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GAMES

'Call of Duty' ist der Teil der eSport-Szene, der Frauen immer noch ausschließt

Warum hinkt der Shooter-Blockbuster in Bezug auf Geschlechtergleichheit so weit hinter anderen Titeln her?

Das Ende des Monats März naht mit großen Schritten, und damit wird auch bald die eSports-Fanfare ertönen. Die Blicke der gesamten Szene werden sich bald auf Los Angeles richten, den Austragungsort der Call-of-Duty-Weltmeisterschaft, wo die besten Teams um den Löwenanteil des Preisgelds von einer Million Dollar kämpfen. Wenn man mal so darüber nachdenkt, dann ist das ganz schön viel Geld dafür, mit unechten Waffen auf unechte Dinge zu schießen. Es ist mehr Geld, als Leute dafür bekommen, mit echten Waffen auf echte Dinge zu schießen, und man hat danach noch nicht mal diese putzmittelresistente Sauerei auf der Hose.

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Eine Million Dollar ist nicht die größte Summe in den Preistöpfen des eSports—bei der DOTA 2 International letztes Jahr ging es um ganze 10 Millionen Dollar, was bedeutet, dass die Gewinner mehr Geld mit nach Hause nahmen als die Gewinner des Super Bowl—aber es ist immerhin das größte Preisgeld für Call of Duty und mehr Mainstream als dieses Spiel geht in der Welt der westlichen eSports wohl kaum. Call of Duty ist der hohle Aggressionssportler der eSports, der um jeden Preis gewinnen muss, der seine Matches in kratzigen Polyestertrikots bestreitet, aufgeputscht durch Männlichkeitswahn und genug Energy-Drinks, um eine Leber zu zersetzen.

Videospiele waren schon immer eine monotone Safari voller weißer Männchen, die herumrennen und einander anschreien, wenn sie nicht gerade Fistbumps, Top-Gun-High-Fives und „nicht wirklich ernst gemeinte (aber eigentlich schon)" YouPorn-Links teilen. Doch die Zielgruppe hat sich schon längst über dieses veraltete Klischee hinaus erweitert. Mehr Frauen als jemals zuvor sind Gamer (Statistiken hier) und Gaming wird langsam erwachsen—mit vielschichtigeren Inhalten, einer größeren Reichweite und einer reiferen Zielgruppe.

Doch wenn es um Gaming-Wettkämpfe geht, dann stecken Frauen noch immer in der metaphorischen Küche fest und machen Sandwiches für die ganzen Typen auf der Bühne. Call of Duty scheint in dieser Hinsicht besonders hinterherzuhinken. Während bei anderen eSports-Titeln der Anteil der weiblichen Teilnehmerinnen ordentlich angestiegen ist, gibt es hier nach wie vor kaum Frauen, die sich im Wettkampf mit anderen Spielern messen. Vielleicht denkst du jetzt, dass das vor allem darin liegt, dass CoD ein Shooter ist und Mädchen keine Waffen mögen, aber es gibt Top-Spielerinnen bei Halo: Reach (spacige Alien-Waffen), Team Fortress 2 (cartoon-artige Spinner-Waffen) und überraschenderweise sogar bei Dead or Alive 4—einem Beat 'Em Up, das vor allem für seine spärlich bekleideten Charaktere bekannt ist. (Also, wenn ich mich prügle, dann ist meine Kleidung echt immer im Weg. Aber wenn du dich ausziehst, dann hat das nervigerweise meist zur Folge, dass der Kampf endet, weil die andere Person sich beruhigt. Ein bisschen, wie wenn man ein Handtuch über einen Wellensittichkäfig drapiert.)

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Uns allen wurden viele Jahre lang Geschlechterstereotypen eingetrichtert, Dinge wie „So bist du ein echter Mann", „Die Eigenschaften, denen keine Frau bei Männern widerstehen kann", oder veraltete Vorstellungen darüber, warum Frauen nicht an der Front kämpfen oder auf demselben Niveau Fußball spielen können wie Männer. (Anscheinend glauben die Leute, dass die männlichen Spieler den Frauen bei jedem Fall mit Wadenwickeln und Riechsalz zu Hilfe eilen würden. Offensichtlich würde so ein Spiel für immer dauern.)

