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Wahlen in Russland

Was Putin-Unterstützer über die Schweiz denken

Am Sonntag, 18. März, wählt Russland einen neuen Präsidenten. Spoiler: Putin wird aller Voraussicht als Sieger seine 4. Amtszeit antreten.
Alle Fotos zur Verfügung gestellt

Am Sonntag wählt Russland einen neuen Präsidenten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird erneut Vladimir Putin als Sieger aus der Wahl hervorgehen. Aus Schweizer Warte können wir uns zurücklehnen und bei der gefühlt 500. Episode von einem Polit-Drama, das ich gerne "Keeping up with the American-Russian-Conflict" nennen würde, zusehen. "In Amerika brichst du das Gesetz, in Sowjet-Russland bricht das Gesetz dich" – die Tatsache, dass diese Art von Witz ihren eigenen Wikipedia-Eintrag erhalten hat ("Russian Reverse"), zeigt, dass der Westen die Russen gerne als amüsant wahrnimmt. Dass es bei dem Witz um buchstäbliches Brechen von Knochen geht, zeigt aber auch, dass das Bild von Russland gerne mit einer gewissen Aggression verknüpft wird. Doch eine Distanz von etwa 5.700 Kilometern ist genug, um sich als Schweizer um Russland und seine Geopolitik nicht ernsthafte Sorgen zu machen.

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Neutral wie wir Schweizer sind, sehen wir uns gerne weder im Team Russland noch im Team Amerika. Obwohl Tatsachen wie die, dass eine amerikanische Burgerkette nach eigenen Angaben das beliebteste Restaurant der Schweiz ist, schon eine gewisse Amerika-Nähe suggeriert. Aber auch wir finden vieles suboptimal (um bei einem neutralen Begriff zu bleiben), was Trump im Oval Office entscheidet. Gleichzeitig schätzt die SVP, die Partei mit dem höchsten Wähleranteil in der Schweiz, traditionelle Familienwerte und verabscheut die NATO beinahe so fest, wie es Putin tut. Wir haben uns gefragt, ob die Schweiz vielleicht mehr mit Team Russland gemeinsam hat, als bisher angenommen, und haben bei Putin-Unterstützern in der Schweiz nachgefragt.

Elvira, 48

ZVG

VICE: Was ist im – Vergleich zu Russland – das beste daran, in der Schweiz zu leben?
Elvira: Das Wetter, das Klima, die Sauberkeit, die Berge. Die Schweiz ist zentral gelegen, was gut ist, um andere Länder zu bereisen. Ich kam aus Finnland in die Schweiz und dachte die ersten drei Jahre hier, die Schweiz sei ein Paradies. Nach einigen Jahren sehe ich, dass es auch viele Minuspunkte gibt.

Über welche Minuspunkte sprechen Sie hier?
Die Schweiz konzentriert sich zu sehr auf homosexuelle Leute und zu wenig auf normale Familien. Ich habe auch schwule Freunde und bin nicht gegen Homosexualität. Für normale Leute gibt es im Moment weniger Aufmerksamkeit und Interesse als für diese kleinen Gruppierungen. Ich finde, die werden bevorzugt, das ist Propaganda.

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Konservative Parteien in der Schweiz wünschen sich auch mehr Nähe zum Durchschnittsbürger. Denken Sie, diese sind näher an der Russland-Politik?
Nein, das denke ich nicht. Politiker in der Schweiz sind total anders. Das Einzige, was in der Politik gleich ist: Wir möchten keine Kriege. Wir wollen ohne Krieg friedlich zusammenleben. Wir Russen sind keine Rassisten, wir wollen keine Grenzen. Wir nehmen die Welt global wahr.

In der globalen Welt herrscht aber eher ein negatives Bild von Putin. Wieso ist das so?
Die westliche Medienwelt wird kontrolliert, deswegen sind Zeitungen und Schweizer gegen Russland und von der amerikanischen Sicht geprägt. Deutschland und die Schweiz stehen beide auf der amerikanischen Seite. Es wird vermittelt, dass in Amerika alles schön und perfekt sei und von Russland wird ein negatives Bild gezeichnet.

Zarema, 48

ZVG

VICE: Welche Vorteile bietet Ihnen das Leben in der Schweiz?
Zarema: Es gibt zum Beispiel im Vergleich zu Russland weniger Bürokratie. Jeder führt seine Funktion ohne Diskussion aus. Wenn ich einen Stempel brauche, bekomme ich den sofort. In Russland ist das manchmal ein bisschen schwerer.

Das klingt schon einmal nicht schlecht. Aber was könnte die Schweiz denn besser machen?
Ich finde, die Schweiz ist zu pro-amerikanisch. Zum Beispiel in Zusammenhang mit den Banken. Die Amerikaner drücken gerne an der Meinung herum und die Schweiz bleibt still.

