wieder 16. Und damit meinen wir nicht, dass ihr euch wie früher über eure Geschenke freut und eure Augen wieder mit dem Elan der Magie eurer Jugend leuchten.

Tatsächlich werden die Geschenke mit jedem Jahr schlechter, bis eure Eltern irgendwann aufgeben und nur noch Geld in ein Kuvert stecken, und der einzige Grund, warum eure Augen an Heiligabend glänzen, sind die Unmengen an Alkohol, die ihr in euch hineinschüttet, um dem familiären Umfeld überhaupt noch ein bisschen Zauber abzugewinnen.

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Wenn wir sagen, ihr werdet wieder wie mit 16, dann meinen wir das genauso. Das heißt, ihr fallt in pubertäre Verhaltensmuster, vergesst euch zu waschen, onaniert heimlich, schleicht euch in der Nacht zum Kühlschrank, tragt Jogginghosen und Onesies und reagiert genervt, wenn eure Eltern fragen, wann ihr eigentlich vorhabt, wieder zuhause zu sein.

Wir haben in der VICE-Redaktion ein Wichtelspiel mit Anekdoten aus persönlichen Geschichten gemacht und wollen euch passend zum Geburtstag unseres Lieblingstischlers vorstellen, auf wie viele furchtbare Arten wir uns über die Feiertage zurückentwickeln. Und ja, es war das traurigste Wichtelspiel aller Zeiten. Ho, ho, ho!

Wir lassen uns treiben, kiffen und schauen fern

Foto via VICE Media

Wenn ich zu Weihnachten in einem viel zu kleinen Bett im Haus meiner Eltern aufwache, bin ich immer ein bisschen verkatert und groggy—nicht schlimm, denn unsere Familie besäuft sich eigentlich nie, aber wir stellen trotzdem sicher, dass mit Hilfe von Sekt, Wein und Bier ein gewisser Alkoholspiegel dauerhaft gehalten wird, der genau dafür reicht, uns alle in Watte zu packen, ohne das Blut in Wallung zu bringen.

In Kombination mit der Dosis Gras, die ich während der Feiertage in homöopathischen—aber nie abreißenden—Rationen zu mir nehme, sorgt das dafür, dass ich erstens in der Nacht ausgesprochen gut schlafe und zweitens auch tagsüber nie so ganz munter werde. Ideale Voraussetzungen, um sich bis zu 14 Stunden am Tag vom Fernseher berieseln zu lassen. Fernsehen heißt in meiner Generation normalerweise einfach bewegte Bilder beim Vorbeiziehen anschauen.

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Am Abend und in der Früh schau ich im Bett auf dem Computer, bevor ich mich nur in Boxershorts ins Wohnzimmer schleppe, um dort zu frühstücken, während meine Schwester schon das Feiertagsprogramm genießt. Mit kurzen Unterbrechungen geht das meistens bis zum Abend so, wenn die Familie entweder gemeinsam einen Blockbuster auf ORF1 schaut oder wir ins Kino gehen. Dabei stehe ich dem eigentlichen Programm bis auf die Ausnahme Wintersport recht gleichgültig gegenüber: ich schau mir die 137. Wiederholung von Malcolm in the Middle genauso an wie die Klassiker Kevin allein zu Haus. Weihnachten heißt für mich neben Essen vor allem sich berieseln zu lassen und ich genieße das wie kaum eine Zeit des Jahres.

Wir kümmern uns um die Computerprobleme unserer Eltern

Foto: Robert Colburn | openphoto | cc by 3.0

Ich bin definitiv kein Informatiker. Das weiß ich, weil viele meiner Freunde in der oberösterreichischen Heimat Informatiker sind und ich weder ihre Leidenschaft für Witze über Formatierungsfehler in Codezeilen noch ihre Vorliebe fürs Zuhause-wohnen-bleiben teile. Tatsächlich habe ich zu meinen technischen Geräten ein eher esoterisches, mystisches Verhältnis und denke mir immer wieder, dass ich einem Zeitreisenden aus dem Mittelalter so gut wie nichts über die moderne Welt erzählen könnte, das ihm wirklich dabei hilft, WLAN-Router, 4K 3D-Fernseher oder Geschirrspülmaschinen zu verstehen (letztere schalte ich zum Beispiel immer ein, indem ich dreimal dieselben Knöpfe in unterschiedlicher Reihenfolge drücke und hoffe, dass mein Buttonmash-Regentanz zu einer fruchtbaren Geschirr-Ernte führt).

