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Popkultur

Darum willst du rauchen, wenn du trinkst

Was Nikotin mit deinem Gehirn macht, ist seltsamer als du denkst.

Foto: D. Sinclair Terrasidius | Flickr | CC BY 2.0 | bearbeitet

Du kennst das Gefühl: Du hast schon zwei oder drei Drinks intus und plötzlich meldet sich dieses ganz spezielle Verlangen. Das Ganze gleicht einer Leere, die du noch nicht bemerkt hast und nun füllen willst – und zwar mit etwas Schmutzigem, das du sofort bereuen wirst. Aber komm schon, wir benehmen uns doch sonst total anständig, da kann man schon mal eine Ausnahme machen.

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Dabei rauchst du eigentlich gar nicht. Oder zumindest nur selten. Du hältst es tatsächlich wochenlang ohne Zigarette aus. Dann kommt jedoch Alkohol ins Spiel und in deinem Gehirn dreht sich plötzlich alles um Nikotin.

Wie genau kommt das? Warum verhält sich dein Gehirn so?

Laut John Dani, einem Neurowissenschaftler und Suchtexperten der University of Pennsylvania, spielen beim Verlangen nach einer Zigarette zwei Faktoren eine Rolle. Zum einen: wie sich Nikotin auf deine Erinnerung auswirkt. Und zum anderen: wie die Kombination aus Nikotin und Alkohol dein Dopamin-Level senkt. Zusammen lassen diese beiden Faktoren in dir die Lust nach einer Kippe aufkommen.

Befassen wir uns zuerst mal etwas genauer mit den Auswirkungen auf deine Erinnerung.

2009 veröffentliche Danis Forschungsteam eine Studie, in der es darum geht, wie Nikotin die Bildung von Nervenbahnen fördert. Für diese Studie haben die Wissenschaftler Labormäuse durch zwei Teile eines Geheges laufen lassen. In einem Teil bekamen die Tiere eine harmlose Dosis Salzlösung verabreicht, während im anderen Teil eine Dosis Nikotin wartete. Wie zu erwarten, verbrachten die Mäuse mehr Zeit im Nikotinabschnitt. Besonders interessant sind hier die Auswirkungen des Nikotins auf das Gehirn.

Nikotin kann die Nervenverbindungen stärken - und so positive Erinnerungen schaffen

"Im Vergleich zur Salzlösung stärkte das Nikotin die nervlichen Verbindungen – manchmal um 200 Prozent", erklärt Dani. "Und die Bildung von neuem Erinnerungsvermögen basiert auf dieser Stärkung." Das Forschungsteam fand heraus, dass Nikotin die nervlichen Synapsenverbindungen nur dann verstärkt, wenn die sogenannten Belohnungszentren ein Dopamin-Signal aussenden. "Das ist der entscheidende Schritt beim Erschaffen der positiven Assoziationen im Gehirn."

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Damit unterstreicht die Studie einen Umstand, den wir bereits kennen: Angenehme Aktivitäten wollen wir immer wieder erleben. Sie zeigt uns aber auch auf einer neurologischen Ebene, wie sich die Erinnerung an das Rauchen in unsere Gehirne einbrennt. Und noch wichtiger: wie die damit assoziierten Erinnerungen – zum Beispiel Alkoholkonsum und Freunde treffen – in den gleichen, vom Nikotin verstärkten Pfaden abgespeichert werden.

"Vor Kurzem habe ich mit einem Kollegen ein Experiment beendet und wir sind danach in eine Bar gegangen", erzählt Dani. "Ich kenne ihn schon seit Jahren und habe nicht gewusst, dass er raucht. Dann bekam er jedoch Lust auf eine Zigarette." Laut eigener Aussage hatte besagter Kollege seit der Schule nicht mehr geraucht – also seit mehr als 20 Jahren. Nach ein paar Drinks wollte er aber plötzlich an einem Glimmstängel ziehen. Warum?


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Es gibt noch einen anderen Grund, warum Zigaretten und Alkohol quasi Hand in Hand gehen. Und auch hier kommen Danis Nagetier-Experimente ins Spiel.

Es ist schon lange bekannt, dass Alkohol und Nikotin bei separatem Konsum die Dopamin-Ausschüttung im Gehirn anregen. Deswegen gingen Dani und seine Kollegen davon aus, dass die beiden Stoffe zusammen für noch höhere Dopamin-Level sorgen. Es sollte sich allerdings das genaue Gegenteil erweisen. Die Ratten, die eine Nikotindosis abbekamen, konsumierten zwar mehr Alkohol, wiesen aber auch stagnierende Dopamin-Werte auf.

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Separat machen dich Drinks und Zigaretten glücklich, zusammen vermiesen sie dir die Laune

Überrascht wiederholte das Forschungsteam das Experiment – mit dem gleichen Ergebnis. Schließlich wurde den Wissenschaftlern klar, dass die Kombination von Alkohol und Nikotin die Ausschüttung von Stresshormonen verursacht. Und das unterbricht die Dopamin-Freisetzung. Anders gesagt: Separat machen dich Drinks und Zigaretten glücklich, zusammen vermiesen sie dir die Laune.

Warum greift man dann immer wieder zur Zigarette, wenn man Alkohol trinkt? Um das gute Gefühl aufrechtzuerhalten. In der Theorie handelt es sich hier um einen Kreislauf, der beginnt, wenn der Alkohol die positiven Erinnerungen ans Rauchen hervorbringt. Die daraufhin gerauchte Zigarette fährt den Dopamin-Pegel jedoch zurück. Also will man wieder trinken, um die Dopamin-Ausschüttung wieder anzukurbeln. Der Kreislauf beginnt von neuem.

Aber bringt es uns nun um, wenn wir uns zum Bier eine Zigarette gönnen? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, da spielen viel mehr Faktoren mit rein. Deshalb äußert sich Dani lieber noch mal zu den Gelegenheitsrauchern. "Wir reden hier von den Menschen, die nur unter gewissen Umständen rauchen", erklärt er. "Denen empfehle ich, die Zigaretten gar nicht erst anzurühren. Ansonsten werden sie nämlich schnell zu regelmäßigen Rauchern. Und dann fällt das Aufhören erst richtig schwer."

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