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Heulsuse der Woche

Heulsuse der Woche: Graffiti-Banausen vs. panische Friseurkundin

Düsseldorfer Wissenschaftler zeigen einen legendären Grafitti-Künstler an und eine Frau ruft den Notruf, weil ihre Haare scheiße aussehen.
Ein Graffiti von harald Naegeli und eine Friseurin
Links: Ein anderes Werk von Harald Naegeli | Collage bestehend aus: links: Wikimedia, Andreas Praefke, CC BY 3.0 || rechts: Imago | Westend61

Auch in dieser Woche haben wir wieder zwei beleidigte Nervenwracks zur Auswahl.

Heulsuse #1: Die Graffiti-Banausen

Der Vorfall: Eine Sprayer-Legende malte zwei Flamingos an die Fassade der Akademie der Wissenschaften und Künste (AWK) in Düsseldorf.

Die angemessene Reaktion: Die Akademieleitung hätte das Wort "Künste" in Akademie der Wissenschaften und Künste ernst nehmen und sich verdammt noch mal geehrt fühlen können. Denn die zwei Flamingos, die als Motiv mittlerweile weltbekannt sind, wurden von niemand geringerem als Harald Naegeli gemalt. Der Mann gilt als Pionier der Graffiti-Kunst und wurde in den 70ern als "Sprayer von Zürich" bekannt – und wegen illegalen Sprayens international gesucht.

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Die tatsächliche Reaktion: Was ist Kunst? Keine Ahnung, Graffiti jedenfalls nicht, dachten sich die Verantwortlichen der AWK wohl, und zeigten Naegeli wegen Sachbeschädigung an. Der bezeichnete diese Reaktion als "spießig" und "kleinbürgerlich". Neben den zwei Flamingos hatte er noch einen dritten an eine Tankstelle gesprüht. Deren Besitzer habe sich sehr geehrt gefühlt und ausdrücklich von einer Anzeige abgesehen, sagte Naegeli. Für ihn belege das, dass ein Tankwart einen "höheren Kunstbegriff hat als der Akademieprofessor". Ein Sprecher der Akademie begründete die Anzeige mit Denkmalschutz, was wie eine Version der furz-alten Ausrede "aLleS BLeibT sO wIe eS iSt!111!" klingt.


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Eigentlich sollte der Fall bereits letztes Jahr vor Gericht landen, wurde aber verschoben, weil der heute 79-jährige Naegeli im Krankenhaus lag. Die Akademie-Leitung bekam so etwas wie ein schlechtes Gewissen, vielleicht weil sie einen alten Mann vor Gericht zerrte, oder weil sie ihr eigenes künstlich beatmetes Kunstverständnis einsah. Sie zog die Anzeige letzte Woche Freitag per Fax (!) zurück. Nur leider half das nicht mehr.

Die Staatsanwaltschaft warf Naegeli Sachbeschädigung vor und wollte den Fall mit einer Geldstrafe von 600 Euro abhaken. Der lehnte den Deal empört ab und bestand auf eine Hauptverhandlung. Am Dienstag wurde das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt. Naegeli muss 800 Euro zur Wiedergutmachung an die Hauseigentümer zahlen und 500 Euro an ein Kinderhospiz. "Ich wollte ein Kunstwerk an Stelle des Geldes geben", sagte er. "Aber im Kapitalismus zählt halt nur das Geld."

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Heulsuse #2: Die panische Friseurkundin

Der Vorfall: Einer Frau aus Lübeck wurden in einem Friseursalon drei Mal die Haare umgefärbt, sie war unzufrieden.

Die angemessene Reaktion: Nach Hause gehen, schließlich hat es der Typ bereits drei Mal versemmelt. Einen anderen Friseur suchen, der das Chaos wieder wegkriegt. Den Anwalt anrufen. Oder wenigstens den Fernseher einschalten, alle Folgen des großen GNTM-Umstylings nacheinander gucken und den Schmerz mit einer Horde aufgedrehter Jungmodels teilen. You name it.

Die tatsächliche Reaktion: Die Frau wählte den Notruf der Polizei Lübeck. Den Beamten erzählte sie, dass sie in der Lübecker Innenstadt sitze und ein "Riesenproblem" habe, sie sei mit der Leistung völlig unzufrieden und wisse sich nicht weiter zu helfen. Fraglich ist, was sie von der Polizei erwartet hat. Dass das SEK den Friseursalon stürmt? Dass sie diesem Friseur seinen Rasierer aus der Hand reißen und ihm selbst einen Haarschnitt zurecht säbeln? Oder wenigstens seine stinkenden Haargel-Döschen beschlagnahmen? Nein, natürlich nicht.

Ein Beamter habe versucht, der Frau klarzumachen, dass man wegen Haar-Unfällen nicht den Notruf wählen soll, schrieb die Polizei Lübeck auf ihrer Facebook-Seite. "Wir helfen immer gerne", heißt es dort, "aber für eine ausführliche Frisurenberatung ist die Polizei nicht der richtige Ansprechpartner, schon gar nicht der Notruf." Vermutlich waren die Beamten etwas angepisst von diesem Notfall: Sie sagten der Frau, dass sie beim nächsten Mal prüfen würden, ob sie mit so einem Fall den Notruf missbraucht. Und damit eventuell eine Anzeige kassiert.

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