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Aber es gibt diese eine Woche im Jahr, wo ich jedes Mal fast vergesse, wie wenig ich mit Technik eigentlich am Hut habe—nämlich wenn ich mich zu Weihnachten für 5 bis 6 Tage in die einlullende Obhut meiner Eltern zurückbegebe und nach 2 Portionen Gulasch, 3 frisch gezapften Gläsern aus dem Bier-Tender und ein bis zwei Achterln Rot irgendwann ganz beiläufig der Satz fällt: „Du, ich kann diese Fotos irgendwie nicht auf den Fernseher überspielen, vielleicht kannst du mir da kurz helfen." Was danach folgt, ist jedes Jahr wieder eine mehrtägige Seifenoper aus Sätzen wie „Doch, DEIN INTERNET kann das auch, glaub es mir bitte!" und ganz viel blankliegenden Nerven.

Irgendwann zwischen Heiligabend und der Zeit, wenn die Tannennadeln genauso ausfallen wie stressbedingt meine Haare, komme ich dann drauf, dass meine Mutter meinen Kontakt auf ihrem Smartphone immer über Google Plus sucht, mein Vater Fotos eigentlich nur als Verknüpfungen am Desktop speichert und meine Oma es auf magische Weise geschafft hat, wichtige Systemdateien zwischen ihren Spammails zu verstecken. Am Ende der Feiertage denke ich mir jedes Mal, dass ich vermutlich als IT-Guy arbeiten und eigentlich Hunderte Euros für genau so einen Bullshit kassieren könnte. Aber dann fällt mir wieder ein, wie viel allein die Gänseleber und der Champagner, mit dem ich mir zu Weihnachten wie ein widerspenstiges Kind mästen lasse, gekostet haben muss—und dann lege ich meinen Eltern sogar noch eine neue SD-Karte in die Digicam und erkläre ihnen, warum sie niemandem, der per Mail danach fragt, ihre Kontodaten geben sollen.

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Wir besuchen die Bars unserer Jugend

Foto via VICE Media

Unsere Klasse ist die einzige, die mir je untergekommen ist, die sich seit der Matura jedes Jahr trifft. Dieses Treffen passiert meistens am Tag vor Weihnachten, weil in dieser Zeit alle zuhause sind und eh schon nicht mehr mit den Eltern trinken können.

Also trifft man sich dann mit den Leuten, die man absichtlich nie sieht, außer beim Klassentreffen (siehe vorher) und denen, die immer noch die besten Freunde sind (siehe auch vorher) und die man in Wien sowieso dreimal in der Woche trifft. Weil diese lose Gruppe, die viele Jahre nach der Matura nicht mehr viel zusammenschweißt, etwas braucht, über das sie sich unterhalten kann, geht man eben in Lokale, die einen damals schon zusammengeschweißt haben. Weil einer aus der Runde einmal quer über den Tisch gekotzt hat, eine andere auf deinen Schoß, als ihr an der Bar gesessen seid und wieder ein anderer vor der Tür einmal eine tote Frau gefunden hat.

In diesen Lokalen trifft man dann meistens ehemalige Gspusis, Freunde und ebenjene Leute, die man halt seit Jahren absichtlich ignoriert, betrinkt sich deswegen heillos mit Getränken, die man mit 17 getrunken hat und schwankt dann um 4 nach Hause, weil alle Lokale schließen. Wenn man Glück hat, muss man am nächsten Tag den Eltern nicht erklären, was man die ganze Nacht gemacht hat.

Wir führen einen endlosen Krieg um das elterliche Auto

Foto via VICE Media

Solange ich mich in der großen Stadt aufhalte, habe ich dank Semesterticket eigentlich nie das Bedürfnis nach einem fahrbaren Untersatz. Dann stehen die Feiertage an, ich setzte mich voller Vorfreude in den Zug in Richtung ländliche Heimat zu meiner Familie—womöglich dudelt sogar irgendein dämlich-fröhliches Weihnachtslied in meinen Kopfhörern.

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Aber nach ein Paar Minuten kommen sie, die alle Vorfreude tötenden Gedanken: Verdammt, wie komme ich eigentlich vom Bahnhof nachhause? Und wie komme ich später von zuhause zum Vorglühen meiner alten Schulfreunde? Werde ich eigentlich die ganzen Feiertage in meinem Elternhaus festsitzen? Die öffentlichen Verkehrsmittel fahren in dem Kaff, aus dem ich komme, vor allem am Wochenende nur alle heiligen Zeiten. Und stundenlanges Herumsitzen und auf Mitfahrgelegenheiten warten, oder alternativ 5 Kilometer vom Bahnhof nachhause (oder umgekehrt) zu Fuß zu laufen, ist Feiertags-Stimmungskiller überhaupt.

