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So machst du Low- und No-Budget-Ferien in der Schweiz

Wie du in einem der teuersten Länder der Erde spottbillig Ferien machen kannst, verraten wir dir gerne.
Foto von Andy

Die Schweizer sind das reisefreudigste Volk der Welt. Und die Hälfte dieser Reisen unternehmen sie im eigenen Land. Natürlich rät man jungen Schweizern erst mal, die Welt ausserhalb der Schweiz kennenzulernen. Aber irgendwie tut es uns Stadtmenschen ja trotzdem auch gut, die Berge nicht nur als Hintergrundfassade zu betrachten, sondern zu wissen, was da ist. Ausserdem gibt es in der Schweiz nicht nur diese Alpen, von denen immer alle sprechen, sondern ungleich wildere und nicht von zahlungskräftigen Touristen überrannte Gebiete.

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Gleis 7 ausnutzen

Bist du in dem Alter, in dem du noch ein Gleis 7 haben kannst, dann sei glücklich und nutz das Ding aus. Und zwar nicht nur für den Ausgang. Wenn du um 19:09 Uhr in Chur den Zug besteigst, bist du—mit nur einmal umsteigen—um 23:28 Uhr in Genf. Damit ist wohl alles gesagt. Nutz das Gleis 7, denn dasselbe Ticket kostet sonst selbst mit Halbtax noch 55 Franken. Wenn du in kleine Orte willst, kannst du die Schweiz nicht an einem Abend durchqueren, aber es ist trotzdem immer möglich nach 19:00 Uhr vom einen Ort zum anderen zu kommen.

The Wanderlust

Billig-Ferien in Hotels, mit Halbpension und Nichts-Tun, sind in der Schweiz tatsächlich schwierig zu finden und die meisten jungen Schweizer kaufen sich dann lieber ein Interrail und kiffen sich durch Amsterdam. Da ist es zwar auch nicht ganz billig und in manchen Jugendherbergen hat es Bettwanzen, aber ein bekiffter Tag in Amsterdam kostet dich zehn Mal weniger als ein besoffener Abend in Barcelona. Der Low-Budget-Hedonismus hat es aber wirklich nicht leicht in der Schweiz. Drum beweg deinen Arsch und geh wandern. Wir haben das dichteste Wanderwegnetz der Welt! Ausserdem sitzt du sonst schon genug im Vorlesungssaal oder im Büro rum und deine Lunge bekommt so endlich ein bisschen was anderes ab als Feinstaub.

Foto von Patrick Nouhailler; Flickr, CC BY-SA 2.0

In Städten gibt es Gratis-Duschen

Da die Schweiz so zersiedelt ist (das ist eigentlich etwas Schlechtes!), kannst du von Stadt zu Stadt biken oder für die tägliche Dusche eine Gleis 7-Exkursion machen. Denn in vielen Schweizer Städten kannst du gratis duschen—etwa in am Neuenburg direkt am See oder in Basel am Rhein. Achte einfach auf öffentliche Badeplätze, dann wirst du meist fündig. Natürlich brauchst du nur Gratis-Duschen, wenn du radikal asketisch reist, sprich: Wenn du weder in eine Jugendherberge gehst oder bei jemandem daheim übernachtest, noch ein halblebendiges Couchsurfing-Profil entdeckt hast oder Airbnb ein „Ich bin echt und lächle"-Video geschickt hast. Gratis-Duschen brauchst du, wenn du draussen schläfst.

Das Campier- und Biwakierverbot interessiert niemanden

Campieren, wie ich es meine, hinterlässt kein postapokalyptisches Schlachtfeld wie nach dem Open Air Frauenfeld. Campieren heisst nach meiner Auffassung, dass man sich in einem zu kleinen Zelt an einem lauschigen Örtchen—vielleicht in der Langen Erle oder an einem Waldrand—niederlässt, dort nur in Feuerstellen Feuer macht und Musik nicht lauter hört, als es die Handylautsprecher erlauben. Hält man sich an diese wenigen Richtlinien, verwette ich mein Schweizer Offiziersmesser mit GSOA-Aufdruck (ja, das gibt's) darauf, dass man in Ruhe gelassen wird. Niemand, wirklich NIEMAND stört sich an jungen Menschen, die Ordnung halten. Die gesetzliche Lage ist in der Schweiz theoretisch von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Der Schweizerische Alpenclub schreibt in seinem Merkblatt zum Wildcampen aber Folgendes:

Ausserhalb von Schutzgebieten und ohne explizite behördliche Verbote ist rücksichtsvolles Campieren oder Biwakieren im Gebirge oberhalb der Waldgrenze in der Regel unproblematisch.

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Hier findest du noch eine nützliche Merkliste zum Wildcampen im Jura. Im Jura ist man kaum je oberhalb der Waldgrenze, drum darf man mit der Auslegung des SAC-Merkblatts also flexibel sein.

