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Ein Bauarbeiter hat ein ganzes Netzwerk von Pädophilen-Jägern gegründet

Sie sind in acht kanadischen Städten aktiv, um gefährliche Pädophile zu entlarven. Doch die Behörden sagen, sie würden Menschen sowie Ermittlungen gefährden.

„Yer' Done Bud!!" — eine Kampfansage mit kanadischem Lokalkolorit | Fotos mit freundlicher Genehmigung von Dawson Raymond

Dawson Raymond hat viele Bezeichnungen für erwachsene Männer, die im Internet nach minderjährigen Mädchen und Jungen suchen. „Kranke Wichser", „verdammte Schweine" und „scheiß Vergewaltiger-Arschlöcher" sind nur ein paar Beispiele, die ich am Telefon zu hören bekam.

Raymond, ein Maurer im kanadischen Calgary mit drei Pitbulls, entschuldigt sich gelegentlich dafür, dass er sich „hineinsteigert". Allein der Gedanke scheint sein Blut zum Brodeln zu bringen.

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Doch Raymond versichert mir, dass er einen etwas kühleren Kopf behält, wenn er sich auf beliebten Dating-Seiten als 13-jähriges Mädchen ausgibt. Als Anführer eines wachsenden Teams von zivilen Pädophilen-Jägern will er sichergehen, dass „niemand etwas Dummes tut".

„Wir versuchen nicht, Leute hereinzulegen", sagt er über die Taktik, die auch in der US-Sendung To Catch a Predator eingesetzt wurde. „Wir schlagen niemandem ein Treffen vor, sondern warten, bis sie uns ansprechen."

Mit dieser Strategie dauert es laut Raymond nicht lange, bis Männer unaufgefordert Fotos schicken, nach Sex fragen und angebliche Minderjährige zu Treffen im echten Leben einladen. „Ich schwöre dir, beim ersten Mal hatte ich nach 10 Minuten an die 20 Typen, die mit mir geredet haben", sagt er. „Ich dachte, es würde schwieriger werden, aber es ist so geblieben."

Im September letzten Jahres fing Raymond an, diese Männer mit laufender Kamera vor Einkaufszentren und Fastfood-Restaurants zu konfrontieren und die Videos und Chatverläufe danach ins Internet zu stellen. Seine Facebook-Seite und seine „Creep Catchers"-Website können gemeinsam dafür sorgen, dass die Videos jeweils Tausende Male geteilt und Hunderttausende Male angesehen werden. Wie man sich vorstellen kann, ist das Projekt kontrovers. Manche Leute sagen Raymond und seinem Team in Kommentaren, sie sollten die Polizei die „Arbeit für große Jungs" machen lassen, während andere ihn als kanadischen Helden bezeichnen.

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Dawson Raymond

Er sagt, er habe die Taktik gelernt, indem er Justin Payne zugesehen habe. Payne, über den wir vergangenes Jahr bereits berichtet haben und der ebenfalls Bauarbeiter ist, lebt in Mississauga bei Toronto und hat mehr als 150 mutmaßliche pädophile Straftäter konfrontiert. Doch es ist Raymond, der das Ganze mit Unternehmergeist kombiniert hat: Inzwischen sind mit seiner Hilfe lokale Ableger in Victoria, Nanaimo, Edmonton, Grande Prairie, Lloydminster und Saskatoon entstanden; bald soll es auch einen in Regina geben.

Die Polizei von Calgary ist mit Raymonds Aktivitäten vertraut. Sie wurde bereits so häufig auf ihn angesprochen, dass ich auf meine Anfrage eine vorgefertigte Antwort erhielt: „Der Calgary Police Service weiß von den Vorfällen, die von Herrn Raymond beschrieben wurden, und ermittelt aktiv in diesen Belangen", heißt es darin. „Die Polizei empfiehlt in keiner Weise, dass Bürger und Bürgerinnen Polizeiarbeit selbst in die Hand nehmen und ihre eigenen Ermittlungen durchführen."

