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Popkultur

Was wir Darlene Conner aus 'Roseanne' alles zu verdanken haben

Sarkastisch, bissig und dickköpfig – warum Sara Gilberts Figur bis heute Fernsehserien und junge Frauen beeinflusst.

Jung, weiblich und wütend – dafür gab es wahrscheinlich keine bessere Zeit als die 90er. Feministische Riot-Grrrl-Bands gaben Frauen ihre eigene Musikszene, während die bekömmlicheren Wutausbrüche von Alanis Morissette die Charts anführten. Kritische Komikerinnen wie Margaret Cho und Janeane Garofalo hinterfragten mit ihrem Witz Rollenerwartungen und finstere Heldinnen wie Winona Ryder, Christian Ricci und Angelina Jolie bereicherten die große Leinwand mit ihrer rehäugigen Morbidität. Und im Fernsehen? Das Fernsehen hatte Darlene Conner.

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Wenn du vor etwa 20 Jahren ein heranwachsender sarkastischer Proto-Goth warst, dann gab es keine Figur im Fernsehen, die deine Stimmung besser verkörperte als Darlene Conner, gespielt von der rasiermesserscharfen Sara Gilbert. Das zweitlauteste Mundwerk in Roseanne – lediglich übertroffen von der Hauptdarstellerin selbst – und der mittlere Sprössling der Familie war die Abgebrühtheit der Generation X in Person.

Mit ihren schwarzen Korkenzieherlocken. fachgerecht zerrissenen Jeans und Flanellhemden trug sie das Ich-scheiß-auf-alles-Outfit des Grunge. Es war aber Darlenes trollhaftes, überhebliches Grinsen, das ihre Gerissenheit wirklich auf den Punkt brachte. Es gab niemanden – vor allem niemanden in ihrer Familie –, den diese bittere und schadenfrohe Teenagerin mit ihren schlagfertigen Sprüchen nicht in die Schranken weisen konnte. Wie sie in Staffel sechs, Folge vier sagt: "Ich kiffe nicht. Es dämpft meinen Hass." Welche sich machtlos fühlende Teenagerin wollte da nicht so sein wie sie?

Darlene war allerdings mehr als eine jähzornige Heldin adoleszenter Entfremdung: Sie war der Conner, dem man die Daumen drückte. Eine ambitionierte und intelligente Person, die die Wahrheit sagt. Sie träumte von einer Karriere als Comicbuchautorin und davon, die erste in ihrer Familie mit einem Collegeabschluss zu werden.

Als ihr aufsteigender Stern am Ende der achten Staffel, aufgrund einer ungeplanten Schwangerschaft drohte herabzufallen, verstanden selbst kleine Mädchen wie ich das volle Ausmaß der von ihr zu treffenden Entscheidung. Die Tragik der Situation lag auf der Hand: Ihre Mutter und ihre ältere Schwester hatten beide ihre persönlichen Ziele aufgegeben, um mit ihren High-School-Freunden durchzubrennen. Darlene, die sich geschworen hatte, diesen Fehler nicht zu wiederholen, heiratet am Ende und wird mit 19 Mutter.

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"'Ich kiffe nicht. Es dämpft meinen Hass.' Welche sich machtlos fühlende Teenagerin wollte da nicht so sein wie sie?"

Bis heute ist Roseanne eine der wenigen Sitcoms, die sich wirklich mit der Lebensrealität der amerikanischen Arbeiterschicht auseinandersetzt. Im Laufe der Serie wird Darlene zum Symbol für die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten einer Familie, die ständig um ihr wirtschaftliches Überleben kämpft.

Die elfjährige, jungenhafte Klugscheißerin verwandelt sich schnell in einen depressiven Nerd, dessen vermeintliche Faulheit in Wahrheit Ausdruck eines unterforderten Intellekts ist. In der Pilotfolge beschuldigt ihre Lehrerin sie zum Beispiel, im Unterricht gebellt zu haben. In der zweiten Staffel lernen wir, dass sie eine verletzliche und talentierte Dichterin ist, und bekommen einen ersten Vorgeschmack auf ihre allzu nachvollziehbare Melancholie.