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Wie ist denn das Bild von Putin und von Russland, das in der Schweiz dargestellt wird?
Es gibt die Zeitung NZZ, die ist komplett russo-phobisch. Die werden bezahlt, um das schlimmste Bild von Putin zu zeigen und in der Schweiz reagiert niemand.

Die NZZ wird bezahlt, um ein schlimmes Bild von Putin zu zeigen?
Ja, natürlich. Jeder zweite Artikel ist Putin-feindlich.

Was ist falsch am Bild, das die NZZ zeigt?
Die Leute konsumieren die Informationen oberflächlich und gehen nicht in die Tiefe. Sie sehen sich nicht die Geschichte an. Sie sagen: Die Krim gehörte immer der Ukraine und Putin hat sie genommen. Dabei war die Krim schon unser Leben lang Stützpunkt der russischen Marine. In der Schweiz wissen viele darüber nicht Bescheid.


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Ludmila, 53

ZVG

VICE: Wieso sind Sie in die Schweiz gekommen?
Ludmila: Wegen der Liebe und der Familie. Ich bin mit einem Schweizer verheiratet und schon seit rund 18 Jahren hier.

Was ist verglichen mit Russland das beste daran, in der Schweiz zu leben?
Die Berge! Und die Lage ist gut, um Ferien zu machen. Die Schweizer sind verschlossene Menschen, es ist schwierig zu ihnen durchzudringen. Aber wenn du es schaffst, sind sie gute Freunde.

Wenn wir aber Politik ansprechen: Siehst du Gemeinsamkeiten zwischen Russland und der Schweiz?
Nun, Alexander der Erste setzte sich beim Wiener Kongress 1815 dafür ein, dass die Neutralität der Schweiz anerkannt wurde. Der Zar leistete damals grosse Hilfe. Die Helfer-Mentalität ist typisch russisch, diese sehe ich aber auch in der Schweiz zum Beispiel mit dem Roten Kreuz.

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Trotz den Gemeinsamkeiten gibt es auch Unterschiede, zum Beispiel im Umgang mit LGBTQs. Was halten Sie von Putins Politik bei diesem Thema?
Putin hat nie etwas gegen Schwule gesagt, er hat sich nie gegen Homosexualität ausgesprochen. Das einzige, was verboten ist, ist die Propaganda dafür. Putins Politik ist, jeder Mensch kann leben, wie er will. Aber man darf nicht dafür Werbung machen.

Ist denn das Bild, das in der Schweiz von Putin vermittelt wird, falsch?
Ja! Die Medien arbeiten gegen uns. Putin wird zum Beispiel im Schweizer Fernsehen als böse dargestellt. Er ist aber der einzige Leader, den ich mir vorstellen kann. Ich sehe keine Alternative. Es wird kaum gesagt, was gut läuft: so wird viel in die Bildung investiert, gesunde Lebensweise und Sport gefördert und es gibt zahlreiche Sportangebote, die gratis zur Verfügung stehen.

Tatjana, 35

ZVG

VICE: Wieso sind Sie in die Schweiz gekommen?
Tatjana: Ich habe vorher in Deutschland gelebt und bin berufsbedingt in die Schweiz gekommen.

Was gefällt Ihnen an der Schweiz?
Die Natur hat mich gefesselt. Ich bin oft in den Bergen unterwegs. Was das Politische betrifft, so gefällt mir, dass die Schweiz nicht in der EU ist und dass es darüber eine Volksabstimmung gab. Ich finde grundsätzlich die direkte Demokratie gut – wenn das Volk über wichtige politische Fragen mitentscheiden kann.

Eher konservative Parteien finden es auch gut, dass die Schweiz nicht in der EU ist. Gibt es dafür andere Bereiche, wo die Schweiz Ihrer Meinung nach zu liberal handelt?
Die Frühsexualisierung, wie sie in der Schweiz stattfindet, finde ich nicht gut. Ausserdem scheint mir die Schweiz unter zu starkem Einfluss der EU und allen voran der USA zu stehen. Man kennt so einige Beispiele, wo sich die Schweiz dem Druck von aussen gebeugt hat. Zum Beispiel beim Bankgeheimnis oder der Geschichte mit Sepp Blatter. Bei einigen Fällen konnte man sogar deutlich erkennen, dass das Schweizer Rechtssystem im Grunde der US-Gerichtsbarkeit unterstellt ist.

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Gibt es in der Schweizer Politik Ähnlichkeiten zur Russischen?
Dank der direkten Demokratie ist die Schweizer Bevölkerung unmittelbar in die Politik involviert. So werden bestimmte politische Entscheidung auf Grundlage von Abstimmungen getroffen. Man agiert also im Interesse des Volkes. In Russland ist das Putin, der im Interesse des Volkes agiert. Klar, gibt es auf der innenpolitischen Ebene einige Problemzonen. Fakt ist aber, dass sich während seiner Regierungszeit die Lebensqualität der Bevölkerung, gesamthaft betrachtet, deutlich verbessert hat.

