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Sex

Ein Blowjob-Café mit Sexrobotern? Ein Unternehmer hat genau das angekündigt

Manche halten die Idee für umsetzbar, während andere beten, dass es niemals so weit kommt.
Standbild aus ’Westworld’ | Foto mit freundlicher Genehmigung von HBO

Der Unternehmer Bradley Charvet sorgte vor Kurzem in diversen Boulevardpublikationen mit seinem Plan für Aufregung, ein Fellatio-Café in London eröffnen zu wollen. Inspiriert von thailändischen Blowjob-Bars formulierte er die Vision eines Ortes, an dem Männer einen 15-Minuten-Blowjob zu ihrem Morgenkaffee genießen können. [Schon in der Schweiz wollte er dieses Vorhaben durchsetzen, hier könnt ihr unser Interview mit ihm lesen] Die britische Gesetzgebung, die das Betreiben von Bordellen verbietet, machte seinem Plan einen Strich durch die Rechnung—jedenfalls, was menschliche Sexarbeiterinnen aus Fleisch und Blut angeht. Daher änderte Charvet seinen Plan: Die Blowjobs sollen nun von Robotern statt von Menschen kommen.

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Aber sind wir technologisch und gesellschaftlich bereit für ein Starbucks mit Sexrobotern?

David Levy, ein Robotik-Experte und Autor von Love and Sex with Robots sagt gegenüber VICE, dass Sex mit Robotern in wenigen Jahrzehnten zum Alltag dazu gehören würde. Er geht auch davon aus, dass dieses Jahr eine neue Sexroboter-Generation auf den Markt kommen wird. Angesichts dieser Vorhersagen mutet Charvets Vision eines Sexcafés mit Robotern wie ein kleiner Vorgeschmack auf unsere Zukunft an. Aber lässt sich seine Idee tatsächlich umsetzen? Experten sind sich einig, dass Sexrobotik zwar viel Potential hat, die Technik sich aber noch in ihrem Embryonalstadium befindet. Die momentan existierenden Roboter sind meilenweit von den menschenähnlichen Maschinen entfernt, die wir aus Science-Fiction-Filmen kennen. Aber auch wenn es noch ein weiter Weg bis zu Roboter-Blowjobs ist und Industrie-Experten das Fellatio-Café als PR-Stunt abtun, hat Charvets Vorstoß die Aufmerksamkeit auf eine wichtige Debatte gelenkt, die in manchen Bereichen bereits heftig diskutiert wird: Was bedeuten Sexroboter für die Zukunft des Sex und die Gleichstellung der Geschlechter?

Momentan sind die wenigen existierenden Sexroboter noch äußerst rudimentär—nicht viel mehr als fortschrittlichere Gummipuppen. Der Futurologe Ian Pearson sagt, dass sie in Bezug auf Aussehen und Gefühl sehr gute, lebensähnliche Reproduktionen des menschlichen Körpers darstellen. "Menschen nehmen [diese Sexpuppen] und ergänzen sie um sehr einfache robotische Bewegungen", sagt er. Eins der fortschrittlichsten Beispiele für ein solches Modell ist die chinesische Sexpuppe mit dem Namen Z-one. Sie kann blinzeln und ihren Mund bewegen, hat Genitalien, die sich erwärmen, und kann "Siri-ähnliche Unterhaltungen auf Chinesisch" führen, sagt Jenna Owsianik, Redakteurin von FuturofSex.net.

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Sexroboter seien momentan nicht mehr als "motorisierte Puppen", sagt Kathleen Richardson, wissenschaftliche Mitarbeitern im Bereich Roboterethik an der britischen De Montfort University in Leicester.

"Sie können dich nicht wirklich oral befriedigen", sagt Owsianik. Mit etwas Kreativität könne man zwar Sexpuppen mit Teledildonics kombinieren (einem "Ärmel" und einem mit Sensoren ausgestatteten Dildo, die über das Internet miteinander verbunden sind und so Fern-Blowjobs ermöglichen), aber "es wäre nicht das Gleiche wie eine Frau, die sich vor dir hinkniet", sagt Owsianik.

Von der eingeschränkten Motorik mal abgesehen können Sexroboter auch nicht wie eine reale Person sprechen oder reagieren—wenn man das denn möchte.

