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Dinge, die Menschen über Kärntner sagen

'Ah, you're from Haider Kärnten? Nazi Kärnten?' oder 'All of you are Nazi Farmers'— Aussagen, die ich genauso schon gehört habe.

Ken Mayer | Flickr | CC BY 2.0

Vor kurzem im Wirr: Ich treffe mich mit einer Freundin auf ein Bier. Am Nebentisch sitzen zwei Männer, rauchend, schwadronierend über Faymanns Rücktritt und die innenpolitische Zukunft Österreichs. Sie kommen auf die Hypo zu sprechen und darauf, wie viele Milliarden das den Steuerzahler kostet. "Ich bin ja dafür, dass der Bund denen keine Hilfe zukommen lässt", meint einer der beiden, während er langsam seine Zigarette ausdrückt. "Sie haben ihren Führer gewählt. Jetzt müssen sie selbst schauen, wie sie da rauskommen."

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Solche und ähnliche Aussagen sind symptomatisch für den Umgang mit Bewohnern des südlichsten Bundeslandes. Kärnten ist dabei wohl so etwas wie das Stiefkind Österreichs. Immer ein wenig lästig, ein wenig anders. In seltenen Momenten auch liebenswert—im Sommer, wenn man sich in der Masse der Beachvolleyballfans verliert und das Leben einem heiß und schön erscheint, und hin und wieder auch im Winter, wenn man die Pisten in Bad Kleinkirchheim hinunter saust, um es sich dann im Römerbad gutgehen zu lassen. Sonst aber eher schräg, seltsam, anders als der Rest der Republik.

Die übrige Zeit ist Mutter Österreich eher nicht so gut auf Kärnten zu sprechen. Es macht oft Probleme, braucht immer wieder eine Taschengelderhöhung und scheint nie genug zu bekommen. Eine Zeit wollte es sogar ganz unabhängig sein, weg von Mamas Kontrolle und selbstbestimmt leben. Gott sei Dank ist ihm das nicht gelungen.

Die Stiefkindrolle Kärntens hat wohl viele Gründe. Trotzdem lässt sich ungelogen sagen, dass ein Großteil der negativen Wahrnehmung dieses Bundeslandes einem Umstand geschuldet ist: der Regierungszeit der FPÖ und des BZÖ unter dem damaligen Landeshauptmann Jörg Haider. Plötzlich kannte alle Welt dieses kleine Fleckchen im Süden Österreichs. Jeder hatte eine Meinung dazu und meistens war es keine gute. Überall mokierte man sich über die ausländerfeindliche Bevölkerung und ihre Beschränktheit. Was in den USA die Rednecks sind, waren für Österreich die Kärntner, beziehungsweise sind es immer noch. Haider prägte dieses Bundesland und ließ es weltweit als braunen Sumpf erscheinen. Es wurde hochstilisiert zur letzten Hochburg nationalsozialistischen und rassistischen Gedankenguts. Zu einem Ort, an dem Flüchtlinge mit brennenden Fackeln und in die Höhe gehaltenen Mistgabeln aus dem Dorf gejagt werden. Alle Kärntner gelten seitdem als dumm, ausländerfeindlich und reaktionär. Soweit für alle, die nichts von diesem Stigma wussten.

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Ich bin Kärntnerin und auf der politischen Skala eher links als rechts einzuordnen. Damit sprenge ich schon einmal das Klischee. In den Blütezeiten des BZÖ habe ich T-Shirts verkauft mit dem Datum der letzten Landtagswahl, dem orangen Umriss Kärntens und dem Slogan "Ich war es nicht". Jahrelang fühlte ich mich verpflichtet, strategisch zu wählen, nur um diese Partei zu verhindern. Trotzdem: Wenn ich mich in einer Runde liberaler Linker als Kärntnerin zu erkennen gebe (der Dialekt gibt es oft nicht her, mein Papa ist Wiener), erfolgt immer, wirklich immer, die gleiche Reaktion.

Was in den USA die Rednecks sind, waren für Österreich die Kärntner, beziehungsweise sind es immer noch.

Es beginnt sofort eine Diskussion über Ausländerfeindlichkeit, Haider und in den letzten Jahren zusätzlich über die Hypo. Das finde ich natürlich an sich gut, auch mich interessieren diese Themen. Nur handelt es sich dabei nicht um sachliche Gespräche, Analysen oder Auseinandersetzungen. Im Gegenteil. ICH werde automatisch zu allen Kärntnern und ALLE Kärntner sind schließlich rechts. Es beginnt ein Strudel voller persönlicher Anschuldigungen und plötzlich finde ich mich in einer Position wieder, in der ich mich stellvertretend für das gesamte Bundesland rechtfertigen muss. Das kann bisweilen ziemlich ermüdend, repetitiv und langweilig werden. Für alle Nichtkärntner unter euch hier also ein Auszug an Dingen, die man gesagt bekommt, wenn man sich als Kärntner zu erkennen gibt.