Na gut, ich lass mich von meiner Mama abholen. Die hat mich eh schon länger nicht mehr gesehen, und freut sich sicher, um 23:45 Uhr loszufahren, um mich endlich wieder in die Arme zu schließen. Tatsächlich hält sich ihre Freude aber eher in Grenzen, weil sie am nächsten Tag früh raus muss, um Geschenkpapier oder schönere Christbaumkugeln oder etwas Ähnliches zu kaufen. Zuhause angekommen wird mir erst bewusst, dass hier schon der wahre Feind lauert: Mein Bruder, der sich Mamas Auto für den morgigen Tag schon reserviert hat, und damit dafür sorgt, dass meine komplette Feiertagsplanung über Bord werfen kann. So beginnt der familiäre Krieg ums Auto, der wie jedes Jahr die ganzen Feiertage anhalten soll, alle beteiligten zur Weißglut treibt, und zwischen mir und meinem Bruder regelmäßig kindische und/oder ziemlich unschöne Ausmaße annimmt.

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Wir werfen alle Prinzipien über Bord

Foto von Daniel Gottschling, via VICE Media

Bei uns gibt es an Weihnachten immer Krautwickel, weil meine Großmutter aus Rumänien kommt. Krautwickel sind das beste Essen, das jemals erfunden wurde, und sind voll mit Fleisch, was für sich genommen mindestens das zweitbeste Essen ist, das jemals erfunden wurde. Jahrelang habe ich Fleisch nicht gegessen, weil die Tiere ja, wenn wir uns ehrlich sind, wirklich für unser Fleisch leiden müssen. Über dieser Einsicht steht eine einzige andere Sache: Krautwickel. Jede Weihnachten habe ich mir also tagelang den Bauch voll Krautwickel geschlagen. Dementsprechend ging es mir auch. Aber das war es jedes Mal wert.

Zum Prinzipien über Bord werfen gehört übrigens auch der Punkt „Wir besuchen die Bars unserer Jugend". In Wien gehe ich eher selten in Lokale, in denen es bis 10 gratis Prosecco gibt und ab Mitternacht 16-jährige Mädchen auf der Theke tanzen, von der es mich übrigens selbst mit 16 einmal runtergehauen hat, hinter die Bar, auf Hunderte Flaschen Alkohol. Die Kellner hat man damals natürlich alle gekannt und es sind immer noch die selben. Damals waren sie Götter in Schürze, heute sind sie 20 Kilo schwerer und 100 Jahre älter. Trotzdem sitzt man mit ihnen um 10:00 an der Bar und trinkt gratis Prosecco. Weil Weihnachten.

Auf Seite 2 entwickeln sich unser Modegeschmack zurück in die Kindheit, wir treffen Leute, die wir sonst nicht sehen wollen und werden generell wieder zum Teenager.

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Wir treffen Leute, von denen man froh ist, dass man sie nur einmal im Jahr sieht

Screenshot aus The Beauty and the Nerd, via VICE Media

Jede Kleinstadt, jedes Dorf, jede Clique hat ihre eigene Weihnachtstradition. Meistens geht es dabei darum, dass man sich zu einem bestimmten Zeitpunkt mit den Leuten trifft, mit denen man sich schon früher immer getroffen hat. Und das an einen Ort, an dem man das auch früher immer schon gemacht hat.

Bei diesen Homecoming-Partys steht man natürlich viel mit den vier bis fünf richtigen Freunden herum, die man auch noch dann lieben wird, wenn sie gleichzeitig Straight Edge und Scientologen werden.

Daneben führt man aber auch eine Menge klassischer 5- bis 7-Minuten-Gespräche mit Menschen, deren Gesicht man noch irgendwie erkennt, mit denen einen aber nichts mehr verbindet, außer dass man mal vor 10-15 Jahren gelegentlich belanglosen Small Talk geführt hat. Und natürlich potenziert sich das Small Talk-Level („Und du so?" „Ich hab jetzt überlegt, nach Berlin zu gehen.") dadurch, dass man sie seit Jahren immer nur für fünf Minuten sieht. Für sich genommen sind das vermutlich alles tolle Menschen, und ich freue mich natürlich, sie einmal im Jahr zu sehen. Aber es ist auch wirklich voll OK, dass es nur einmal im Jahr ist.

