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Sex

4 Dinge, die wir von 'Temptation Island' über heterosexuelle Paare lernen können

In der RTL-Show wollen Paare herausfinden, ob ihre bessere Hälfte sie betrügen würde. Und das guckt sich noch schlimmer, als es klingt.
Eine Kandidatin aus 'Temptation Island' weint, während andere feiern
Collage: VICE | Fotos: TVNOW

Bauer sucht Frau. Mann sucht Schwiegertochter für seine Mutter. Frau mit Rose sucht Mann. Mann mit Rose sucht Frau. Männer und Frauen suchen sich gegenseitig nackt auf einer Insel. Männer und Frauen suchen sich gegenseitig nackt auf einer Insel und manche von ihnen haben einen Wikipedia-Eintrag. Wenn ein deutscher Privatsender seit Jahren Quote mit liebeshungrigen Menschen macht, dann RTL. Weil sich die Formatideen mit Menschen auf der Suche nach der großen Liebe aber langsam erschöpft hat, ist der Sender jetzt einen Schritt weiter gegangen: Mit Temptation Island versucht RTL jeden Sonntagabend ganz aktiv, bereits existierende Beziehungen zu zerstören.

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Vier heterosexuelle Paare ziehen für zwei Wochen getrennt voneinander in Luxusvillen ein und werden dort von Single-Männern und Single-Frauen umworben. Warum irgendjemand sich dem Risiko aussetzen sollte, vor Millionen Fernsehzuschauenden betrogen zu werden? Keine Ahnung. Tatsächlich können wir anhand dieses Formats aber so einiges über Liebe und ihre Abgründe erfahren.

Wenn deine Beziehung kein menschenverachtendes RTL-Format überlebt, ist es keine Liebe

In erster Linie will Temptation Island ein großes Experiment sein. Ein Experiment, in dessen Rahmen "glückliche" Paare testen wollen, wie glücklich sie wirklich sind. Das kann man sicherlich auch auf anderem Wege herausfinden, als sich für zwei Wochen mit jeder Menge Instagram- und Fitness-Models und sehr viel Alkohol in einer Villa einzusperren und 24/7 filmen zu lassen. Wir leben aber in einer Zeit der Extreme, auch Liebe ist eine Competition und wenn die eigene Beziehung nicht dem RTL'schen Maximalterror standhält – ist sie dann überhaupt etwas wert?

Insbesondere die teilnehmenden Männer scheinen in Anbetracht des fleischlichen Angebots geradezu paralysiert. Einerseits wollen sie keine langweiligen Spaßverderber sein, andererseits auch nicht die halbjährige Beziehung aufs Spiel setzen, nur weil eine Micro-Influencerin sie beim Planschen im Pool ein bisschen zu aufreizend angelächelt hat.


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Offen ist auch nach Folge vier noch, was überhaupt die Motivation sein sollte, bei diesem Format mitzumachen. Es gibt kein Preisgeld, keine exotische Traumreise, nichts. Wer bei Temptation Island seine Beziehung aufs Spiel setzt, kann eigentlich nur eines gewinnen: Instagram-Followerinnen und -Follower.

"Ist schon krank, ne?", fragt der vergebene Salvatore einen seiner Mitstreiter. RTL schaffe mit Musik und "Alkohol ohne Ende" eine Atmosphäre, in der er sich plötzlich so einiges vorstellen könne. "Guck mal, auch das Zimmer hier", sagt er und zeigt auf das Bett. "Klar würde ich hier jemanden drauf ballern." Noch hat er es nicht getan. Ist das Liebe? Oder doch eher der Tatsache geschuldet, dass Salvatore sogar den ungebundenen "Verführerinnen" ein bisschen zu schmierlappig ist?

Es ist gut, wenn die bessere Hälfte nicht alles weiß

Nach den ersten vier Folgen scheint es eher unwahrscheinlich, dass es tatsächlich zu Sex zwischen den Vergebenen und Singles kommt. Ab und an wird sich zwar verschämt berührt, in den Gesprächen zwischen Vergebenen und Singles geht es dann aber doch meistens darum, was die Freundin oder der Freund wohl gerade in der anderen Villa tut.

