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Rassismus

People of Color erzählen, wann Weiße sich rassistisch verhalten – oft ohne es zu merken

"Man, Steven, du kannst doch bestimmt gut singen, alle Farbigen können das doch."
Ein Mann im roten Bademantel steht auf einem Balkon
Alle Fotos: privat

Das erste Gespräch mit Fremden gleicht manchmal einer missglückten Bombenentschärfung. Besonders wenn man unsicher ist, woher die andere Person kommt. Man weiß eigentlich, wie das geht, will erst recht nichts falsch machen, ist deswegen aufgeregt und kappt das falsche Kabel. Boom! Du sagst etwas Dummes und stehst da wie ein Rassist. Als Weißer Mensch könnte man dann jammern, wie kompliziert es ist, sich zwischen all den Fettnäpfchen zurechtzufinden. Oder man hört sich an, wie sich das für People of Color anfühlt.

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Wenn dir andauernd gesagt wird, dass du Rhythmus im Blut hast, wie schön braun deine Haut und wie knackig dein Booty ist, zeigt dir das vor allem eins: Du bist anders als die meisten und gehörst nicht dazu. All diese rassistischen Dinge müssen nicht immer rassistisch gemeint sein. Aber anstatt jemanden, der schwarze Haare hat, mit "Wallah, wie geht's, Brudi?" zu begrüßen, könnte man auch erst mal "Hallo" sagen. Anders gesagt: Man könnte Menschen einfach als Menschen sehen und nicht zuallererst ihre Hautfarbe oder vermeintliche Herkunft.

Wir haben People of Color gefragt, wann gut meinende Weiße Menschen im Gespräch mit ihnen total daneben gegriffen haben.

Wo gibt's den besten Reis? – Julie Lin, 23, Berlin

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Als ich an einem Abend mit Freunden und ein paar Bekannten in einer Bar saß, kamen wir irgendwann auf das Thema kochen. Einer der Bekannten fragte mich dann: "Weißt du, wo ich in Berlin guten Reis herbekomme? Du bist schließlich Asiatin." Als ob alle Asiaten Reis essen würden und grundsätzlich die besten Spots dafür kennen müssten. Fun Fact: Ich kann nicht mit Stäbchen essen und habe auch sonst keine asiatischen Freunde und Freundinnen.

Ich werde auch oft gefragt, ob ich weniger sehen kann, "weil ich so kleine Augen habe". Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Ich frage dann gerne zurück, ob die Leute besser riechen oder hören können, nur weil sie vielleicht größere Nasen oder Ohren haben. Und außerdem: Ich kenne ja nur den Blick durch meine Augen. Woher soll ich wissen, wie jemand anderes durch seine Augen sieht?

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Seltsame Anmachstrategien – Humphrey, 22, Köln

Auf Partys oder in Clubs werde ich oft von Leuten gefragt, ob ich einen großen Penis habe. Weil das bei People of Color häufig der Fall sei. Frauen denken, es sei ein guter Anmachspruch, um direkt zur Sache zu kommen. Als würden sie mir damit ein Kompliment machen. Ausgenutzt habe ich das noch nicht, das turnt mich extrem ab.

Alle Schwarzen können singen – Steven, 31, Berlin

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Früher ist es mir öfter passiert, dass Weiße Deutsche lauter mit mir geredet haben, weil sie dachten, ich verstehe gar kein Deutsch. Eine frühere Arbeitskollegin meinte mal zu mir: "Man Steven, du kannst doch bestimmt gut singen, alle Farbigen können das doch." Auf solche Sachen reagiere ich meist mit Humor, die Leute bekommen dann halt einen Spruch von mir zurück. Worauf ich allerdings allergisch reagiere, sind Aussagen wie: "Sie sprechen aber gut Deutsch."

Erzähl mir von deiner fremden Kultur – Vanessa, 27, Wien

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Die meisten Weißen Leute sind davon überzeugt, es gut zu meinen, wenn sie einen fragen, woher man denn komme. Besonders schlimm wird es, wenn sie die Antwort "aus Wien" nicht akzeptierten und fragen: "Na, aber ich meine ursprünglich?" Viele sagen, dahinter stecke nur Neugier für eine fremde Kultur – nur hat man die als Schwarze Österreicherin nicht zwingend. Die eigentliche Frage dahinter ist eher: "Warum bist du Schwarz?"

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Eine "exotische" Schönheit – Sara, 22, Wien

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Auf Tinder glauben ständig Leute, dass die mir ein Kompliment machen, wenn sie sagen, dass ich sie an Pocahontas erinnere oder "rassisch" aussehe. Ich werde generell als "exotische" Schönheit bezeichnet und nicht einfach als "schön". Das fühlt sich an, als ob ich ein Objekt wäre. Ich bin Perserin, kein Perserteppich.

Schau, wie braun ich bin – Santiago, 22, Wien

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Mein liebster Rassismus sind Weiße Menschen, die aus dem Urlaub kommen und denken, es sei eine gute Idee, ihre gebräunte Haut mit meiner zu vergleichen: "Schau, ich bin jetzt schwärzer als du!"

Einfach mal in die Haare grapschen – Meret, 23, Zürich

Bei der Arbeit steuerte ein Kunde auf mich zu. Er wollte aber keine Auskunft zu einem unserer Produkte, sondern fragte: "Sind deine Haare echt? Wachsen die wirklich so kraus?" Ich dachte mir nur: "Komm schon. Es ist 2018 – hör auf, mich zu exotisieren!" Übertrieben hat er es, als er danach, ohne zu fragen, mehrmals meine Haare angefasst hat. Man fasst Fremde nicht einfach an. Punkt!

Bock, Samba zu tanzen? – Rebecca, 22, Zürich

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Beim letzten Streetfood-Festival in Zürich wollte ich eigentlich nur in Ruhe meinen Quinoa-Burger essen. Doch noch vor meinem ersten Bissen versuchte mein Tischnachbar, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Als Aufmacher hielt er es für eine super Idee, mich zu fragen, woher ich "ursprünglich" komme. "Ich bin Halb-Brasilianerin", antwortete ich. Wie erwartet wurde ich daraufhin getestet, ob ich die Landessprache von Brasilien spreche. Da ich kein Portugiesisch spreche, weil ich mit meiner Schweizer Mutter in der Schweiz aufgewachsen bin, erklärte ich ihm auch das. Er schaute mich ganz entgeistert an und fragte: "Aber Samba tanzen kannst du?!"

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