Besuch die Orte aus der zweiten Reihe

Nein, ich weiss nicht, wie du billige Ferien in St. Moritz machst (ausser du bist zusammen mit vielen reichen Kindern ins Gymnasium gegangen und kannst die Zweitwohnung von deren Eltern verwüsten). Aber du kannst wunderschöne Ferien in den Landesteilen verbringen, die nicht mit „Traditional Swiss Chalet Photography" chinesische Touristen verarschen. Geh ins Jura. Nicht zwingend in den Kanton, aber ins Gebirge. Du kannst tagelang unterwegs sein, ohne einen einzigen Menschen zu sehen. Und: Es gibt da diesen Anblick (OK, da sind viele Menschen):

Foto von Martin Abegglen, Flickr, CC BY-SA 2.0

Grade wenn man von Neuenburg hochgewandert ist (2 Tage), haut der Creux du Van dich um. Von hier aus kannst du weiter ins Val de Travers, wo du das beim Wildcampen gesparte Geld in Absinthe investieren kannst. Und das wirst du auch, denn an diesen verruchten Örtchen wurde die Grüne Fee erfunden.

Weitere Jura-Klassiker sind: Weissenstein, Belchenfluh oder der Chemin du Jura Bernois von Moutier bis La-Chaux-de-Fonds. La Chaux-de-Fonds solltest du dir eh anschauen, da hier das Restaurant zahlbar und die Nacht lebendig ist.

Ist dir das Jura zu niedrig, zu öd und zu frankophon, kannst du dich auf der Hüttenkarte der Schweiz über mietbare SAC-Hütten in den Alpen informieren. Das architektonische Highlight unter ihnen ist die Monte Rosa-Hütte. Aber bedenke: Du läufst mindestens anderthalb Stunden hin und musst dabei einen Gletscher überqueren.

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Zurück zur Zivilisation: Hostels und Jugendherbergen sind blöd – ausser die:

Jugendherbergen sind Orte, um sich den Rücken zu ruinieren, Fusspilz zu holen, schlechtes, zu teures Bier ausserhalb von Irish Pubs zu trinken und an den ewiggleichen Mini-Konfitüren zu verzweifeln. Bist du mit deinem Freund, deiner Freundin (oder sonst jemandem, mit dem du das Bett teilen willst) unterwegs, ist das noch schlimmer, da auch in Doppelzimmern keine Matratze breiter als 90 cm ist. Es gibt aber einige Jugendherbergen und jugendherberge-ähnliche Erscheinungen, die anders sind:

Basel Backpack
Willst du dir Basel anschauen, ist Basel Backpack sicher die bessere Wahl als die offizielle Jugendherberge. Erstens: Es liegt näher am Bahnhof. Zweitens: Da es hinter dem Bahnhof liegt, findest du immer gut zurück. Drittens: Es liegt im Gundeldinger Feld und bietet so viel Postindustrial-Rost-Shabby-Chic, dass es fast schon kitschig ist.

Longstars Zürich
Auch ein Ort mit Betten für den Rückenschaden, aber dafür direkt an der Langstrasse, im Kreis 4. Wenn du nicht zu den Touristen gehörst, die sich am Niederdorf beglücken können, ist das Longstars die ideale Wahl für wenig Geld. Apropos Niederdorf: Die Ässbar bietet Sandwiches, Salate und Patisserie von verschiedenen Bäckereien ab 2 Franken, halt vom Vortag.

Die Garasche
Die Garasche in Aarau wurde schon in diesem Artikel zum wichtigsten Ort im Umkreis von 50 Kilometern erklärt. Und da kann man auch schlafen. Wahrscheinlich ist zu jeder Tages- und Nachtzeit jemand in der Bar, der dich in ein abstruses Gespräch verwickelt. Die Sammlung aller Ausgaben des Magazins Reportagen und der Volksaufmarsch, wenn Fussballspiele oder das Lauberhornrennen (im Winter, logisch) an die Wand projiziert werden, füllen dir schon den halben Urlaub.

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Foto von Paull Young, Flickr; CC BY 2.0

Benutz deine Scheiss-Vorteilskarten, die du nicht willst und immer vergisst

Wie du deine Zeit in den Städten füllst, wenn du kein Geld ausgeben willst, ist eine ganz andere Frage. Aber trotzdem: Es gibt so ein Vergünstigungskärtchen, das man bekommt, wenn man bei bestimmten Versicherungen ist. Bis 2014 hiess es euro26-Karte und ab dann Young Swiss Card (da wollen wir jetzt keine Polit-Psychoanalyse betreiben). Damit kommst du in fast jedes Museum gratis rein. Auch verschiedene Maestro-Karten, etwa die von Raiffeisen oder die Studi-Karten der Kantonalbanken, geben dir Gratifikationen von verbilligten Dönern (etwa im Stein-Grill Aarau) bis zum Gratis-Eintritt ins Tinguely-Museum (Basel). Man wird beim Eingang einfach nicht zwölfmal daran erinnert, sondern muss an der Kasse selbst dran denken.

Einige der spannendsten Museen der Schweiz sind das Cartoonmuseum in Basel, das Fotomuseum Winterthur, das Stapferhaus in Lenzburg, das Kommunikationsmuseum Bern und auch in Zürich gibt es vieles, zum Beispiel die Photobastei.

Trotzdem bleibt dieser Guide outdoorlastig, eine Art Wanderführer, denn ja: Konsum ist in der Schweiz einfach teuer. Wenn du Geld sparen willst, musst du rausgehen. Tut auch mal gut. Für Konsum findest du nämlich auch im Alltag immer Zeit.

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Titelfoto von Andy, Flickr, CC BY-ND 2.0