Ich weiß, ich weiß, es ist in Wirklichkeit die Schuld von uns Frauen, weil wir unsere zarten, gedankenlos-heiteren Gemüter aus Kätzchen und Makramee-Eulen zusammengestückelt haben. Ein „echter" Mann hätte gewusst, das Kätzchen und schnurartige Dinge eine schlechte Kombination sind. Gott sei Dank also wurde das Videospiel erfunden und erschuf damit eine Welt, in der das Geschlecht eigentlich irrelevant sein dürfte, weil alle, unabhängig von ihren Genitalien, unter denselben Bedingungen spielen. Ich meine, so lange du die Knöpfe in der richtigen Reihenfolge drückst, kannst auch du ein Champion sein.

Vielleicht kommt der Mangel an CoD-Spielerinnen ja auch von der ganzen Sportskanonen-Arschloch-Präsentation. Wenn das Ganze im großen Stil in den USA gemacht wird, dann hat es einen unverkennbaren Sportfernsehen-Vibe, mit jeder Menge Krawatten, Geschrei, zurückgegelten Haaren und Mitternachtsausflügen in Casinos. Frauen, sofern es überhaupt welche gibt, sind meistens Freundinnen, die ihren Partner anfeuern, oder sie machen die PR für die Veranstaltungen. Oder sie gehören zu den berüchtigten eGirls—weiblichen Fans, die auf Events auftauchen und die von allen als Groupies angesehen werden.

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Alan Brice ist professioneller eSports-Kommentator und sehr bekannt in der globalen CoD-Szene, da er schon auf Wettkämpfen in der ganzen Welt war. Er erzählt mir, was er über CoD-spielende Frauen denkt: „Man machte mich [bei einem Event] neulich auf ein paar Mädchen aufmerksam, und ich konnte wirklich nicht fassen, was ich da an Unterhaltungen weitergeleitet bekam—dass sie mit so vielen Profis wie möglich schlafen wollten, um mehr [Twitter-]Follower zu bekommen. Ich hoffe, das war nicht ernst gemeint."

Das Problem ist, dass dieser Ruf allen Mädchen vorauseilt, die mit eSports anfangen—in Wirklichkeit wollen sie höchstwahrscheinlich mit den Penissen männlicher Star-Spieler nichts zu tun haben, doch Beobachter gehen einfach davon aus, dass alle Frauen in der CoD-Szene sich mehr für diese interessieren als dafür, die Gegner auf dem Bildschirm zu zerstören. Damit tut sich die Community, sowohl die um CoD als auch die gesamte eSports-Industrie, ganz sicher keinen Gefallen. Schlussendlich hat das eben zur Folge, dass jedes Mädchen, das eine professionelle Gaming-Veranstaltung besucht, unter Generalverdacht steht.

Morgan „Morgz" Ashurst, ehemals Mitglied des Epsilon-eSports-Teams, ist eine der wenigen Call of Duty-Spielerinnen, die sowohl mit als auch gegen einige der Besten Europas gespielt hat, und sie hat diese Vorurteile selbst erfahren müssen.

„Zum Glück wissen Leute, die schon lange genug in der Szene sind, dass das auf mich nicht zutrifft", sagt sie mir. „Aber für die Neuen … Die Jungs sehen ein Mädchen und denken einfach nur: ‚Ah, noch so ein eGirl', und das macht mich auf Events extrem paranoid."

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Aus Call of Duty: Black Ops 2

Um in der Welt der eSports ernstgenommen zu werden, musst du, egal welchen Geschlechts du bist, so viel üben wie deine Mitspieler und Gegner und so viel Zeit in deine Fähigkeiten investieren wie sie. Aber Frauen haben eine weitere Hürde zu überwinden: offensichtliche sexistische Voreingenommenheit. Du musst die Online-Hasstiraden und den Druck beiseite wischen, denen man sich als seltene weibliche Person in der von Männern dominierten Industrie ausgesetzt sieht. Wenn du das schaffst, dann kannst auch du Call of Duty spielen. Aber es ist unausweichlich, dass viele Frauen die Lust vergeht, bevor sie überhaupt so weit kommen.

„Selbst wenn ich auf ein halbwegs gutes Team mit drei Typen zuging, haben sie mir nicht mal die Chance gegeben, mit ihnen zu spielen", ergänzt Ashurst. „Sie haben einfach automatisch nein gesagt, nur wegen meines Geschlechts." Es besteht also immer die Möglichkeit, selbst wenn du dir alle Mühe gibst und die Zeit investierst, dass Diskriminierung zum Problem wird und dich davon abhält, dein Können im Wettkampf mit den männlichen Kollegen zu beweisen.