Ihr progressives und nonkonformistisches Wesen kommt im Laufe der Serie immer mehr zum Vorschein – es provoziert eine beinahe chemische Reaktion mit dem Alltag in ihrer kleinen Industriestadt. Ihre Goth-Tendenzen, ihr Veganismus und ihre Männerfeindlichkeit machen sie zu einer Außenseiterin in einer versteiften Kleinstadtkultur, in der Footballer und Cheerleader Könige und Königinnen sind. In Staffel sechs wechselt sie endlich von ihrem stagnierenden Vorortleben auf eine Kunsthochschule in Chicago – ein erster von vielen hoffnungsvollen Schritten in Richtung intellektueller und finanzieller Freiheit.

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Auf die Unterstützung ihrer Familie kann sie dabei allerdings nicht immer zählen. In Staffel acht stellen sich die Conners quer, als sie einen gut bezahlten Job bei einer Werbefirma ablehnt, weil sie dafür die Schule aufgeben müsste. Roseanne gesteht Darlene schließlich, dass sie ihr ganzes Leben dafür gekämpft habe, ihren Kindern bessere Chancen als ihre eigenen zu ermöglichen.

Der Preis dafür sei allerdings ihre wachsende Eifersucht und Darlenes wachsender Klassizismus – die Tochter kann einfach nicht aufhören, über den heruntergekommenen Zustand des Hauses oder den schlechten Geschmack ihrer Eltern herzuziehen. "Es ist, als wärst du eine von 'ihnen' und machst 'uns' runter", gibt Roseanne beschämt zu. Die Unterhaltung bricht einem das Herz, zumal die allwissende Zuschauerin schon weiß, wie alles nur eine Staffel später enden wird: Darlene gibt ihre Träume vom Großstadtleben auf und zieht zurück zu ihrer Mutter, um dort ihre Tochter großzuziehen.

Darlenes Handlungsbogen ist die Tragödie vereitelter weiblicher Ambitionen, zunichtegemacht von zyklischer Armut. Ihr Erbe findet sich heute in beliebten Sendungen wie Orange Is the New Black und Jane the Virgin, die aus einer offen feministischen Perspektive heraus betrachten, wie Schwangerschaft und Rollenerwartungen Aufwärtsbewegungen torpedieren können.

Roseanne endete vor ziemlich genau 20 Jahren, aber die Lehren aus dieser Serie sind heute relevanter denn je. In den USA herrscht momentan ein politisches Klima, in dem Reproduktionsrechte im ganzen Land unter Beschuss stehen, und der amtierende Präsident hat angekündigt, das Abtreibungsgesetz Roe v. Wade zu kippen. Auch wenn Darlene sich am Ende dazu entscheidet, ihr Kind zu behalten, ist sie ein anschauliches Beispiel für die Gefahren eines verschärften Abtreibungsgesetzes. Ihre Geschichte ist auch heute noch ein eindringliche Erinnerung an die Lebensrealitäten in einer Kultur, die Frauen dazu zwingt, ihre Karrieren der Familie unterzuordnen.

Darlenes unzufriedene, streitlustige und androgyne Art war anders als alles, was es damals im Fernsehen gab, als nichtssagend-quirlige Teeniemädchen wie D.J. Tanner von Full House oder Mallory Keaton von Familienbande die Norm waren.

Heute sind Darlenes Nachkomminnen in lauter großen Serien zu finden: von der radikal-queeren Feministin Elena in One Day at a Time und der genderqueeren Ali Pfefferman in Transparent bis hin zur kühlen, lederbekleideten Superheldin Jessica Jones oder der erlebnishungrigen und entschlossenen Hannah Horvath von Girls. Selbst Figuren wie die düster-schadenfrohe April in Parks and Recreation und die besserwisserische Nicky von Orange Is the New Black schulden ihre Figuren Sara Gilberts aufmüpfiger Figur. Mit einem Mundwerk wie eine Peitsche und einem eigenwilligen Stil, der uns anderen Außenseiterinnen zu ihr aufschauen ließ, revolutionierte Darlene die Narrative für junge Frauen im Fernsehen für immer.

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