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Sex

Die Scheiße, die ihr über Miley geschrieben habt, macht mich wütend

Vielleicht ist es lächerlich, sich von Popkritik persönlich angegriffen zu fühlen, aber in diesem Fall konnte ich nicht anders, denn ich liebe Miley.

Eigentlich wollte ich nur zum Konzert gehen, ein paar Fotos machen und Spaß haben. Aber seit Dienstag Abend ist so viel Müll über den Miley Cyrus Auftritt in der Stadthalle geschrieben worden, dass ich einen höheren Auftrag verspüre, doch noch meine 5 Cents zu dem Thema in einen Blogpost zu verwandeln. Die Arroganz, mit der darüber diskutiert wird, ob „ob Miley Cyrus in die Kreativwirtschaft passt oder ob das schon Sexarbeit ist“ macht mich genauso fertig, wie die Tatsache, dass offensichtlich noch immer dann auf Freud zurückgegriffen wird, wenn man etwas überhaupt nicht kapiert und die überbemühte sprachliche Flapsigkeit, mit der man zeigen will, dass man ja sooo weit über so profanen Dingen wie Pop steht. Ja, ich bin ein Fanboy, aber ändert das etwas an der unübersehbaren und absoluten Wahrheit?

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Das allergrößte Missverständnis besteht darin, Miley ausschließlich aufs Ficken zu reduzieren. Sex ist ein essentieller Bestandteil des Lebens (vor allem jenem von 21jähringen—ganz offensichtlich im Gegensatz zu dem von Musik-Kritikern und Sinead O’Connor) und von Pop, aber bei der Musikerin meiner Träume ist das nur eine Facette der viel größeren Erzählung. Es ist die Geschichte des Wandels vom Disney-Star zur eigenständigen Persönlichkeit mit der Fuck You-Attitude und damit ein modernes Märchen, das mich dazu bringt, meinen halben Monatslohn für Miley-Merch auszugeben.

Das haben wir in den letzten Jahren ein paar Mal erlebt. Bei Spring Breakers, Lady Gaga und vor allem Britney, die erst wieder cool wurde, als sie sich die Haare abrasiert hat und dafür von Harmony Korine entsprechend gewürdigt wird. Das liegt aber nicht am regenbogigen Interesse am emotionalen Breakdown, sondern der Tatsache, dass sich das ehemalige Teenie-Idol auch plötzlich geweigert hat, mitzuspielen und dadurch noch viel mehr Pop wurde.

Wir müssen alle immer perfekter funktionieren und die vielen Freiheiten, die sexuelle Revolution, Individualität sind größtenteils gut gemachte Marketinggags. Am Ende läuft es darauf hinaus, sich in das System einzugliedern, Praktikum nach Praktikum zu absolvieren und irgendwann genug Geld für die Miete und den kleinen Kaufrausch zu verdienen. Aber das ist irgendwie auch ok so. Wir wollen Geld, Erfolg, Luxus und Konsum, und wissen ganz genau, dass es ein „außerhalb des Systems“ nicht mehr gibt. Unser perfekter Traum ist es, das alles zu akzeptieren, aber trotzdem seinen eigenen Scheiß durchzuziehen.

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Natürlich könnte Miley genauso gut eine Erfindung ihres Managers sein, so wie der Imagewandel von Christina Aguilera bei „Dirty“. Aber derselben Logik folgend steht Rupert Murdoch gerade hinter mir und schaut mir über die Schulter, während ich diese Zeilen schreibe. Und warum genau soll man Hannah Montana zerstören, wenn man an den Ticketverkäufen und auch vor Ort in der Stadthalle sieht, wie gut braver Bubblegum-Pop funktionieren könnte? Hat schon einmal jemand von Taylor Swift gehört? Und der Kiddy Contest verkaufte in Österreich mehr CDs als Miley es jemals schaffen wird.

Ich glaube ja, sie kifft wirklich so gern, wie man das in jedem Interview mit ihr und jeder Reportage über sie liest. Das ist in Zeiten einer weltweiten Legalisierung von Marihuana nicht wirklich revolutionär, aber darum geht es nicht. Miley macht ihre Sache nicht für uns, sondern für sich. Genauso wie dieser abgefuckt-weirde Scheiß, den sie auf der Bühne abgezogen hat, definitiv nicht massentauglich ist: Goa-Videos mit Magic Mushrooms, Dirty Rap Bitchez-Klischees, ein überdimensionaler Husky, Plüsch-Elmos und so offensive Sexualität, dass ich irgendwo zwischen Boner und Angst hin und her gerissen bin, haben den Großteil des Publikums mehr verstört als begeistert. Bei „23“ hat außer uns niemand getanzt. Put on my J's and dance the whole night away I’m naughty by nature like I’m Hip-Hop Hooray! Miley funktioniert nicht wegen ihres Skandal-Shits, sondern trotz. Sie hat die besten Tracks des letzten Jahres und es ist völlig irrelevant, ob „We can’t stop“ ursprünglich für Rihanna geschrieben wurde.
Miley kann es sich sogar leisten, „Hey Ya“—neben Gnarles Barkleys „Crazy“ ungefähr der größte Hit des letzten Jahrzehnts—derartig zu verfremden, dass ihn niemand mehr erkennt, geschweige denn mitsingen kann.

Zu behaupten, „der Pop hat den jungen Männern immer weniger zu bieten, weder Identifikationsobjekte noch solche der Sehnsucht“ ist meiner Meinung nach kompletter Bullshit. Miley berührt mich auf so vielen Ebenen. Sie verkörpert den modernen Traum, den eigenen Scheiß durchzuziehen und gleichzeitig erfolgreich zu sein. Kann ich bitte morgen wieder zu einem Miley Konzert?

Eine alternative Sichtweise aufs Miley Konzert in der Stadthalle könnt ihr bei unseren Kollegen von Noisey lesen.