FYI.

This story is over 5 years old.

Stuff

Während wir Weihnachten feiern, müssen diese Menschen arbeiten

Wir haben nachgefragt, wie an Weihnachten Nachrichten gemacht werden, wer die Busse fährt, Flugzeuge fliegt und ob Feuerwehr, Rettung und Polizei mit mehr Wahnsinnigen zu tun haben als sonst.
Foto: VICE Media

Hier noch mehr Gedanken, die wir uns dieses Jahr über Weihnachten gemacht haben: #Weihnachten2014

Damit wir an Weihnachten alle nach Hause fahren, mit unseren Eltern vor dem Weihnachtsbaum Lieder singen und viel zu viel essen können, müssen an den Weihnachtsfeiertagen andere Leute arbeiten. Für den Fall, dass der Weihnachtsbaum zu brennen beginnt, uns ein Stück Krautwickel im Hals stecken bleibt, oder wir Scheidungskinder von einem Elternteil zum anderen müssen—weil, würde man zusammen feiern, zwar Taxi- und Öffi-Fahrer oder Piloten nicht arbeiten müssten, dafür aber die Wahrscheinlichkeit hoch wäre, dass sich irgendwann Feuerwehr, Rettung und Polizei in die gemütliche Runde gesellen müssten.

Anzeige

Aber so geschieden die Eltern sind, so anstrengend die Verwandten und so fremd das alte Zuhause, an Weihnachten heim zu fahren, hat doch immer etwas Besonderes. Jedenfalls für die von uns, die es überhaupt feiern können (und die, die nicht gerade an diesem Tag Geburtstag haben). Ich habe mich ein wenig bei denen umgehört, die Weihnachten in der Arbeit verbringen, während wir vor dem Kamin das 20. Linzerauge auf das Sofa bröseln und zum 42. Mal unter einer Kuscheldecke die selben alten Kinderfotos anschauen. (Mama, wieso hast du mir erlaubt, weiße Buffalos zu besitzen?)

RETTUNG

Da die Berufsrettung Wien die einzige Berufsrettung in Österreich ist und keine Freiwilligen bei ihr arbeiten, wird der Dienst hier—im Gegensatz zu privat geführten Rettungsorganisationen—ganz normal eingeteilt. Und auch der größte Teil der Einsätze ändert sich an Weihnachten nicht. Die Menschen sind auch an Weihnachten leichtsinnig und Schlaganfälle oder Herzinfarkte kommen trotz exzessivem Kekskonsum gleich oft vor. Was aber hinzukommt, ist ein geringer Anstieg von Rauchgasvergiftungen (siehe Feuerwehr), Suiziden und deren Ankündigungen, die aber während der ganzen Adventszeit etwas höher sind.

Im Gegensatz zu Weihnachten stockt die Rettung an Silvester aber auf. An normalen Tagen fährt sie 600 bis 800 Einsätze, an Silvester sind es circa 1000. Die Gründe liegen auf der Hand: betrunkene Menschen, die mit ihren Autos an Orte fahren, an denen sie Dinge anzünden und explodieren lassen können. Schlechteste Kombination seit Lugner und Spatzi.

Anzeige

VERKÄUFER IM TÜRKISCHEN SUPERMARKT

Nein, Muslime feiern keine Weihnachten. Zumindest nicht offiziell. Wenn man aber schon ein paar Jahrzehnte in Österreich lebt und schon im Oktober überall Weihnachtslieder hört und Weihnachtsfilme sieht, dann kommen einige von ihnen nicht drumherum, auch in die Stimmung zu kommen, die sich generell um diese Zeit ausbreitet—Stress, Wut und an Weihnachten selbst dann reine Glückseligkeit. Weil an Weihnachten niemand um 20:00 Uhr einkaufen geht, hat es wenig Sinn, alleine im Laden zu sitzen und auf volle Regale zu schauen. Der Verkäufer im Laden Diehlgasse, Ecke Siebenbrunnengasse, erzählt, dass er abends dann einfach etwas mit Freunden macht, nachdem selbst die Leute mit Einkaufsnotfällen bis zum frühen Abend alles besorgt haben.

CALLCENTER-MITARBEITER

Steffi Sargnagel, unsere liebste Callcenter-Mitarbeiterin, ist derzeit zwar in Bildungskarenz, hat aber in den letzten Jahren einige Male an Weihnachten gearbeitet. Im Gegensatz zu Telefon-Seelsorge-Hotlines ruft bei der Auskunft, bei der Steffi gearbeitet hat, niemand an, dem es schlecht geht, weil es ihm nur noch schlechter geht, wenn er danach auf die Telefonrechnung sieht. Am Weihnachtsabend braucht die Auskunft keiner, deswegen wird es dann richtig still (besinnlich). Dafür hat man dann, dank weihnachtlicher Besinnlichkeit, auch nicht Anrufe wie diesen:

