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Gentrifizierung

Ein Berliner Kiezcafé muss schließen, weil ausgerechnet der Rammstein-Sänger die Miete erhöht haben soll

Und jetzt streiten sich Till Lindemanns Ex-Freundin Sophia Thomalla und die Café-Betreiberin über Mäuse.
Till Lindemann von Rammstein und der Prenzlauer Berg
Foto Lindemann: imago | ITAR-Tass || Foto Mauerpark: imago | Seelinger || Collage: VICE

Ein Café für Künstler und Familien mit Kindern, mit Kuchen und Quiche, nicht weit weg vom Mauerpark, wo an jedem Wochenende Tausende Touristen und Berliner über den Flohmarkt spazieren und alle zehn Meter irgendwer Gitarre, Trompete oder alles auf einmal spielt – für Christiane Wick, selbst bildende Künstlerin, war das Café Niesen ihr kleines Paradies. Aus dem ist sie jetzt vertrieben worden, nach ihrer Erzählung wegen einer Mieterhöhung um 55 Prozent.

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Auf den ersten Blick ist es eine Geschichte, wie sie im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg im Moment ständig erzählt wird. Der durchschnittliche Preis für einen Quadratmeter liegt hier laut Berliner Mietspiegel mit 14,37 Euro zwei Euro über dem Durchschnitt der Hauptstadt. Der Ostberliner Stadtteil ist zu einer Spielwiese internationaler Immobilien-Investoren geworden. Dass es Wicks Fall jetzt zu bundesweiter Berühmtheit gebracht wird, liegt daran, dass der Eigentümer kein Spekulant ist mit Sitz irgendwo in Luxemburg, sondern selbst Künstler, der im Osten groß geworden ist und sogar selbst im Haus gewohnt hat: Till Lindemann, Sänger von Rammstein. Und an seiner Ex-Freundin Sophia Thomalla.

Ist Lindemann der Frontmann eines durchgeknallten Kapitalismus?

Vor 13 Jahren eröffnete Christine Wick ihr Café. Das Niesen entwickelte sich zu einem beliebten Treffpunkt im Kiez. Abends traten Musiker auf. An den Wänden hingen Gemälde. Als Lindemann selbst noch in dem Haus wohnte, habe er sich öfter im Café blicken lassen, erzählte Wick dem Tagesspiegel. Auch Rammstein habe sich dort oft getroffen. Dann aber sei der Kontakt abgebrochen und irgendwann lag die Mieterhöhung im Briefkasten. Sie könne sich diese Entwicklung nur so erklären, "dass es irgendwann krank macht, so viel Geld zu haben – das ist Geldsucht. Man verliert dabei wohl den Kontakt zu sich und den Leuten". Dass ausgerechnet ein reicher Musiker sie aus den Räumlichkeiten dränge, "zeigt wohl, dass Künstler nicht automatisch bessere Menschen sind".

Wick beobachtet seit Längerem, wie sich ihr Kiez verändert. "Er wird neu bespielt, aber es sind ganz andere Leute, nicht so offen und zugänglich", sagt sie. Ist Till Lindemann, dem im Kiez mehrere Wohnungen und Häuser gehören sollen, auch einer von diesen Leuten – der Frontmann eines durchgeknallten Kapitalismus, der irgendwann keine Grenzen mehr sieht und platt macht, was nicht mehr genug Geld abwirft?

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Gab es im Café Niesen Mäuse?

Lindemann selbst wollte sich auf Nachfragen des Tagesspiegel nicht äußern. In der Berliner Morgenpost widersprach seine Hausverwaltung aber der Darstellung der vertriebenen Café-Betreiberin. Die Miete solle von 12,85 auf 18 Euro pro Quadratmeter angehoben werden, allerdings erst in zwei Jahren. Zudem sprang Ex-Freundin und Schauspielerin Sophia Thomalla Lindemann zur Seite. Auf Instagram beklagte sie, dass das Café in einem "desolaten Zustand" mit "mangelnder Hygiene" und von Mäusen befallen sei. Zudem habe Till "über Jahre hinweg immer wieder versucht, sich mit ihr zu einigen". Die "Madame Besitzerin" hätte aber eher das Bedürfnis gehabt, "Till in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen", schreibt Thomalla in ihrem Rant. Hashtag: #whoeverfuckswithTillfuckswithme

Thomallas Darstellung streitet Wick vehement ab. Die Behauptungen seien "ekelhaft". "Der Kammerjäger hat uns nach zehn Tagen Zwangsschließung bestätigt, dass gar keine Mäuse da sind", sagte Wick gegenüber dem Tagesspiegel. Laut Berliner Morgenpost wolle sie zudem Thomalla wegen Verleumdung anzeigen. Die Wirtin vermutet vielmehr, dass hinter der Mieterhöhung ein klares Ziel steckt. "Man hat mir gesagt, ein familiennaher Freund Lindemanns wolle hier künftig Gastronomie betreiben."

Erst kürzlich hatte ein anderes Rammstein-Mitglied, der Keyboarder Christian "Flake" Lorenz, die Gentrifizierung im Prenzlauer Berg kritisiert. "Der Bezirk jetzt und die Straßen meiner Kindheit haben nichts mehr miteinander zu tun", sagte Flake der Süddeutschen Zeitung. Er ist im Prenzlauer Berg aufgewachsen und lebt dort noch immer. "Es ist, als sei die Wohnung in eine andere Stadt gesetzt worden." Vieles erinnere ihn inzwischen an eine "westdeutsche Kleinstadt". Darüber, welchen Anteil sein eigener Frontmann daran hat, kann er sich ja dann mit ihm unterhalten, wenn das neue Café eröffnet hat.

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