"Kommunikation ist unser Ziel [für das Fellatio-Café]", sagte Charvet gegenüber VICE, der auch schon die Seite bumpix gegründet hat, eine soziales Netzwerk für Escorts. "Sexroboter müssen sprechen, sich unterhalten und dem Kunden zuhören können—wie es ein Mensch tun würde." Das ist momentan allerdings noch unmöglich, sofern man sich nicht mit einer Unterhaltung auf Siri-Niveau zufriedengibt. Charvet sagt aber: "Ein Roboterhersteller ist gerade dabei, dieses verrückte Projekt umzusetzen."

Das als Hersteller realistischer, High-End-Sexpuppen bekannte Unternehmen Abyss Creations plant, dieses Jahr einen robotischen Kopf für seine RealDolls auf den Markt zu bringen. Aufregende Neuigkeiten, findet Owsianik. Das Unternehmen hatte ein Team des angesehenen Robotikherstellers Hanson Robotics rekrutiert, um einen roboterhaften Kopf mit künstlicher Intelligenz (KI) zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Gleichzeitig arbeitet Abyss an einer App, die laut Plan bereits im April erscheinen soll. Sie soll es Usern ermöglichen, mit ihrer Roboter-Partnerin zu interagieren, bevor sie diese physisch treffen. "Sie wird sich erinnern und je mehr [du mit ihr sprichst], desto 'schlauer' wird sie", sagt mir RealDolls-Erfinder Matt McMullen.

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Eine derartig ausgeklügelte Technologie hat natürlich auch ihren Preis—zumindest heute noch. Eine ganz normale RealDoll kostet bereits 5.500 Euro aufwärts und der zusätzliche Realbotix-Kopf fast 10.000 Euro extra. Charvet, der bestätigt, sich mit der neuen Sexrobotergeneration zu befassen, meint gegenüber VICE, dass die Kosten pro Puppe zwischen 2.000 und 3.500 Euro liegen würden—womit nichtmal die Kosten für eine RealDoll ohne Roboterfunktionen gedeckt wären. McMullen bestätigt, dass Charvet mit seinem Projekt an Abyss Creations herangetreten war. "Er hatte die Vorstellung, dass wir [Blowjob]-Roboter versandfertig auf Lager hätten." Er hofft, den RealDoll-Roboterkopf Ende dieses Jahres auf den Markt bringen zu können, von einem Blowjob-Roboter wisse er aber nichts.

Charvet sagt, momentan mit der chinesischen Firma MySiliconLoveDoll zu verhandeln, aber er würde auch andere Hersteller in Betracht ziehen. Die Puppen von MySiliconLoveDoll sind mit Preisen bis zu 2.500 Euro zwar erheblich billiger, verfügen aber über keine Robotik.

Der britische Unternehmer, der behauptet, das Café bereits im April 2017 eröffnen zu wollen, scheint angesichts des aktuellen Stands der Technologie (und eines möglichen Mengenrabatts) extrem optimistisch zu sein. Die Idee sei in diesem Stadium "ziemlich konzeptuell … Es klingt nach dem perfekten Rezept, um auf den Titelseiten zu landen", sagt McMullen. Richardson formuliert es drastischer: "Das ist ein Marketinggag."

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Und in der Tat: Charvets Projekt bedient nicht gerade dumm unsere Faszination für die Roboter-Mensch-Beziehung—und natürlich auch Sex. Die Aussicht auf mögliche Sexroboter hat dementsprechend nicht nur bei Robosexuellen (Menschen, die sich von Robotern angezogen fühlen) für Aufsehen gesorgt, sondern auch unter Experten und in der breiten Öffentlichkeit.

"Menschen haben unglaublich hohe Erwartungen [an Sexroboter]", sagt McMullen. Manche, wie Levy, freuen sich über die ganzen Möglichkeiten, die dieser Bereich ermöglichen könnte—robotische Sexarbeiter ohne die Gefahr von Geschlechtskrankheiten zum Beispiel—, oder akzeptieren Sex mit Robotern zumindest als unausweichliche Entwicklung. Sobald androide Haushaltshilfen einmal Mainstream werden, sagt Pearson, wäre Sex bloß einer ihrer vielen Verwendungszwecke.

