Nicht alle Schläger sind Gangster

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Nicht alle Schläger sind Gangster

„Für uns ist dieses ganze Gang-Prinzip nur Hollywood-Scheiße“: Adrien Lacheré hat Fotos von den harten Jungs in den Pariser Vorstädten gemacht.

Adrian Lacherés Fotos erinnern stark an die Bilder in Matthieu Kassovitz’ modernem Filmklassiker Hass. Diese Ähnlichkeit beruht nicht nur auf der Schwarz-Weiß-Optik, sondern auch auf der Weise, wie die Bilder komponiert sind und das Individuum und seine Umwelt porträtieren. Mit seinen realistischen Arbeiten gewährt Adrian Lacheré ausdrucksstarke Einblicke in urbane Randviertel, die sonst oft übersehen werden.

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Wo genau seine Fotos aufgenommen wurden, wollte Adrian mir nicht sagen, aber er erzählte mir, dass seine Heimatstadt auch „die Hölle“ genannt werde. Dieses Geheimnis intensivierte die Faszination, die seine Bilder auf mich auswirkten, gleich noch mehr. Zur Zeit wohnt Adrian in Thailand und ist dort mit vielen neuen Projekten beschäftigt, trotzdem nahm er sich netterweise Zeit dafür, mit mir über seine älteren Arbeiten zu sprechen.

VICE: Wie bist du Fotograf geworden? Wann hast du mit dem Fotografieren angefangen?
Adrain Lacheré: Ich habe vor fünf Jahren damit angefangen. Eigentlich wollte ich Boxer werden, musste aber aufgrund körperlicher Beschwerden damit aufhören. Ich hatte also nichts zu tun und lebte in einer Gegend, die ich so sehr hasste, dass ich mir die Zeit damit vertrieb sie zu fotografieren.

Wie würdest du die Fotos, die du machst, beschreiben? Machst du nur Bilder von Leuten, die in Gangs sind?
Nicht alle sind Mitglieder von irgendeiner Gang, aber es sind Schlägertypen. Die Fotos wurden in Frankreich aufgenommen, für uns ist dieses ganze Gang-Prinzip nur Hollywood-Scheiße. Ein Typ, den ich nach seiner Lebensphilosophie fragte, erzählte mir, dass nichts anderes für ihn zählen würde als sich mit so vielen Leuten wie möglich zu schlagen. Er wollte sich prügeln, nichts anderes; er wollte kein Hollywood-Star sein und seine Geschichte war auch überhaupt nicht Hollywood-mäßig. Man kann sagen, dass diese Fotos eine gewisse Kälte ausstrahlen. Inzwischen habe ich aufgehört Bilder dieser Art zu machen.

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Ich hatte den Eindruck, dass die Bilder aber auch eine gewisse Intimität vermitteln. Bist du befreundet mit den Menschen, die du fotografierst?
All diese Bilder habe ich in meine Heimatstadt gemacht, da hat sich das natürlich ergeben. All diese Leute waren ein Teil meines Lebens, im positiven wie im negativen Sinne, und die meisten von ihnen würde ich als sehr gute Freunde bezeichnen. Es machte eigentlich keinen Unterschied, ob ich meine Kamera dabei hatte oder nicht.

Es gibt einen Typen, den du öfter fotografiert hast als die anderen und der in deiner Arbeit sehr präsent ist. Er scheint dir wichtig zu sein. Wie ist seine Geschichte und wie habt ihr euch kennengelernt?
In der Gruppe von Typen die ich fotografierte war er derjenige, auf den alle gehört haben. Er war sehr intelligent, aber auch aggressiv, was dafür gesorgt hat, dass sein Leben aus jeder Menge Hochs und Tiefs bestand. Das Foto, auf dem er mit seinem kleinen Bruder vor dem Auto steht, ist das letzte, das ich von ihm gemacht habe; er war gerade dabei etwas ruhiger zu werden. Er war so eine Art Mensch, bei dem du denkst, dass ihm jederzeit einfach alles passieren kann, Gutes genauso wie Schlechtes.

Du hast gesagt, dass du Fotos dieser Art nicht mehr machst. Warum?
Diese Bilder waren einmal Teil meines Lebens, aber heute trifft das nicht mehr zu. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich irgendwann mal ein ähnliches Projekt machen werde. Aber auf jeden Fall in einem anderen Land, und in Farbe.

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Zur Zeit lebst du in Thailand. Bist du dort hingezogen, weil du geglaubt hast, dort besser arbeiten zu können?
Ja, schon, mir gehts gut hier und es gibt keine Winter. Aber um zu fotografieren reise ich auch oft ins Ausland.

Und woran arbeitest du im Augenblick?
Ich konzentriere mich jetzt mehr auf Editorial-Inhalte, aber ich habe auch Aufträge von einigen großen Marken.

Cool. Danke, Adrian.