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Dieser 20-jährige Aktivist schmuggelt Flüchtlinge von Dänemark nach Schweden

Calle Vangstrup findet es in Ordnung, gegen ein Gesetz zu verstoßen, wenn dieses Gesetz unfair und unmenschlich ist.

Calle Vangstrup (links, am Ruder) auf seiner ersten Schmuggelfahrt über den Öresund | Foto mit freundlicher Genehmigung von Calle Vangstrup

Als die Flüchtlingskrise im September 2015 Skandinavien erreichte, gab es einige Dänen und Däninnen, die anfingen, Asylsuchenden von Dänemark nach Schweden zu helfen. Doch als Schweden im Laufe der vergangenen Monate seine Grenzkontrollen verschärfte, wurde dieses Vorgehen illegal. Allein letztes Wochenende hat die schwedische Polizei einen dänischen Taxifahrer in der Hafenstadt Malmö verhaftet, weil dieser Menschen geschmuggelt haben soll. Außerdem wurden diese Woche zwei Männer verhaftet, als sie den Öresund, die Meerenge zwischen Dänemark und Schweden, in einem Schlauchboot überquerten, von dem die schwedische Polizei mutmaßt, es sei in der dänischen Stadt Helsingør gestohlen worden.

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Doch nicht alle Schleuser handeln aus aus Profitgier. Medmenneskesmuglerne (ein dänisches Wortspiel, das übersetzt „die Mitmenschenschmuggler" bedeutet) sind eine Gruppe von Aktivisten, die seit drei Monaten Flüchtlingen helfen, den Öresund zu überqueren. Ich habe mich vor Kurzem mit einem ihrer Mitglieder, dem 20-jährigen Calle Vangstrup, unterhalten.

VICE: Wie hast du angefangen, Leuten über die Grenze nach Schweden zu helfen?
Calle Vangstrup: Ich habe im Herbst 2015 angefangen, als es die ersten Gerüchte über Flüchtlinge gab, die in der dänischen Grenzstadt Rødby eintrafen. Ich habe vorgeschlagen, sie über den Öresund zu segeln, weil ich dachte, dass entweder die dänische oder die schwedische Polizei alles ganz genau im Auge behalten würde. Dann haben wir einige Flüchtlinge am Hauptbahnhof von Kopenhagen gefunden und sind mit ihnen auch nach Schweden gesegelt. Das habe ich drei- oder viermal gemacht.

Erinnerst du dich, wie du dich gefühlt hast, als du das erste Mal Leute über den Öresund gebracht hast?
Ich war ziemlich paranoid. Nicht so sehr auf der Hinreise, aber wir wussten nicht, ob die Polizei auf uns warten würde, wenn wir wieder zu Hause ankamen. Wir haben auf dem Hinweg ein Bild auf Facebook gepostet und dazu erklärt, warum wir unser Handeln gerechtfertigt finden. Es wurde viel gelikt und geteilt, also waren wir nervös, weil die Behörden vielleicht auf uns warten könnten. Aber das ist nicht passiert, also haben wir einfach weiter unser Ding gemacht.

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Ich finde es in Ordnung, gegen das Gesetz zu verstoßen, das ich gebrochen habe, weil es in meinen Augen ein unfaires und unmenschliches Gesetz ist.

Wie viele Leute habt ihr mit einer Segelfahrt nach Schweden bringen können?
Maximal 15 Leute pro Fahrt, inklusive Crew und Dolmetscher.

Und wie viele hast du persönlich über die Meerenge gebracht?
So um die 20 bis 30 Menschen.

Ich habe gehört, dass ihr des Menschenhandels angeklagt wurdet. Stimmt das?
Das stimmt. Vor ein paar Monaten wurde ich von der dänischen Polizei kontaktiert, die mich dann darüber informierte, dass ich nach Paragraf 58, Absatz 8 des dänischen Ausländergesetzes unter Anklage gestellt werde. Es gibt zwei Paragrafen im dänischen Gesetz, die sich mit Menschenhandel befassen—in dem zweiten geht es darum, wenn Leute Geld dafür nehmen, was das Ganze zu einem Verbrechen macht. Es gibt verschiedene Strafen. Für mein Handeln kann ich maximal zwei Jahre Haft kriegen, während die Höchststrafe für einen Verstoß gegen den anderen Paragrafen bei acht Jahren liegt.

Wie fühlst du dich angesichts dieser Anklage?
Ich bin meinem Herzen und meinem moralischen Kodex gefolgt. Die Justiz kann mich verurteilen, wenn sie der Meinung ist, dass ich etwas Falsches getan habe, aber ich bin mit mir selbst im Reinen. Ich finde es in Ordnung, gegen dieses Gesetz zu verstoßen, weil es in meinen Augen ein unfaires und unmenschliches Gesetz ist.

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Fühlst du dich persönlich für Flüchtlinge verantwortlich?
Ja, ich finde, wir haben alle eine Verantwortung, Anderen zu helfen, wenn sie in Not sind. Es wäre nicht OK, einfach an der Grenze mit ein paar Flaggen zu wedeln und die Asylsuchenden der Polizei zu überlassen.

Können wir damit rechnen, dass es mehr Boote geben wird, die Leute über die Meerenge bringen, jetzt wo Schweden seine Grenzkontrollen verschärft hat?
Ja, vielleicht. Es gibt viele Häfen auf beiden Seiten des Öresund. Das einzige Problem ist, dass jetzt im Winter die meisten Boote schon aus dem Wasser gezogen worden sind. Aber wenn das Wetter weiter so mild bleibt, wird es wieder mehr Hobby-Segler geben, und dann wird es wieder sehr einfach für die Flüchtlingsboote, in der Menge nicht aufzufallen.

Ven ist eine schwedische Insel mitten im Öresund. Sie ist nur fünf Seemeilen von dem dänischen Hafen Rungsted entfernt. Wenn man mit den Flüchtlingen dorthin segelt, dann verbringt man nur sehr begrenzte Zeit in schwedischen Gewässern. Flüchtlinge können von dort aus die Fähre nach Malmö nehmen.

Wirst du persönlich noch mehr Menschen nach Schweden schmuggeln?
Ich denke schon, auch wenn es jetzt schwieriger geworden ist. Die schwedischen Grenzkontrollen haben viele Menschen abgeschreckt, sodass sie nicht mehr helfen. Die schwedische Küstenwache hat ebenfalls eine größere Präsenz. Aber es ist nicht unmöglich.