Richardson weist darauf hin, dass Sexroboter die Sichtweise verstärken, dass Sex "ein Markt mit Käufern und Verkäufern ist, bei dem manche Menschen Produkte sind." Eleanor Hancock, eine Doktorandin, die sich mit den Auswirkungen von Technologie auf die Sexindustrie befasst und letzten Dezember an einem Panel des 2nd International Love and Sex with Robots Congress in London teilgenommen hat, ist der Meinung, dass Sexroboter (die größtenteils für und von Männern entworfen werden) Frauen zur Ware machen. "Wir haben bereits echte Menschen, die Sex verkaufen. Hier geht es um etwas anderes. Es geht darum, Frauen zum Objekt zu machen—nicht nur ihre Körper, sondern auch ihre Gedanken." Sexroboter liefen so Gefahr, unterwürfige und "benutzerfreundliche" Versionen von Frauen zu werden. McMullen sagt tatsächlich, dass Kunden für ihre Puppe "eine Persönlichkeit kreieren" könnten: "mehr [oder weniger] dominant, intellektuell oder naiv, sexuell oder sexscheu."

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Der RealDoll-Erfinder wendet jedoch ein, dass seine Puppen nicht dazu da seien, um Frauen zu Objekten zu machen. "Wir alle haben unseren fiktiven Idealpartner, den wir in unseren Gedanken mit uns herumtragen. Es nicht falsch, Menschen die Möglichkeit zu geben, sich das physische und mentale Modell ihrer Träume zu erschaffen." Ihm selbst ist es wichtig, Roboter zu erschaffen, zu denen Menschen eine Beziehung aufbauen können. Für ihn geht es "um viel mehr als einen sexuellen Zeitvertreib", so McMullen.

Owsianik sagt: "Viele [der männlichen Sexpuppenkäufer] sind keine furchtbaren Individuen und machen Frauen zu Objekten—sie umsorgen sie richtig." Schon heute verlieben sich Menschen in Roboter. "Es gibt ein großes Geschäft mit der Einsamkeit", so Pearson. Aber wenn es nach Owsianik geht, wäre Sex mit Robotern nicht nur einsamen oder schüchternen Menschen vorbehalten. Alle könnten etwas davon haben. "Wenn [Roboter] lernen, was du magst, und deine Reaktionen kennen, können sie daraus vielleicht auch ableiten, was dir gefällt, und dir das beibringen. Es wäre spannend zu beobachten, ob es Menschen dabei helfen wird, ein erfüllteres Sexleben zu haben."

Aber auch wenn die Journalistin der Meinung ist, dass uns Roboter eines Tages zu "besseren Liebhabern" machen und unseren sexuellen Horizont erweitern könnten, frage ich mich, wer diesen Robotern beibringt, welche Art, Sex zu haben, die "richtige" ist. Wird danach alles andere—die ganzen verschiedenen Dinge, die unterschiedliche Menschen gerne im Bett machen—falsch sein? Und wenn die ideale Frau eines Schöpfers tatsächlich ein Objekt ist, was wird dieser Roboter lernen und uns Menschen über Geschlechterrollen lehren?

Der Fortschritt im Bereich Sexroboter hänge auch schwer davon ab, wer an ihnen arbeitet, so Owsianik—vor allem, was die Ressourcen angeht. Wenn Firmen wie IBM an einer erotischen KI tüfteln würden, wären wir schon viel weiter. Ich würde dem aber noch gerne hinzufügen, dass diese Frage auch beeinflusst, was diesen Robotern beigebracht werden würde. Als ich Charvet frage, ob sein Vorstoß mit dem Fellatio-Café irgendwelchen Gegenwind bekommen hat, sagt er nur: "Männer lieben das Projekt, Mädchen nicht." Vielleicht war es nur ein nachlässiger Versprecher, aber auch so spricht seine Verwendung des Wortes "Mädchen" für Frauen Bände. Ein großer Teil der Industrie, aus der er kommt, nimmt Frauen als untergeordnet und machtlos wahr. Kein Wunder also, dass manche Frauen von seiner Idee nicht gerade angetan sind.

Bislang aber scheint sein Projekt nicht viel mehr als leeres Gerede zu sein. Obwohl damit die weitverbreitete und reale Faszination mit Robotern und deren potentiellen Einfluss auf unser Sexleben deutlich wird, ist die Idee des Fellatio-Cafés nicht viel mehr als ein PR-Stunt—noch nicht.

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