Wir entwickeln uns modetechnisch in die Jugend zurück

Bild via VICE Media

Ich wohne schon mehr als zehn Jahre nicht mehr bei meinen Eltern. Trotzdem lässt es meine derzeitige Wohnsituation, die so manche Person als „reduziert" bezeichnen würde, nicht zu, mehr als einen kleinen Schrank mit Kleidung zu besitzen. Diese Reduziertheit kann ich nur deshalb umsetzen, weil ich in meinem Elternhaus noch immer mein altes Jugendzimmer besitze, dass mittlerweile wohl eher „Bügel- und Abstellzimmer" genannt wird und nur sekundär zum Schlafen dient.

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Hier habe ich neben Dingen, die ich zwar eigentlich nicht will, aber aus diversen (sentimentalen) Gründen nicht wegschmeißen kann, auch eine große Menge an Kleidung gelagert—was dazu führt, dass ich an Weihnachten mit sehr leichtem Gepäck reise. Soll heißen: es gibt ein Heiligabendoutfit—es werden schließlich Fotos gemacht.

Den Rest der Zeit sehe ich hingegen aus, als hätte ich jegliches Gefühl für Ästhetik verloren und wäre kleidungstechnisch irgendwo zwischen den 90ern und frühen 2000ern steckengeblieben (und damit meine ich nicht den Tarantino-Film-Look, sondern eher den von Nachmittags-Talkshows). Ich nehme einfach das erstbeste Stück aus dem Schrank, das sich finden lässt, und kombiniere es mit dem zweitbesten. Meine Oma bewegt dies abwechselnd zu entsetzten und erfreuten Bemerkungen über mein Outfit, was dann zirka so klingt „Herrgott, wos isn dir gschehn?". Ich kann mich auch meist nicht aufraffen, mich nur annähernd umzuziehen, wenn ich das Haus verlasse. Auch mein Bruder ist konsequent in Jogginghosen anzutreffen. Weihnachtszeit ist einfach Urlaubszeit in der man seine Prioritäten wie folgt ordnen sollte: Kekse essen, mit der Familie trinken, Serienschauen und Schlafen. Kleidung kommt da erst irgendwann ganz spät in der Rangliste.

Wir schauen jedes Jahr die gleichen Filme

Screenshot aus Santa Claus Conquers the Martians via YouTube

Meine Weihnachtsfeiertage bestehen eigentlich nur aus den immer gleichen Filmen, die mittlerweile ein mindestens genauso wichtiges Weihnachtsritual wie die guten alten Bratwürstel mit Sauerkraut geworden sind.

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Wenn ich ein Weihnachten ohne Chevy Chase in Eine schöne Bescherung , Single Bells oder Drei Haselnüsse für Aschenbrödel erleben müsste, wäre es nur halb so schön. Das einzige, das mich dann noch aufheitern könnte, wäre eine Wiederholung von Das letzte Einhorn. Mittlerweile ersetzen diese Filme sogar den weihnachtlichen Kirchgang, den meine Mutter und ich schon seit Jahren nicht mehr antreten, weil wir zu der Zeit, zu der die Weihnachtsmette stattfindet, schon längst zwischen leeren Keksdosen im Food-Koma vor dem Fernseher schlafen.

Wir hören uns dumme Kommentare von Verwandten an

Foto via VICE Media

„Bitte sag, dass das dunkle Schminke unter deinen Augen ist." Das hat mein Papa letzte Weihnachten zu mir gesagt, weil er gehofft hatte, der Trend würde jetzt in Richtung Lidschatten unter den Augen gehen. Dass ein 60-Jähriger aufgehört hat, die Trends der Jugend zu verstehen, kann ich schon nachvollziehen. Dass er aber selbst nicht mehr weiß, wie das Leben ist, wenn man nicht in Pension ist und dass man da halt schon mal Augenringe hat, verstehe ich wiederum weniger.

Meine Oma ist ein bisschen trendbewusster und schimpft mich immer, dass ich so blass bin, was ja völlig uncool sei. Das wäre vielleicht in Wien „in" gewesen, als man auch noch diese weißen Perücken trug, heißt es dann. Außerdem bin ich ihr immer entweder viel zu dünn („Hat der niemand beigebracht, wie man kocht?") oder sie zwickt mir ohne eine Mine zu verziehen in den Bauch, wobei da zirka 2 Kilo Fett zwischen meinen Organen und der Außenwelt liegen. Mein extrem sportlicher Opa fasst immer aus dem nichts meine Oberarme an, sagt dann so etwas wie: „Trainierst du?", was so viel heißt wie: „Trainierst du das Fett in deinen Oberarmen, indem du jeden Tag ungesund isst und keinen Sport machst?".