In der Mitteilung heißt es weiterhin, die Jagd auf Kindesmissbraucher könne gefährlich sein und sowohl die Beteiligten selbst als auch ihre Familien in Gefahr bringen—was Raymond auch ohne Zögern einräumt. Er weiß, dass manche seiner Ziele versuchen werden, sich zu rächen, und er achtet darauf, dass die Mitglieder seines Teams ebenfalls darauf gefasst sind.

„Ich gehe sicher, dass sie Soldaten sind", sagt Raymond über sein Auswahlverfahren. „Ich hole nicht einfach jeden dahergelaufenen, mickrigen Durchschnittstypen an Bord."

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Manche von ihnen arbeiten in der Öl- und Gasindustrie, andere in Lagerhäusern, doch niemand von ihnen hat einen Hintergrund als Gesetzeshüter. „Wir kommen aus vielen Schichten und Berufen, aber wir haben alle eins gemeinsam: Wir mögen diese Arschlöcher nicht", sagt Raymond.

Er macht sich auch über naive Nachmacher Gedanken: „Das Letzte, was wir brauchen können, sind irgendwelche kleinen Kiddies, die losziehen und das selbst machen."

Also passt Raymond auf, dass seine Organisation ordentlich arbeitet und alle Videos und Chatverläufe auch auf den zuständigen Polizeirevieren landen. Auf seiner Website gibt es sogar einen rechtlichen Disclaimer: „Alle dargestellten Personen gelten als unschuldig, bis ihre Schuld vor Gericht bewiesen wurde", heißt es da. „Wir äußern keine Schuldbehauptungen und stellen unserem Publikum Inhalte im Rahmen von Paragraf 309 des kanadischen Strafgesetzbuchs zur Verfügung."

„Alles geht durch mich, bevor es veröffentlicht wird", fügt er hinzu. „Selbst von meinen anderen Teams, denn ich passe auf, dass alles in Ordnung ist."

Was die Polizei mit den Beweismitteln macht, sei unklar, sagt Raymond.

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Laut der Polizei von Calgary kann Raymonds Methode der öffentlichen Bloßstellung sogar Ermittlungen behindern. „Wenn Beweismittel nicht richtig gesammelt oder an die Polizei übergeben werden, kann der Verdächtige möglicherweise nicht angeklagt oder verurteilt werden", heißt es in der Polizeimitteilung. „Ohne Anklage oder Verurteilung ist die mutmaßliche Tat nirgends festgehalten und es gibt keine gerichtlichen Anordnungen, die den Verdächtigen davon abhalten würden, sich zukünftig Kindern zu nähern."

Doch vorgefertigte Aussagen wie diese tun Raymonds Entschlossenheit keinen Abbruch. Tatsächlich behauptet er sogar, die meisten Polizeibeamten würden ihn inoffiziell unterstützen. „Ich habe mit vielen Polizisten gesprochen. Offiziell sagen sie mir, dass ich das nicht machen kann … aber inoffiziell sagen sie alle, ich soll bloß nicht aufhören."

Raymonds Motivation entspringt einer tiefsitzenden Wut auf die Untätigkeit der kanadischen Justiz im Hinblick auf Sexualstraftäter gegen Kinder. Seiner Meinung nach gibt es gar nicht erst genug Ermittlungen, geschweige denn genug pädophile Sexualstraftäter hinter Gittern.

„Sie schützen sie, indem sie ihnen reduzierte Haftstrafen geben, so zwei verfickte Monate—es ist ein Witz", sagt er. „Was ich tue, ist Folgendes: Ich sehe zu, dass die Leute wissen, wer diese Typen verdammt nochmal sind."

Ob riskant oder nicht, es gibt keine Anzeichen dafür, dass Raymond vorhat, in seiner Mission, pädophile Sexualstraftäter in ganz Kanada an den Pranger zu stellen, nachzulassen. „Ich habe das hier angefangen und ich werde es auch weitermachen, bis ich sterbe."