Stanic – Die Kolumne

Das kannst du tun, um diskriminierende Werbung zu bekämpfen

Einfach ignorieren ist keine Lösung.
True Fruits
Foto: Henry Giggenbach | bearbeitet

Feministin, Gastarbeitertochter und VICE-Kolumnistin: Alexandra Stanić schreibt wöchentlich darüber, wie sie Politik, Rassismus und Sexismus erlebt.

Der Smoothie-Hersteller True Fruits löst mit einem Posting einen Shitstorm aus, mal wieder. So weit, so alt, so erwartbar. Die spannende Frage aber ist: Soll man über eine kalkulierte Provokation berichten oder nicht? Wir haben in der Redaktion intensiv darüber diskutiert. Denn schlechte PR ist auch PR, das ist klar, dafür muss man kein Studiengang in Marketing und Kommunikation absolviert haben. Wie schafft man es also, darüber zu schreiben, ohne dass True Fruits davon profitiert? Und was können Menschen machen, die etwas gegen diskriminierende Werbung tun möchten, ohne dem Unternehmen mehr Reichweite zu geben?

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2017 hat das deutsche Unternehmen in Österreich Plakate mit Werbeslogans wie "Schafft es nur selten über die Grenze" und "Noch mehr Flaschen aus dem Ausland" abgedruckt. Laut True Fruits soll die Kampagne eine Kritik gegen die Politik Österreichs sein. 2016 dachte der Saftladen, es sei besonders lustig, Smoothies in geschwärzten Flaschen mit dem Spruch "Quotenschwarzer" zu verkaufen. Kritikerinnen (generisches Femininum, Männer wie immer mitgemeint) verhöhnt True Fruits, bezeichnet sie als dumm und schickt noch ein "Fuck you" hinten dran.

Das Böse geht allerdings nicht weg, wenn wir es ausblenden. Stellt euch vor, die AfD würde verschwinden, würden wir sie nur lange genug ignorieren. Eine bessere Welt wäre das, so ganz ohne AfD und True Fruits. Aber ich glaube nicht, dass diese Phänomene verschwinden, indem wir sie verschweigen, Nichtbeachtung ist die falsche Reaktion. Der Preis für die diskriminierenden Inhalte von True Fruits müssen Umsatzeinbußen sein und zwar deftige. Und Konsumentinnen können das möglich machen – sie können mehr tun, als nur auf überteuerte Smoothies in Glasflaschen zu verzichten.

Schritt 1: Meldet sie in Grund und Boden

Das kann man in Deutschland zum Beispiel beim Deutschen Werberat. Er kontrolliert die Werbewirtschaft und beschäftigt sich mit diskriminierenden, grenzüberschreitenden Inhalten. Dem Werberat zufolge genießt Werbung Meinungsfreiheit, nicht aber, wenn eine Person oder eine Personengruppe in ihrer Würde verletzt wird.

Schritt 2: Schreibt darüber, aber schenkt ihnen keine Reichweite

Sagt euren Freundinnen und Bekannten, dass sie True Fruits von ihrer Einkaufsliste streichen sollen. Schickt ihnen Screenshots der Postings. Erklärt ihnen, warum ihre Werbung nicht in Ordnung ist. Schreibt auf euren Social-Media-Kanälen darüber, aber markiert True Fruits nicht. Kommentiert ihre Beiträge nicht. Je höher die Interaktionsrate, umso mehr freuen sich. Und wir wollen nicht, dass sie sich freuen. Es bringt nichts, True Fruits zu erklären, dass ihre Werbeslogans sexistisch sind: Sie entscheiden sich ganz bewusst dazu. Damit verschwendet ihr eure Ressourcen und gebt ihnen im schlimmsten Fall mehr Zündstoff. Das Social-Media-Team hat nämlich auch nichts Besseres zu tun, als die Traumata anderer in ihren Antworten ins Lächerliche zu ziehen.

Schritt 3: Unterstützt Gegeninitiativen

Der Instagram-Account truediskriminierung wurde im Februar 2019 ins Leben gerufen, nachdem True Fruits unter anderem Werbeslogans wie "Abgefüllt und mitgenommen" brachte. Unterstützt diese Aktion. Folgt ihnen, liket ihre Inhalte, teilt sie. Die Initiatorinnen sind es auch, die eine Petition gegen True Fruits gestartet haben. Sie halten fest, dass sich das Unternehmen seiner sozialen Verantwortung entzieht. 35.000 Menschen haben diese Petition unterschrieben, in dem sie unter anderem fordern, dass Handelspartnerinnen wie zum Beispiel Karstadt oder Edeka, in Österreich Billa oder Spar, Stellung beziehen und die Smoothies aus ihrem Sortiment nehmen. Damit kommen wir zu Schritt vier.

Schritt 4: Kontaktiert die Partnerinnen von True Fruits

… und macht sie auf die diskriminierende Marketingmasche aufmerksam. Partnerinnen von True Fruits müssen Konsequenzen ziehen, sonst unterstützen sie True Fruits – auch wenn es nur passiv ist. Ich glaube nicht, dass es im Interesse von Supermarkt-Ketten ist, dass sie mit frauenverachtenden, extrem fragwürdigen Werbeslogans in Verbindung gebracht werden. Deswegen: Druck machen. Es gibt genug andere Smoothie-Marken.

Schritt 5: Kauft bei der Konkurrenz ein

Wenn ihr euer Geld für semi-gesunde Zuckerbomben in Form von Smoothies ausgeben wollt, greift zu True-Fruits-Konkurrenz. Tut als Unternehmen sicher weh, wenn die Konkurrenz von der eigenen Kampagne profitiert. Manchmal muss man da hingehen, wo es weh tut – und True Fruits soll am besten dort bleiben.

Foto von Müll, darunter True Fruits

Müll dahin stecken, wo er hingehört | Foto: Henry Giggenbach

Konsumentinnen haben durchaus die Möglichkeit, Unternehmen wie True Fruits in ihre Schranken zu weisen. Die Schritte lassen sich auch auf andere Marken ummünzen, die ernsthaft denken, diskriminierende Werbung habe 2019 noch Platz in unserer Gesellschaft. Wer will, kann proaktiv auf grenzüberschreitende Werbung reagieren und Haltung zeigen. Im Falle des Saftladens wurde die Grenze nicht nur überschritten, sie wurde in püriertem Fruchtsaft ertränkt. Alles unter dem Deckmantel der Satire. Blöd nur, dass sie vergessen haben, dass gute Satire nicht nach unten tritt.

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