Es muss allerdings auch gar nicht wirklich jemand der "Temptation" erliegen, damit das Format funktioniert. Temptation Island zeigt nämlich vor allem eines: Wenn man nur lange genug die Kamera draufhält, tut jede oder jeder irgendwann etwas, das den Partner oder die Partnerin verletzt.

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Christina und James lassen die feucht-fröhliche Party in der Frauen-Villa hinter sich, um in Ruhe zu rauchen? Verdächtig. Lisa sagt zu Mark-Forster-Verschnitt Oliver, dass sie noch nie so ein lustiges Date hatte? Die stoisch-entspannte Fassade von ihrem Freund Janis beginnt ernsthaft zu bröckeln. Beides lässt sich recht einfach erklären. Manchmal braucht man eben ein bisschen Ruhe von einer lauten Feier und freut sich, wenn man nicht alleine am Rand sitzen muss – wie Christina. Lisa hatte mit ihrem Janis sicherlich ebenfalls unterhaltsame Dates, aber wahrscheinlich keine, bei denen sie von einer eigentlich wildfremden Person am Strand massiert wurde, während ihr RTL eine Kamera ins Gesicht gehalten hat. Natürlich ist das absurder oder eben "lustiger" als ein romantisches Essen mit dem Typen, mit dem man seit Jahren zusammen ist. Es klingt beiläufig dahingesagt nur eben so, als würde sich Lisa mit ihrem Janis zu Tode langweilen. Und RTL weiß das.

Paare sind unglaublich belastend

Wer schon einmal die einzige Single-Person im erweiterten Freundeskreis war, weiß, wie unerträglich gute Bekannte plötzlich werden, wenn sie verliebt sind. Das "Ich", das man kennen und platonisch zu lieben gelernt hat, ist plötzlich einem seltsam selbstbezogenen "Wir" gewichen. Und wer hofft, dass Stress in der Beziehung dazu führt, dass der oder die Vergebene nicht mehr ständig über die bessere Hälfte spricht, täuscht sich natürlich gewaltig. Deswegen ist Temptation Island jede belastende Unterhaltung, die man jemals mit einer oder einem vergebenen Bekannten hatte, mal tausend. Das dürften sich vor allem die "Verführerinnen" anders vorgestellt haben.

Statt sich in tropischer Kulisse und bei 5 bis 15 alkoholhaltigen Getränken zwanglos näherzukommen, liegen die Girls mit maximal gelangweiltem Gesichtsausdruck auf Pool-Liegen, während das Objekt ihrer Begierde darüber spricht, was seine Freundin wohl gerade tut. Oder warum das, was die Freundin bereits getan hat, total unfair ist. Oder warum der Typ, mit dem die Freundin was total Unfaires getan hat (zum Beispiel: rauchen), sowieso ein richtiger Volltrottel ist.

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Single Anastasiya und der vergebene Salvatore flirten am Pool | Foto: TVNOW

Salvatore beispielsweise hält einer der Single-Ladys einen sehr langen Vortrag darüber, welche Fehler seine Noch-Freundin in Beziehungen macht. Der Typ, mit dem seine Christina gerade in der Frauen-Villa bonde, sei im Endeffekt genau wie er, nur "in fett und dumm". Seinen Monolog schließt er, ganz unironisch, mit einem: "Die fällt halt immer auf so Idioten rein!"

Nichts daran ist sexy, nichts daran macht Spaß, und wenn RTL nicht Unmengen an Alkohol bereitstellen würde, hätte sich der Großteil der Single-Damen wohl schon an Tag zwei geweigert, überhaupt noch mit den vergebenen Männern ins Gespräch zu kommen.