Es kommt mir immer seltsam vor, dass es in der Gamer-Community solche Einstellungen gegenüber Frauen gibt. Haben diese Typen einfach nur Angst, dass eine Frau sie bei etwas besiegen könnte, das angeblich „maskulin" ist? Ist von einem Mädchen in einem Videospiel besiegt werden so etwas wie das erwachsene Pendant dazu, auf dem Spielplatz vor allen die Hose runtergezogen zu bekommen?

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compLexity gegen EnVyUs im Weltmeisterschaftsfinale 2014

Wir verpassen hier durchgehend die Chance, zusammen auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten. Mehr eSportlerinnen würden den eSports noch mehr Legitimität verleihen, indem sie das Klischee des nerdigen, uncoolen Typen weiter aufweichen, und mehr konkurrierende Frauen würden auch mehr Männer als Publikum anziehen—warum, glaubst du wohl, zahlen Frauen in einigen Clubs keinen Eintritt? Mehr Leute insgesamt bedeuten auch größere Preisgelder, mehr Turniere, eine größere Community und mehr Chancen, gegen die Besten anzutreten, und all das bedeutet mehr Vielfalt und—jetzt pass auf—mehr Geld für die eSports-Community. Aber will die CoD-Welt überhaupt mehr Frauen?

„Ich will einfach nur sehen, wie Leute spielen, egal ob männlich oder weiblich", sagt Brice. „Die Leute haben mich das im Laufe meiner Karriere schon oft gefragt: ‚Wie bringen wir mehr Frauen zum Zocken?' Und meine Antwort ist, dass ich es einfach nicht weiß, außer es gibt ein großes Umdenken und es fangen dadurch von alleine mehr Frauen damit an."

Es gibt den Ansatz, mehr Turniere und Teams zu veranstalten, die nur für Frauen sind, aber ist das kontraproduktiv? „Na ja, ich halte nichts von Geschlechtertrennung, aber ich spiele am Ende doch immer in weiblichen Teams, hauptsächlich weil es einfach leichter ist", sagt Ashurst. Die Frauen, die mit eSports anfangen, sondern sich also ab, um nicht in einer ohnehin schon stressigen Situation noch mit Vorurteilen umgehen zu müssen. Bis sich in Call-of-Duty-Kreisen die Einstellung nicht ändert und weibliche Gamer nicht einen Ort haben, an dem sie spielen (und manchmal auch versagen) können, ohne dass sie den Zorn eines Online-Mobs befürchten müssen, wird sich die männlich dominierte Zusammensetzung der professionellen CoD-Teams niemals ändern.

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Aus Call of Duty: Ghosts

Ashurst meint, sie habe zumindest die erste Hürde überwunden: Inzwischen wird sie als Spielerin respektiert, doch das hat sehr lange gedauert. „Es ist hart für Neulinge", sagt sie, „aber für mich ist es nicht mehr so schlimm, denn ich habe darum gekämpft, ernstgenommen zu werden."

Call of Duty ist eine unaufhaltsame Maschine. Es ist ein Produkt, dass so gleißend hell am Spielehimmel leuchtet, dass sogar Wochenendzocker und Nicht-Fans davon ein wenig geblendet werden. Es ist eines der größten Spiele-Franchises der Geschichte—und somit eigentlich in der perfekten Position, eine neue Generation des Gaming mit gegenseitigem Respekt einzuläuten.

Ob es durch mehr Frauenturniere oder einfach durch die Förderung von weniger schadhafter Online-Interaktion geschieht, jegliche Entwicklung in der CoD-Community, die zu mehr Spielern führt, kann für sie und die gesamte eSports-Welt nur positiv sein. Vielleicht bräuchte es nur ein paar wenige engagierte und aufgeschlossene Seelen, um eine ganzen Haufen Frauen dazu zu inspirieren, ihre Controller in die Hand zu nehmen und alles zu ownen, was nicht bei drei auf'm Baum ist—oder zumindest ein paar kranke No-Scope-Headshots zu landen.

Wir fahren auf den Scheiß nämlich genauso ab wie Menschen mit Hoden.