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Wir sind von den Eltern genervt

Foto via VICE Media

Kurz bevor ich nach langer Zeit wieder einmal nach Hause komme, freue ich mich unglaublich auf meine Familie und male mir die schönsten Feiertage meines Lebens aus—ohne Stress und nervtötende Menschen. Doch was ich immer wieder vergesse, ist, dass sich meine Familie nach spätestens einem Tag genau in die Sorte nerviger Menschen verwandelt, die ich Weihnachten eigentlich nicht ertragen müssen möchte.

Wenn ich wieder in meinem Kinderzimmer liege, während meine Mama mich aus der Küche anruft und zwingt, im ganzen Haus staubzusaugen, fühle ich mich wieder wie in meine Schulzeit zurückversetzt. Aber spätestens wenn man dann kurz davor ist, so durchzudrehen wie in alten Teenager-Zeiten, aber in der Küche von einem Vanillekipferl-Berg empfangen wird, ist der Geist der guten Weihnacht wieder zurück.

Wir werden generell wieder zum scheiß Teenager

Foto von Josef Zorn

Eigentlich ist es unglaublich, dass ich mit über 30 Jahren auf dem Buckel nach nur drei Tagen Aufenthalt im Elternhaus mich immer noch zur präpotent raunzenden Teeny-Version meiner Selbst mutiere. Wenn die bloße Anwesenheit eines ehemaligen Erziehungsberechtigten oder der Anblick meines alten Kinderzimmers schon meine biochemischen Abläufe derart durcheinanderbringen kann, frage ich mich, wie gut ich wohl in Guantanamo zurechtkommen würde.

Wenn mein Vater wissen möchte, wo genau ich denn jetzt noch hin fortgehe, wer dort sei—typische, genetisch implantierte Elternfragen—explodiere ich wie ein reifer Pickel und beschwere mich, dass das niemanden etwas angehe. Ähnlich unhöflich und ungehalten reagiere ich, wenn sie einfach nur den Raum betreten und kommentieren was ich tue. Ich, der in ihrem Haus sich in seiner Ausübung als allumfassender Parasit gestört fühlt, bin mir plötzlich selber fremd. Erwachsene Menschen werden wieder zu Kindern, und es hat wahrscheinlich weniger mit den Feiertagen zu tun als damit, dass unsere Eltern immer Unsicherheiten in uns auslösen werden. Sie haben uns schließlich den Popo gewischt und ihnen ist es egal, dass du vielleicht schon Geld verdienst oder mit Sex in Dark Rooms aufgehört hast—eben Reife beweisen könntest.

Ein Tipp für diese Tage der pubertierenden Revivals: Einfach bevor man sich von an sich unkomplizierten Gesprächen mit den Eltern zum Kreischen, genervt laut Stöhnen oder Türen zu Werfen genötigt fühlt, einfach durchatmen, versuchen den erwachsenen Kommunikationsabschnitt deines verfetteten Weihnachtshirns zu aktivieren oder eine Gegenfrage stellen—die sie akkurat nur mit einem längeren Einsatz ihres Tablets oder Smartphones beantworten können—und davonschleichen.

Wir annektieren den Kühlschrank wie die Krim

Foto: jeffreyw | Flickr | CC BY 2.0

Sobald ich das Haus meiner Kindheit und Jugend betrete, werde zum selbstgefälligsten Pascha. Kleidung und andere Gepäckstücke werfe ich von mir in einer wüsten Rücksichtslosigkeit, die ich in meiner Wohnung mittlerweile nicht ansatzweise tolerieren würde. Besonders unverschämt verhalte ich mich gegenüber dem prall gefüllten Kühlschrank meiner Familie.

Dem Futterneid meines Bruders zuvor kommend werden zunächst alle frisch und freundlicherweise gekauften Lebensmittel auf- und angerissen, um mittels Fingerschlecker oder Anbiss zu testen, auf was man sich die kommenden Tage so einstellen darf. Völlig voll gefressen solltet ihr euch dann am besten weiter in der näheren Kühlschrankperipherie aufhalten, um familiäre Mitesser abzuwehren und besonders die Feiertagsspezialitäten zu verteidigen. Wurst und Käseaufschnitt aus Italien, Pasteten, Festtagsbockbiere, mediterran-marinierte Gemüsespezialitäten, Schmalz und andere angesammelten Speisereste der vorhergehenden Tage machen diese Zeit und den Platz am Kühlschrank zu meinem persönlichen Elysium.

Wer behauptet, dass ich heimlich nachts die zum Auftauen rausgestellten Kalbsfleischteile in froher Erwartung küssen würde, der lügt vielleicht gar nicht. Es muss ja nicht immer passend zu Jahreszeit sein. Ich will Innviertler Grammelknödel und der Rest ist mir wurscht! Frohe Weihnachten.