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Zuallererst muss festgehalten werden: Es kann überall passieren, auch dort wo man gar nicht damit rechnet. In den unterschiedlichsten Kontexten und Gegebenheiten ist man Anfeindungen ausgesetzt—bei Familienessen,beim Fortgehen, sogar bei unverfänglichen Treffen mit Freunden. Die Nazikeule wird häufig geschwungen und Verwundete werden als Kollateralschaden nur allzu gern hingenommen. Das hat zumindest einen Vorteil—man entwickelt schnell ein politisches Bewusstsein. Ich habe früh gelernt, dass ich mich für meine Herkunft genieren muss. Die kollektive Scham unter all jenen, die das System Haider nicht unterstützten, war groß; Diskussionen über Politik wurden leise und vorsichtig geführt. Die Kritik von außen wurde dafür umso lauter.

Bei Familientreffen mit meinen Wiener Verwandten kam es regelmäßig zum Wetzen der rhetorischen Messer. "Das schaffen echt nur die Kärntner, so jemanden zum Landeshauptmann zu wählen …", wurde mein Onkel nicht müde zu betonen. Eine Aussage die gleichzeitig den einfältigen Charakter der Kärntner hervorheben sollte. Für die Bewohner der Hauptstadt erschien ein Wandel in eine rechte ideologische Richtung damals undenkbar. Angesichts der letzten Wien-Wahl, sowie der diesjährigen Bundespräsidentenwahl, hat diese Aussage einen gewissen Witz. Die Kritik von Seiten meiner Verwandten ist heute weitestgehend verstummt. Sie sind jetzt wohl selbst Opfer kollektiver Scham.

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Das bedeutet nicht, dass die Nazikeule ganz verschwunden ist. Wer viele Freunde aus anderen Gebieten hat, so wie ich, findet sie auch hier regelmäßig wieder. Immer in Form von Pauschalisierungen: "Es ist echt krass, wie rechts ihr alle seid." Gern wird hier mit der noch immer existierenden Haider Gedenkstätte argumentiert. Ja, Haider war beliebt. Dafür sprechen ja auch seine Wahlergebnisse, abstreiten wäre da zwecklos. Was gerne vergessen wird: Mehr als die Hälfte der Kärntner hat ihn nicht gewählt. Übrigens: die Pflege der Gedenkstätte obliegt seit Jahren der FPK, Kerzerlnachschub inklusive. Pilgernde Alt-Fans bilden die Ausnahme.

Wie tief der Kärntner im allgemeinen Ansehen gesunken ist, merkt man auch anhand der Reaktionen völlig fremder Menschen. Statements wie: "Ah, you're from Haider Kärnten? Nazi Kärnten?" oder: "All of you are Nazi Farmers"—beides Aussagen, die ich genauso schon gehört habe—, zeigen deutlich, dass die Bewohner dieses Bundeslandes den Respekt der internationalen Gemeinschaft verloren haben.

Kärnten ist dabei wohl so etwas wie das Stiefkind Österreichs. Immer ein wenig lästig, ein wenig anders.

Jede dieser Aussagen ist entlarvend. Für alle, die sich selbst zwar als liberal und intellektuell bezeichnen, es aber ihren Aussagen nach offensichtlich doch nicht sind. Davon auszugehen, dass alle Kärntner rechts sind, kommt dabei ironischerweise dem Rassismus ziemlich nahe, den diese Aussagen ihrerseits den Kärntnern vorwerfen. Vorurteile sind vorschnelle Urteile über eine Gruppe von Menschen. Nichts anderes passiert, wenn jemand sagt, dass Kärnten ein Bundesland ist, das ausschließlich aus Nazis besteht—oder wahlweise auch aus "Bauern" und Faschisten. Nichts anderes passiert jetzt gerade in Bezug auf die Hofer-Wähler. Nicht jeder, der die FPÖ wählt, ist automatisch dumm.So einfach funktioniert die Welt leider nicht.

Aber man muss fair bleiben. Kärnten ist nicht umsonst in dieser misslichen Lage. Zur weiteren Ergänzung seien die üblichen Schlagworte erwähnt, die auf uns alle wie Ziegelsteine vom Himmel fallen: Saualm, Ortstafelstreit, Hypo, Part-of-the-Game-Affäre, Broschüren-Affäre und so weiter. Das Bundesland Kärnten hat sich richtig schön mit dem Arsch in den Dreck gesetzt, sich ein paar Jahre darin gesuhlt, um dann draufzukommen, dass es sich um Scheiße handelt. Und Scheiße stinkt.

Die Kärntner Politik der 2000er Jahre muss natürlich kritisiert werden—und noch stärker hinterfragt. Sie gehört zerpflückt, analysiert, verarbeitet und dann am besten weggeschmissen. Derweil befinden wir uns allerdings noch immer beim Zerpflücken. Das ist gut so und hat seine Berechtigung. Aber irgendwann reicht es auch. Bleibt abzuwarten, was man in Zukunft zu hören bekommt, wenn man einfach nur sagt, dass man aus Österreich kommt.