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Kultur

Bob Dylan soll den Literaturnobelpreis bekommen, geht aber nicht ans Telefon

75 Jahre auf dem Tacho und immer noch ein Spalter.

Foto: imago | United Archives International

Selbst mit 75 Jahren schafft es der alte Mann, das Bildungsbürgertum zu spalten. Und das indirekt. Die Schwedische Akademie hat der Rocklegende vor wenigen Tagen den Literaturnobelpreis mit dem recht knappen Argument verliehen, dass Dylans Liedern eine "Poesie" innewohnt und ihm der Verdienst zukommt, "neue poetische Ausdrucksformen innerhalb der großen amerikanischen Songtradition geschaffen zu haben".

"Ist die Welt jetzt verrückt geworden?", sagen die einen, denen Dylans Lyrik ohne ihre musikalische Beilage zu dünn ist, um den Heiligen Gral der Literatur zu bekommen—zumal große Autoren wie ein Thomas Pynchon oder Philip Roth mit Werken von einer ganz anderen erzählerischen Dimension wieder mal leer ausgingen.

Das Gegenlager wiederum überschlägt sich vor Freude und titelt angesichts Dylans Ehrung: "Kein Dichter hat ihn mehr verdient als Bob Dylan". "Ihn"? Klingt wie ein Gottesgeschenk, dabei ist "er" nur ein Preis. Hoch dotiert zwar, mit über 800.000 Euro, aber ein Preis, verliehen von einigen wenigen Köpfen, die nicht der Maßstab für Literatur sind. Der Maßstab ist jeder Einzelne—geschissen auf Prunk und Lametta.

Ähnliches scheint sich auch Dylan selbst zu denken, denn bislang reagiert er überhaupt nicht auf seine Ehrung. "Momentan machen wir nichts weiter", erklärt die Sekretärin der Akademie, Sara Danius, gegenüber dem schwedischen Sender SR. "Ich habe angerufen und E-Mails an seinen engsten Mitarbeiter geschickt und sehr freundliche Antworten bekommen. Im Moment genügt das völlig."

Dylan ist nicht nur nicht zu sprechen, er zeigt sich auch völlig unbeeindruckt von dem ganzen Rummel. Noch am selben Tag der Bekanntgabe der Verleihung hatte die Musikikone abends ein Konzert in Las Vegas gegeben, wo er nach 90 Minuten Spielzeit von der Bühne ging, ohne ein einziges Wort über seine Auszeichnung zu verlieren. Sartre wäre stolz auf ihn.