„Rufnummernauskunft, Stefanie Sargnagel, was kann ich für Sie tun?"
„Guten Tag, ich hätte gerne die Nummer von Dr. Martin Waltz, Herzspezialist in München. Man schreibt ihn wie den Schauspieler."
„Hm … Ich finde den nicht. Weder im Internet, noch im Telefonbuch. Hat er eine Praxis?"
„Ja, das ist ein Professor."
„OK. Und Waltz mit ,tz' wie der Schauspieler?"
„Genau. Vielleicht heißt er auch Markus Waltz. Es ist der Bruder von Christoph Waltz."
„Hm. OK. Also ich finde da einfach nichts."
„Dann geben Sie mir bitte den Christoph Waltz, dann frag ich den."
„Ähm, Die meinen den Oscarpreisträger und international bekannten Schauspieler? Dessen Nummer habe ich nicht."
„Aber ich kenne ihn. Geben Sie sie mir einfach. Ich kenn ihn von der Kindheit. Ich war fast mit ihm im Kindergarten …"
„Na ja, nur weil sie FAST MIT IHM IM KINDERGARTEN waren, habe ich trotzdem keinen Zugriff auf Privatnummern von Hollywood-Stars."
„Dann stellen's mich durch und fragen's ob er mich noch kennt. Durchstellen kann man ja."
„Nein, leider … so einfach is das nicht."
„Jetzt stellen Sie mich doch durch, ich hab seiner Mutter mal das Leben gerettet!!!"
„Also Sie glauben, ich KANN Sie durchstellen, möchte das aber nicht?"
„Ja, das kommt mir jetzt schön langsam so vor, jetzt stellen Sie mich durch!"

Anzeige

POLIZEI

Foto: VICE Media

Manche mögen vielleicht denken, dass bei der Polizei an Weihnachten mit Keksformen ausgestochene Donuts gegessen werden und sich vor einem—dank der Ausgaben für die Einsätze rund um Pizzeria Anarchia, Akademikerball oder Identitären-Demonstration—sehr, sehr kleinen Weihnachtsbaum Geschichten von den größten Fehltritten des Jahres erzählt werden.

Tatsächlich wird bei der Polizei aber auch an Weihnachten ganz normal gearbeitet, was jetzt auch nicht wirklich überrascht. Praktisch und sehr österreichisch ist, dass Polizisten im Streifendienst schon Jahre im Voraus wissen, in welchen Jahren sie an Weihnachten arbeiten müssen. Das Sechser-Rad, wie es dort intern heißt, plant die Dienste bis in die Unendlichkeit vor, was sehr deprimierend, aber eben auch nützlich sein kann. So kann intern noch getauscht werden, wenn man weiß, dass die gnä' Frau daheim für das nächste Jahr ein Baby geplant hat, während der andere Kollege weiß, dass die Kinder 2020 schon ausgezogen sein werden und er dann sicher nicht mit der Frau alleine feiern will. Ein weihnachtliches Geben und Nehmen ist das. Laut Polizeisprecher Patrick Maierhofer, der mir geduldig 15 Minuten lang erklärt, wie dieses Sechser-Rad funktioniert (Montag Tagdienst, Dienstag Nachtdienst, Mittwoch frei, Donnerstag wieder Tagdienst, Sonntag nur Halbgruppen im Dienst, alle sechs Wochen ein langes Wochenende) gibt es sogar zu jedem Weihnachten sehr viele Freiwillige, die denen, die mit ihrer Familie feiern möchten, den Dienst abnehmen.

Anzeige

Viel anderes passiert an Weihnachten nicht, außer dass es eventuell mehr Unterstützungseinsätze für die Feuerwehr gibt, weil manchmal ein Baum zu brennen beginnt (siehe Feuerwehr). Das ist laut Maierhofer ein „typischer Weihnachtseinsatz".

FEUERWEHR

Die Theorie des „typischen Weihnachtseinsatzes" wird bei der Feuerwehr etwas widerlegt. Auch hier ist Weihnachten kein Feiertag. Wer Pech hat, wird eingeteilt. Es gibt in den Feiertagen zwar mehr Selbstmordankündigen und dass ein Baum im Wohnzimmer brennt, passiert unterm Jahr auch eher selten, aber viel mehr Einsätze gibt es auch an Weihnachten nicht. Vor allem ist das mit den Baumbränden an Weihnachten eher nicht wirklich wahr, weil frische Bäume nicht so gut brennen, wie die, die schon ein bisschen länger, tot und nicht mehr ganz grün in der Wohnung stehen.

ÖFFI-FAHRER

Foto von: andynash via photopin cc

Bis auf die Scheidungskinder, die von Feier Mama zu Feier Papa fahren, sind am Weihnachtsabend nur wenige Menschen unterwegs und somit auch weniger Busse, Straßen- und U-Bahnen. Während an normalen Abenden mehr als 4.000 Fahrer im Einsatz sind, sind es an Weihnachten nur circa 1.400 (dafür wird an Silvester aufgestockt und mit allem gefahren, was geht). Zwar gibt es einen Dienstplan (duh), aber auch bei den Wiener Linien kann intern getauscht werden und es kommt nicht selten vor, dass die Fahrer gerne an Weihnachten unterwegs sind, weil es häufig vorkommt, dass sich (vor allem ältere) Leute bedanken oder sogar extra Kekse für die Fahrer backen.