Wie Putin handelt, kommt gerade im Westen nicht immer gut an. Wieso denken Sie, hat der Westen ein negatives Bild von Putin?
In den 90er-Jahren unter Jelzin wurde nicht so gegen Russland gehetzt, da das Land damals leichter zu kontrollieren war und ganz im Sinne der westlichen "Partner" agierte. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden viele grosse Staatsbetriebe privatisiert. Die erwirtschafteten Gewinne flossen in den Westen, während die Bevölkerung ums Überleben kämpfte. Putin stoppte diesen Raubzug und befreite Russland aus dem Status eines Vasallenstaates. Er setzt sich für die Interessen seines Landes ein und das passt dem Westen nicht ins Bild. Also werden die Medien herbeigezogen, um das entsprechende Bild zu vermitteln. Es grenzt schon an Absurdität, zu behaupten, Russland sei der Aggressor, während die NATO, angeführt von den USA, in den letzten Jahrzehnten zu einem Angriffspakt mutierte und für zigtausend Opfer verantwortlich ist. Russland ist stets um diplomatische Lösungen und Deeskalationen bemüht. Einige Länder scheinen aber auf einen Krieg aus zu sein. Russland will keinen Krieg. Das Land hatte im Zweiten Weltkrieg die meisten Tote zu verzeichnen. Dieser Krieg hat Generationen geprägt und sitzt noch tief im Bewusstsein der Bevölkerung. Schade, dass es im Westen kaum ein Medium gibt, das diese Sicht zeigen will.

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Andrei, 44

ZVG

VICE: Welche Vorteile bietet Ihnen das Leben in der Schweiz, das Sie in der ehemaligen Sowjetunion nicht hatten?
Andrei: Keine. Ich sehne mich nach der alten Sowjetunion zurück. Klar, das ist auch Nostalgie. Aber es gibt Dinge, die ich auch in der Schweiz sehen möchte. Wie zum Beispiel die Demokratie.

Sie finden, in der Schweiz herrscht keine Demokratie?
Heutzutage wird die Schweiz von verdeckten Kräften regiert. Ich kann zwei Monate im Voraus den Ausgang einer Abstimmung hervorsagen. Dazu muss ich die Gratiszeitung nicht einmal lesen, sondern nur deren Titel überfliegen. Da wird den Schweizern aufgezeigt: Wenn ihr so abstimmt, wird es gefährlich. Wenn ihr anders abstimmt, rosig. Aus Gründen wie diesen ist das für mich manipuliert.

Wer sind Ihrer Meinung nach diese Kräfte?
Ich kann es nur vermuten: Das sind finanziell mächtige Kräfte, versteckte Oligarchie. Um es umgangssprachlich zu formulieren: Die regieren die Schweiz und verbiegen die Welt nach ihrem Gusto.

Putin hat doch auch in den amerikanischen Wahlen mitgemischt?
Dafür habe ich bisher keine Beweise gesehen. Bisher bleibt es bei blossen Informationen von Amerikanern. Ich erachte das als Fake-News, als Lärm von Amerikanern. Als Techniker gibt es für mich kein Szenario, wie die angeblich stabilste Demokratie der Welt hätte manipuliert werden können.

Wie ist das Bild von Putin, das in der Schweiz dargestellt wird?
Ich ignoriere Schweizer Medien weitgehend. Dazu kann ich eine Anekdote aus der Zeit erzählen, als ich noch die NZZ abonniert hatte: Bei der Übernahme der Krim durch Russland gab es von Putin eine grosse Rede, bei der er vieles treffend formulierte und auf den Punkt brachte. Später erscheint in der NZZ am Sonntag ein massiv verkürzter Artikel, der Putins Aussagen aus dem Kontext riss, sodass sie aggressiv wirkten. Dann steht unten rechts, dass das eine abgekürzte Version seiner Rede war, die aus dem Englischen übersetzt wurde. Die Redaktion nimmt also eine verkürzte Version von Russlands Gegnern und übersetzt die ins Deutsche, um sie dem Schweizer Leser zu verkaufen. Dieses Informationsspiel hat kaum jemand wahrgenommen. Dass man sich als Leitmedium nicht einmal die Mühe macht, diese Rede aus dem Russischen zu übersetzen sehe ich als fiese Manipulation und de facto als Lüge. Sie ignorieren Schweizer Medien. Ist das nicht auch einseitig?
Ja schon, das ist auch schade. Der Artikel zur Krim war für mich der Auslöser, dass ich das NZZ-Abo nicht verlängert habe. Ich will solche Zeitungen nicht mehr unterstützen. Das ist einseitig, aber ich sehe keine Alternative. Mir fehlen ausgewogene Medien in der Schweiz. Folge VICE auf Facebook und Instagram.