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Popkultur

​Das Beste an ‚Game of Thrones‘ sind seine Frauenfiguren

Trotz nackter Haut und jeder Menge Sex—Cersei, Danaerys und Co. sollten der feuchte Traum einer jeden Feministin sein.

Fotos: © [2015] Home Box Office, Inc. All rights reserved/Sky

Am gestrigen Sonntag flimmerte die erste Folge der fünften Game of Thrones-Staffel über die Bildschirme, in Deutschland hat sich der Pay-TV-Sender Sky die Rechte an der HBO-Serie gesichert und zeigt die Folgen in Originalfassung parallel zur Erstausstrahlung in den USA. Wie groß der Hunger der Fans auf neues Material aus Westeros war, zeigte sich unter anderem darin, dass die ersten vier Episoden, die angeblich aus Journalistenkreisen geleakt wurden, noch vor der TV-Ausstrahlung der ersten Folge über eine Millionen Mal über Torrent-Seiten heruntergeladen wurden.

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Die unfassbare Popularität von Game of Thrones gründet sich aber nicht unbedingt in epischen Schlachten, den expliziten Sexszenen oder der Beiläufigkeit von inzestuösen Beziehungen. Die wirkliche Stärke von George R. R. Martins Lied von Eis und Feuer liegt in ihren (zugegebenermaßen unzähligen) Charakteren. Tatsächlich hat es die Serie geschafft—in all ihrer Sagen- und Märchenhaftigkeit—dem Unwirklich-Fantastischen trotz aller Grausamkeit etwas Menschliches zu geben. Und ganz nebenbei einige der besten weiblichen TV-Figuren der letzten Jahrzehnte zu etablieren

Nehmen wir Cersei Lannister. Die ebenso schöne wie eiskalte Königin, die maliziös auf ihre Widersacher herablächelt und mit nur einem Kopfnicken Köpfe rollen lassen kann. Im ersten Moment hasst man sie—und das soll man wahrscheinlich auch. Im Laufe der Serie entwickelt sich die charismatische Antagonistin vom eher eindimensionalen Bösen zu einer Frau, die einem trotz ihrer Makel und ihrer ausgesprochenen Boshaftigkeit Respekt abverlangt. Cersei ist besessen vom Gedanken an Macht, weil sie seit ihrer Kindheit nicht mit der Rolle zufrieden war, die ihr seitens ihrer Familie auferlegt wurde: Schön sein, an einen möglichst mächtigen Mann verheiratet werden und sich dann sittsam und still der Aufgabe widmen, ihren Mann glücklich zu machen und ihm möglichst viele gesunde Kinder zu schenken.

Cersei nutzt ihre Vorteile als Frau und stellt die eigenen Ziele über alles, weil sie weiß, dass niemand ihr oder ihrer Familie hilft, wenn sie es nicht selbst tut. Cersei braucht keine Frauenquote, keinen Mitleidsbonus, sie beschwert sich nicht. Einer der wenigen Momente, in denen ihre Fassade bröckelt, ist der, in dem sie mit anderen Frauen in einem Keller verschanzt sitzt, während draußen vor den Toren von King's Landing eine Schlacht tobt. Cersei ist betrunken, hat Angst um ihren Sohn und zeigt erstmals so etwas wie Schwäche. Das ist so beachtlich, weil sie damit ihren Nimbus des unleidbaren, allmächtigen Bösen zerstört—und ihre Willensstärke und Durchsetzungskraft somit ungleich beeindruckender scheint.

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Es gibt viele starke Frauen, ob physisch oder psychisch, in Game of Thrones. Sei es Brienne, die hochgewachsene Kriegerin, die es im Kampf mit jedem Mann aufnehmen kann und zu irgendeinem Zeitpunkt definitiv eine Art Buddy-Movie mit Jaime Lannister bekommen sollte (außerdem warte ich seit geraumer Zeit darauf, dass die Beiden endlich miteinander rummachen), die rote Priesterin Melisandre, deren wahre Motive noch im Dunklen liegen, oder das Wildling-Mädchen Ygritte, die bis in den Tod an ihren Idealen festhält. Während diese Stärke bei ihren männlichen Kollegen bis auf wenige Ausnahmen allerdings vergleichsweise eindimensional bleibt, gesteht die Serie ihren Frauen mehr Raum für Zweifel, Unsicherheit für Schwäche, mehr Menschlichkeit zu. Selbst Catelyn Stark, immerhin Teil der ehrenhaften und nach moralischen Maßstäben „guten" Stark-Familie, trägt etwas Dunkles, Schlechtes in sich, das sie zu einer Figur macht, die nicht per se „gut" sein will. Sie kann den unehelichen Sohn ihres Mannes, den Bastard Jon Snow, nicht lieben.

