Geister, Raves und Satan: Unterwegs im berüchtigsten verlassenen Krankenhaus Mexikos

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Geister, Raves und Satan: Unterwegs im berüchtigsten verlassenen Krankenhaus Mexikos

Wir haben uns im stillgelegten "Hospital Naturista" umgesehen, in dem es (natürlich) spuken soll.

Ein gelbes Licht scheint am Ende des Flurs herein. Dazu höre ich das sanfte und konstante Rauschen der Wellen. Ansonsten ist um mich herum nur Dunkelheit. Ich befinde mich im zweiten Stock eines verlassenen Krankenhauses am Strand von Tampico, einer Stadt im mexikanischen Bundesstaat Tamaulipas. Ich habe gehört, dass der Ausblick vom Dach des Gebäudes phänomenal sein soll, aber irgendwie finde ich keinen Weg nach oben.

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Schon im Kindesalter sind mir die Horrorgeschichten über das Krankenhaus zu Ohren gekommen und natürlich fallen mir genau jetzt alle diese Erzählungen wieder ein. Meine Angst lässt mich erstarren. Dabei sind es nicht mal die hier angeblich schon so oft gesehenen Geister, die mir am meisten Sorgen bereiten. Nein, es ist eher die Leiche, die irgendwelche Kinder vor gut einem Jahr in diesem Betonlabyrinth entdeckten.

Im Nordosten Tampicos befindet sich die leicht zu übersehende Zufahrt zu einem der mysteriösesten Gebäude der Stadt: das "Juan Álvarez Díaz"-Rehabilitationszentrum, von den Anwohnern auch "Hospital Naturista" genannt. Das von der Ölarbeiter-Gewerkschaft erbaute ehemalige Krankenhaus ist so etwas wie das Abbild der jüngeren Vergangenheit der Stadt.

Während der kurzen Tätigkeitszeit der Gewerkschaft in den 80er Jahren kümmerte man sich im Hospital Naturista vor allem um Ernährungs- und Augenprobleme. Außerdem konnten sich dort alle Gewerkschaftsmitglieder Magnetfeldtherapien und Hydromassagen unterziehen. Laut dem Journalisten Marco Antonio Flores bot das Krankenhaus damals "die fortschrittlichste Technologie in ganz Südamerika". Fünf Jahre nach der Eröffnung schloss die Einrichtung im Jahr 1989 aber plötzlich wieder. Im gleichen Jahr wurde auch Joaquín Hernández Galicia, der damalige Vorsitzende der Gewerkschaft, verhaftet.

Von 1989 bis 1994 war ein privates Security-Team für das Gebäude verantwortlich. In dieser Zeit fing es auch mit den ganzen übernatürlichen Begegnungen an: Wie in so vielen anderen verlassenen Krankenhäusern sollen sich auch hier Geister herumtreiben.

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In diesem Fall geht es vor allem um eine geistesgestörte Krankenschwester namens La Planchada, was übersetzt so viel wie "schick gekleidete Frau", aber auch "traurige Frau" bedeutet. Der Legende nach hat sich diese Krankenschwester damals in einen jungen Arzt verliebt, der ihr jedoch das Herz brach. Deswegen quälte sie ihre Patienten und war so auch für den Tod eines Neunjährigen verantwortlich. Und um seinen Sohn zu rächen, schnitt der Vater der Krankenschwester die Kehle mit einem Skalpell durch.

Aufgrund der Lage (200 Meter vom Meer entfernt) und des Luxus (zwei Swimmingpools, viele Zimmer mit Balkon, Palmen, Terrasse und ein unglaublicher Ausblick) ist das verlassene Krankenhaus ein idealer Ort zum Abhängen und Feiern. Und genau das tat die Jugend von Tampico in den 90er Jahren auch. Die Legende von La Planchada bereitete ihnen bei ihren Raves dabei eher Nervenkitzel als Angst. Der wahre Horror folgte dann erst später und verband das Krankenhaus im Kopf der Anwohner für immer mit dem Bösen.

Die Fliesen im Erdgeschoss wurden mit Markern verschmiert und ein riesiges Herz weist auf den Zugang zu einer Reihe an weiteren ehemaligen Patientenzimmern hin. In einem dieser Zimmer entdecke ich das erste Pentagram—inklusive den Worten "Quien dijo que el amor existe? Bienvenido a tu infierno" [Wer hat gesagt, dass Liebe wirklich existiert? Willkommen in deiner Hölle]. Es ist zwar nur schwer zu belegen, dass in diesem Krankenhaus wirklich satanische Rituale durchgeführt wurden, aber man hat schon Überreste und Blutspuren von Tieren auf dem Grundstück gefunden. Und mehrere Leute behaupten, bei einem solchen Ritual dabei gewesen zu sein.

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Als ich mich ins nächste Stockwerk aufmachen will, muss ich mich entscheiden: Entweder nehme ich eine gruselige, aber begehbare Rampe oder doch lieber eine Treppe, die in absoluter Dunkelheit endet. Da ich noch von meinem Ausflug erzählen will, fällt meine Wahl auf die Rampe. Zuerst erblicke ich jedoch ein weiteres Pentagram, das zusammen mit einem umgedrehten Kreuz und dem Wort "Lusbel" [Luzifer] den Zugang zu mehreren Umkleideräumen markiert.

Dort lassen sich zig alte Schuhe finden, die zum Teil auch von der Decke herunterhängen oder an der Wand kleben. Bei diesem Teil meiner Erkundungstour geht mir wohl am meisten die Muffe.

Da ich mir nicht in die Hose scheißen will, renne ich schnell die letzte Treppe in Richtung Dach hoch. Als ich ins Freie trete, fühlt es sich so an, als wäre ich nach einem langen Tauchgang wieder an die Oberfläche geschwommen. Mein Ausflug hat sich aber definitiv gelohnt: Vom riesigen Dach aus kann ich im Osten den Horizont, den Strand und ameisengroße Menschen sehen. Im Westen eröffnet sich mir ein unglaublicher Ausblick auf Tampico.

Seit mehr als 20 Jahren hat das Hospital Naturista nun schon diese Sicht genossen—genauso wie unzählige Ärzte, Patienten, Raver, Kriminelle, Geister und seit Neuestem auch Paintball-Spieler. In anderen Worten: Das Gebäude ist ein wahrer Zeitzeuge aller Geschehnisse im Herzen Tamaulipas. Manchmal aber auch ein Opfer.

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