Anzeige

JOURNALISTEN

Illustration: VICE Media

Bei Journalisten lässt es sich schwer verallgemeinern, wie Weihnachten abläuft, weil jede Redaktion vermutlich ihre eigene Methode hat. Da VICE kein Medium ist, das innerhalb von zwei Minuten eine Nachrichtenmeldung dazu übernehmen muss, wenn an Weihnachten um 22:00 Uhr ein Komet Sibirien streift, ist unser Weihnachtsabend also eher wenig von Arbeit geprägt (es sei denn, es gibt einen Identitären-Aufmarsch oder eine Wohnungsräumung, aber das passiert zum Glück auch nicht allzu oft unangekündigt). Beim ORF—der in allen Belangen stellvertretend für die österreichische Bevölkerung steht—funktioniert das Ganze so: Die ZiB 1 ist abgesehen von der ZiB 20 die letzte Hauptsendung. Die Redaktionen sind wie am Wochenende besetzt und Sendungen werden bis zum Nachmittag normal ganz gemacht. Dann gibt es Kekse und Umarmungen und fast jeder geht nach Hause. Nur eine Person bleibt im Newsroom:

Der sogenannte Monitoring-Platz ist 24 Stunden am Tag besetzt. Hier wird jeden Tag im Jahr und jede Sekunde im Leben des ORF die Nachrichtenlage überwacht. Dieser Platz hat eine Alarmfunktion. Stirbt also mitten in der Nacht der russische Präsident unter mysteriösen Umständen, löst die Person, die als einzige im Newsroom sitzt, den Alarmplan aus. Dieser Plan wird schon im Vorhinein festgelegt. Es gibt Zuständige für die verschiedenen Ressorts, stirbt also der russische Präsident, kommt der, der an diesem Abend für Außenpolitik eingeteilt wurde. Stirbt der russische Präsident bei einem Besuch in Wien, kommt eventuell noch der für Innenpolik Eingeteilte dazu. Stirbt er bei einer Vorführung von Tschaikowskys Schwanensee, der für Kultur, und so weiter. Dazu wird noch die Regie verständigt und dann ein Beitrag zusammengebastelt. Passiert an Weihnachten nichts, dann bleibt es am Monitoring-Platz ruhig und einsam, mit vereinzelten Besuchen vom Nachtwächter. Am 25. kommen dann um circa 7:00 Uhr die Redakteure wieder, um die ZiB 9 vorzubereiten.

Anzeige

PILOTEN

Mein Bruder (mit Beatles-Frisur) und ich (mit John Lennon-Brille) auf der Eckbank meiner Oma.

Als ich klein war, haben meine Mutter, mein Bruder, mein Vater und ich einmal Weihnachten in einem Hotel in Freising verbracht. Ich kann mich, im Gegensatz zu vielen anderen Weihnachten, noch ganz genau daran erinnern. Mein Bruder und ich haben Armbanduhren geschenkt bekommen, wir hatten keinen Weihnachtsbaum, aber auf den wird in meiner Familie sowieso nie wirklich Wert gelegt, seit wir nicht mehr bei den Eltern meines Vaters feiern. Früh am nächsten Morgen ist mein Papa, der Pilot ist, nach Frankfurt geflogen.

Die Mehrheit der Piloten ist an Weihnachten unterwegs. Fliegen muss der, der dafür eingeteilt wird. Es gibt zwar eine „Gerechtigkeitsliste", also ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man nicht drei Weihnachten hintereinander fliegen muss, wenn man es nicht gerade unbedingt möchte. Scheiße ist, wenn man an Weihnachten für den Bereitschaftsdienst eingeteilt ist. Abgesehen von der Tatsache, dass man nichts trinken darf, kann es jeden Moment sein, dass man angerufen wird und fliegen muss, wohin man beordert wird.

Kurzstreckenflüge sind am Weihnachtsabend und den folgenen Tagen zwar weniger unterwegs, der Flugverkehr ist an diesen Tagen etwas eingeschränkt, bei Langstreckenflügen muss die Crew aber auch mal vier Tage am anderen Ende der Welt verbringen oder in drei Tagen Frankfurt, Buenos Aires, Santiago de Chile, Santiago, Buenos Aires, Frankfurt fliegen und ist auch da mehrere Tage unterwegs. Als ich noch klein war, ist mein Vater manchmal mehrere Wochen geflogen. Heute ist das für Piloten zum Glück ein bisschen harmloser, weil die Flugfrequenzen höher sind und mein Papa ist mittlerweile in Pension, also wird Weihnachten zusammen gefeiert.

Hanna ist auch auf Twitter: @hhumorlos