Was den Herren wiederum noch mehr Raum geben würde, einsam Gewichte zu heben und laut darüber nachzudenken, was sie eigentlich gerade fühlen. "Wenn ich meine Freundin jetzt sehen würde, dann … könnte mich niemand aufhalten, dass ich zu ihr laufen würde", sagt beispielsweise Fabian, der seine Ziania schon nach wenigen Tagen ganz schrecklich zu vermissen scheint. Denn: "Wenn ich etwas will, dann kann es schon mal sein, dass ich Gefühle zeige." Cool Story, Bro.

Die größte Gefahr für jede Beziehung ist der "Kumpeltyp"

Es gibt Menschen, die glauben, dass Männer und Frauen nicht einfach befreundet sein können. Dass es von einer Seite aus immer ein sexuelles Interesse gibt. Und weil Frauen eine zwischenmenschliche Wertigkeit abseits jeder Sexualität in aller Regel eher abgesprochen wird als Männern, wurde der Begriff der "Friendzone" erfunden. Beruhend auf dem Klischee des armen, armen gebeutelten Typen, der eigentlich nur mit einer Frau befreundet ist, weil er darauf hofft, sie irgendwann flachlegen zu können. Somit wird jeder platonische Bekannte zum potenziellen Konkurrenten.

Was gedanklich in eine Richtung funktioniert, lässt sich auch in die andere Richtung übertragen. Wenn Männer nur mit Frauen befreundet sind, weil sie sie flachlegen wollen, liegt nahe, dass auch der Weg ins Bett eines vergebenen Mannes über eine Freundschaft führt. Die Single-Frauen bei Temptation Island haben sich aus dieser fragwürdigen These eine knallharte Flirt-Strategie zurechtgelegt.

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"An die Männer, die glauben, dass sie noch so verliebt sind, schleich ich mich ran als Kumpel. Und dann knack ich die", sagt eine der Verführerinnen. Die hat bisher zwar noch niemanden "geknackt", aber in nur zwei Wochen Inselaufenthalt eine kumpelhafte Freundschaft aufzubauen, ist auch ein ziemlich sportliches Ziel. Mit ihrer Taktik ist sie trotzdem nicht allein. "Ich bin nicht nur eine Sexbombe, sondern auch ein Kumpeltyp", bestätigt eine andere. "Und das ist auf jeden Fall eine tödliche Mischung für alle vergebenen Frauen."

Jeder hat seine zugewiesene Rollen. Die Männer sind direkt, sportlich, ein bisschen dumm und leicht manipulierbar, aber ehrlich. Die Frauen hingegen kompliziert, überemotional und eben ganz anders. Frauen und Männer, das passt eigentlich gar nicht.

Im Kern entblößen diese Aussagen nur die Prämissen, auf denen nicht nur durch Temptation Island, sondern eigentlich alle Dating-Formate auf RTL beruhen: Jeder hat seine zugewiesene Rollen. Die Männer sind direkt, sportlich, ein bisschen dumm und leicht manipulierbar, aber ehrlich. Die Frauen hingegen kompliziert, überemotional und eben ganz anders. Frauen und Männer, das passt eigentlich gar nicht. Deswegen wird der sexy "Kumpeltyp" als ultimative Strategie gesehen, um einen Keil zwischen die Paare zu treiben. Denn wer heiß und unkompliziert zugleich ist, scheint ungleich attraktiver als jede realexistierende Freundin. Die hat schließlich eigene Gefühle und Bedürfnisse.

Dass jeder Mensch mehr ist als sein Geschlecht oder sein Aussehen, das dürfte eigentlich allen bewusst sein. Auch denen, die sich für Temptation Island als durchtriebene Sexbomben ohne jeden moralischen Kompass casten lassen. Aber das hier ist eben keine vielschichtige Sozialdoku oder der ernsthafte Versuch, Vertrauen und Grenzen in Beziehungen zu durchleuchten, sondern eine Unterhaltungssendung auf RTL. Oder um es mit Salvatore zu sagen: "Ist schon krank, ne?"

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