Nehmen wir Daenerys, eine der zugegebenermaßen bisher nicht ganz so facettenreichen weiblichen Charaktere. Ihre Rolle im Game of Thrones-Universum ist bisher vor allem ein Versprechen auf Größeres. Wenn die Thronerbin der ehemaligen Targaryen-Königsfamilie dann irgendwann einmal im Land ihrer Vorfahren angekommen ist, samt legendärer Drachen und riesiger Armee, dann wird es interessant. Aktuell ist sie vor allem noch ein Kind, das versucht, in die übergroßen Fußstapfen ihres königlichen Vaters hineinzuwachsen. Sie weiß nicht, wann es angemessen ist, Milde walten zu lassen und wann diese Nachsichtigkeit und der Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit zur Schwäche wird. Sie befreit die Sklaven einer Stadt und muss dann feststellen, dass sie damit das komplette Gesellschafts- und Wirtschaftssystem aus der Bahn wirft und die Leute auf den Straßen verhungern.

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Es wäre so viel einfacher gewesen, die schöne Daenerys in all ihrer Strahlkraft als ultimative Anwärterin auf den Thron zu stilisieren. Als eine Art Xena mit weißblonder Perücke, die sich zur finalen großen Schlacht rüstet. Ich meine, sie hat Drachen, verdammt nochmal! Stattdessen wird das beinahe realistische Bild einer jungen Frau gezeichnet, die unsicher ist, weil sie sich mit Aufgaben konfrontiert sieht, die selbst für ältere und gestandenere Herrscher eine Herausforderung wären. Sie muss lernen, dass es keine „richtige" oder „falsche" Entscheidung gibt, dass alles Konsequenzen hat und niemand einem hilft, wenn er daraus keinen eigenen Vorteil ziehen kann. Aber sie wächst daran, sie wird stärker und bestimmter in dem, was sie tut, und auch wenn ihr Erzählstrang gegen Ende der vierten Staffel etwas vor sich hindümpelte: Als streberhafte Leserin der Bücher kann ich euch schon jetzt verraten, dass sich das in der fünften Staffel ganz entschieden ändern wird.

Was uns dann auch direkt zu Arya bringt, der jüngsten Stark-Tochter, die in Serie und Buchreihe das fleischgewordene Badass verkörpert. Statt sich wie Cersei erst ihrer Rolle als Frau zu unterwerfen und sich den Wunsch nach Mitspracherecht am eigenen Leben erst später und mit den Waffen einer Frau zu verwirklichen, lernt Arya lieber Schwertkampf statt Sticken und schlägt sich seit dem Tod ihres Vaters alleine durchs Leben. Faszinierend ist dabei vor allem der Vergleich zwischen ihr und ihrer älteren Schwester Sansa, die zu Beginn das Paradebeispiel des schwachen, leicht zu beeindruckenden, schönen Mädchens ist—und sich insbesondere in der letzten Staffel zu einer der beeindruckendsten weiblichen Hauptrollen entwickelt hat.

Lange Zeit im Glauben gelassen, die einzige Überlebende ihrer Familie zu sein und gleichzeitig auch noch dem psychopathischen Teenager-König ausgeliefert, der für den Tod ihres Vaters verantwortlich ist, entwickelt sich Sansa in eine Richtung, die vor ihr schon Cersei eingeschlagen hat. Nutze deine Schönheit, suche nach deinem Vorteil und übe Rache an allen, die dir und deinen Liebsten Unrecht getan haben. Und wenn wir schon von Rache sprechen: Mit Oberyn Martells Töchtern bekommt die fünfte Staffel gleich drei neue Frauenfiguren, die mit dem dramatischen Ableben ihres Vaters nicht allzu glücklich sein dürften.

Die bärtigen, harten Männer bringt man schnell mal durcheinander. Doch die Frauen stechen heraus. Sie sind mehrdimensional, facettenreich, listig, schön, hässlich, mal etwas einfach, dann wieder ein krankes Genie, das jeden um sich herum manipuliert. Sie sind wütend, friedfertig, laut, leise, mal in sich selbst gefangen, mal in stetiger Bewegung. Nur eines sind sie nie: langweilig. Game of Thrones hat es geschafft, Weiblichkeit als etwas Starkes darzustellen, ohne sich haltlos in Klischees zu verstricken oder die Frau zum attraktiven, aber nervigen Sidekick zu verdammen. Nicht jeder mag CGI-Drachen, hat Bock auf fantastische Mittelalter-Szenarien oder die Muße, sich erst einmal umfassend in eine Geschichte hineinzuarbeiten, um auch nur ansatzweise zu verstehen, was gerade auf dem Bildschirm passiert. Aber wenn es etwas gibt, das man der Geschichte um den Eisernen Thron nicht absprechen kann, dann dass sie gezeigt hat, wie vielseitig die Rolle der starken, selbstbestimmten Frau interpretiert werden kann. Danke dafür, George R. R. Martin. Und jetzt lass Daenerys endlich mit ihren Drachen in Westeros einreiten! Es wird Zeit.

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