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AfD-Politiker muss Noah Becker wegen rassistischem Tweet 15.000 Euro Schmerzensgeld zahlen

Das Urteil ist ein Signal für alle Idioten, die das N-Wort noch immer für unproblematisch halten.
Jens Maier von der AfD und sein rassistischer Tweet
Foto: Jens Maier | imago | Christian Ditsch  || Screenshot | Twitter || Montage | VICE

Man muss nicht unbedingt eine feministische Kolumne bei Spiegel Online haben, um zu wissen: In sozialen Medien sitzen die Beleidigungen bei vielen Menschen lockerer als im echten Leben – und in erschreckend vielen Fällen müssen die Täter auch keine Konsequenzen fürchten. Doch nur, weil es online leicht ist, sich hinter einem grauen Schatten-Profilbild, dem Praktikanten oder einer ungewöhnlich rutschigen Computermaus zu verstecken, bedeutet das nicht, dass das Internet ein rechtsfreier Raum ist. Das musste am Dienstag auch der AfD-Politiker Jens Maier erfahren.

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Im Januar 2018 hatte Maier Noah Becker bei Twitter rassistisch als "kleiner Halbn****" beleidigt. Der 24-Jährige verklagte den Bundestagsabgeordneten und forderte Schmerzensgeld. Der Tweet, so Beckers Verteidigung, verletze die Persönlichkeitsrechte des Künstlers schwer. Am Dienstagvormittag gab das Berliner Landgericht Becker Recht und verurteilte den AfD-Abgeordneten zur Zahlung von 15.000 Euro Schmerzensgeld plus Zinsen und Anwaltskosten.


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Dabei sah es erst so aus, als käme der Maier ungestraft davon: Die Dresdner Staatsanwaltschaft hatte das Strafverfahren wegen des Verdachts auf Beleidigung bereits im September eingestellt. Ein Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten hatte ausgesagt, dass er den Tweet ohne Rücksprache mit Maier auf dessen Account veröffentlicht hatte. Noah Beckers Anwalt argumentierte am Dienstag, der AfD-Politiker müsse dennoch für die Inhalte auf seinen Profilen verantwortlich gemacht werden. Und gewann.

Das Urteil könnte ein Zeichen für andere Rassisten setzen

Der Fall mag zeigen, dass Noah Becker in finanzieller Hinsicht Privilegien hat, die es ihm erlauben, sich Gerechtigkeit (und Schmerzensgeld) mit einem guten Rechtsbeistand einzuklagen. Aber er zeigt auch, wie hart Gerichte Beleidigungen im Internet bestrafen können. Und setzt womöglich ein Zeichen für alle Twitter-Kreuzritter, die sich noch immer dafür einsetzen, nach Lust und Laune mit rassistischen Begriffen um sich zu werfen.

Die Argumente, die Maier und sein Verteidiger Maximilian Krah – ebenfalls AfD-Mitglied und Kandidat bei der Europawahl – am Dienstag vor Gericht anführten, stehen auf der Unsinnigkeitsskala etwa zwischen "mausgerutscht" und "der Hund hat meine Hausaufgaben gefressen". Sie geben nicht nur einen Einblick in die Gedankenwelt eines AfD-Politikers, sondern auch in jene Argumente vieler Weißer, die rassistische Sprache zu legitimieren versuchen. So sagte Krah, Noah Becker sei selbst ein Rassist, weil er Berlin im Vergleich zu London oder Paris als "weiße Stadt" bezeichnet hatte. Maier erklärte im Mai im Spiegel, das N-Wort sei auf die lateinische Bezeichnung für "Schwarz" zurückzuführen und entsprechend unproblematisch.

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Das Urteil mag nicht der Anstoß dafür sein, unsere Sprache zu reflektieren und zu ändern. Das sollte längst passiert sein. Es könnte aber der Anstoß dafür sein, dass Nutzer und Nutzerinnen verstehen, dass ihr Verhalten auch im Internet durch Gesetze geregelt wird. Und dass sie, wenn sie diese missachten, zur Rechenschaft gezogen werden können und vielleicht sogar Schmerzensgeld zahlen müssen im Wert eines Kleinwagens.

Als Noah Becker vor einem Jahr von VICE gefragt wurde, wie oft ihn jemand als N**** bezeichne, antwortete er: "Auf jeden Fall zu häufig." Vielleicht ändert das Urteil vom Dienstag daran etwas.

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