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Rechtsextremismus

Die Deutsche Bank empfiehlt einen Rechtsextremen als brasilianischen Präsidenten

Viele Kunden wollen jetzt ihr Konto kündigen.
Jair Bolsonaro winkt aus einem schwarzen Auto
Jair Bolsonaro | Foto: Li Ming | Imago

Stell dir vor, die GroKo würde scheitern und es käme zu Neuwahlen. Die Deutsche Bank, das größte Kreditinstitut hierzulande, würde Alice Weidel (AfD) zur optimalen Besetzung für das Kanzleramt erklären. Aus wirtschaftlicher Perspektive hätte die ehemalige Goldman-Sachs-Analystin einfach das beste Programm. Was vollkommen absurd klingt, wäre eine verantwortlichere Entscheidung, als den inzwischen gewählten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro zum "Wunschkandidaten der Märkte" zu küren.

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Genau das hat die Deutsche Bank getan. In ihrem Newsletter vom 5. Oktober bezeichnet der Chef-Anlagestratege Dr. Ulrich Stephan den angeblich "rechtskonservativen" Bolsonaro als vielversprechendsten Präsidentschaftsbewerber im brasilianischen Wahlkampf. Jetzt ist Bolsonaro gewählt, im Internet wird die Empfehlung nochmal rausgekramt und heiß diskutiert.

Dass Banken neoliberale Regierungen an der Macht sehen wollen, Parteien wie die FDP auch hierzulande mit saftigen Parteispenden unterstützen, verwundert erst Mal nicht.

Doch Bolsonaro ist kein gewöhnlicher Neoliberaler. Er verharmlost die brasilianische Militärdiktatur, kündigt an, das Land von politischen Gegnern zu säubern und die Folter wieder einzuführen. Der ehemalige Soldat bekennt, lieber einen toten als einen schwulen Sohn haben zu wollen.


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Doch solange Bolsonaro mit seinem autoritären Politikstil Staatseigentum privatisieren will, ausländischen Unternehmen mit harter Hand ein ruhiges Investitionsumfeld schafft, scheint die Gefahr für Demokratie und Pressefreiheit nebensächlich zu sein. Nun ist es andersherum naiv zu glauben, dass die Achtung der Menschenrechte für Investmentbanken der Maßstab ist, um die Arbeit einer Regierung zu bewerten.

Die Reaktionen auf Twitter sind vernichtend, nachdem Bolsonaros gestern die Stichwahl gegen den Kandidaten der linken Arbeiterpartei, Fernando Haddad, gewann.

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Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag Dietmar Bartsch, im Gegensatz zu seiner Amtskollegin Sahra Wagenknecht nicht unbedingt für rhetorische Zuspitzungen bekannt, bezeichnet die Verantwortlichen als "Nieten in Nadelstreifen". Für die Deutsche Bank vermutlich deutlich bitterer als die Kritik eines linken Politikers: der Verlust von Kunden.

Bei Twitter drohten einige Nutzer am Montagmorgen, ihr Konto auflösen zu wollen. Ob es sich dabei nur um eine Kurzschlussreaktion handelt oder wutentbrannte Kunden tatsächlich die Deutschen Banken stürmen, lässt sich schwer sagen. Sicher ist, dass die Analysten keinen Zusammenhang zwischen der brasilianischen Wahl und dem Verlust deutscher Kunden vorhergesehen haben.

Um das Ausmaß des entstandenen PR-Debakels einzugrenzen, behauptet die Deutsche Bank, weder Parteien noch Politiker zu unterstützen. Es handele sich lediglich um eine "Auswertung der Markteinschätzung". Die Kritik auf Twitter beschränkt sich allerdings nicht nur auf die fragwürdige Haltung der Bank zur politischen Entwicklung am Zuckerhut.

Die sogenannte Cum-Ex-Affäre, bei der ein Netzwerk aus Banken und Investoren, europäischen Steuerzahlern über 50 Milliarden Euro absaugte, sorgt zusätzlich für Verärgerung. Doch wahrscheinlich verpufft der Ärger ziemlich schnell. Bis zu den amerikanischen Midterm-Wahlen Anfang November ist das Thema längst vergessen. Wem die Deutsche Bank da wohl heimlich die Daumen drückt?

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