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Gleichstellung

Die Debatte um die "Ehe für Alle" erklärt in 10 Tweets

Bam! Plötzlich ist der Wahlkampf da.
Foto: imago | Müller-Stauffenberg

"Ich tue mich schwer damit", sagte Merkel 2013 noch zu einem Studiogast, der sie fragte, warum er und sein Lebenspartner keine Kinder adoptieren dürften. "Ich bin unsicher, um das Kindeswohl", lautete ihre endgültige Antwort – ein weichgespültes Nein zur Ehe für Alle. Vier Jahre hat sich die Bundeskanzlerin anscheinend "Zeit genommen", ihre Unsicherheit zu überdenken – und plötzlich spricht sie anders über die Ehe für Alle. Oder liegt es daran, dass wieder Wahlkampf ist?

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Ganze 80 Prozent der Deutschen sind mittlerweile für die Gleichstellung der Ehe. Die Mehrheit war das wohl auch schon in den letzten Jahren. Doch Bundeskanzlerin Merkel wollte wohl der erzkonservativen Stammklientel der CDU nach der Atomwende und der Willkommenskultur nicht auch noch die "Homo-Ehe" zumuten. In den letzten Jahren blockierte die Union Gesetzesentwürfe zur Gleichstellung der Ehe.

Ihre Gegenstreiter haben die Ehe für Alle in den letzten Wochen jedoch zum entscheidenden Wahlkampfthema erklärt. Damit drängten sie Merkel in die Defensive und entfachten die Debatte neu. Und bam! Plötzlich ist der Wahlkampf da – und die Chancen stehen nicht schlecht, dass das Grundgesetz endlich ernstgenommen wird. Wir erklären euch die Debatte.

Merkel redet plötzlich von einer "Gewissensentscheidung"

Ein Live-Talk der Frauenzeitschrift Brigitte könnte in die Fernsehgeschichte eingehen. Am Montagabend war Angela Merkel zu Gast im Maxim-Gorki-Theater. Wie schon 2013 war es ein Zuschauer, der die Bundeskanzlerin auf das unliebsame Thema stieß. Diesmal fiel ihre Antwort jedoch anders aus: Erst erzählte sie von einem Kennenlernen mit einem lesbischen Pärchen, das sie ihre persönlichen Ansicht hat überdenken lassen. Dann sagte die Kanzlerin, sie wünsche sich eine Diskussion, die "eher in Richtung einer Gewissensentscheidung geht".

Das heißt in anderen Worten, dass die CDU-Chefin nach der Bundestagswahl ihre Abgeordneten von der Leine lassen möchte. Im Bundestag soll dann über die Ehe für Alle abgestimmt werden – ohne "Fraktionszwang", ohne den Druck, einer Parteilinie folgen zu müssen, sondern in Freiheit für die Abgeordneten, ihr Gewissen entscheiden zu lassen. Dass sich die Mehrheit aller Bundestagsabgeordneten für die Ehe für Alle aussprechen würde, gilt als unumstritten. Denn:

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Alle relevanten Parteien außer AfD und Union sind schon Befürworter der Ehe für Alle

Grüne, FDP und SPD erklärten sogar jüngst, nach der Bundestagswahl keinen Koalitionsvertrag zu unterschreiben, in dem nicht die Ehe für Alle festgeschrieben ist – was den Druck auf Merkel und die Union erhöhte. Und auch die Linke ist schon lange für die Ehe für Alle.

Vor zehn Tagen hatten zuerst die Grünen auf ihrem Parteitag beschlossen, die Ehe für Alle zur Koalitionsbedingung zu machen, FDP-Chef Christian Lindner folgte eine Woche später prompt mit derselben Bedingung – und schließlich schloss sich auch die SPD mit Kanzlerkandidat Martin Schulz der Ehe-für-Alle-Koalition an. Und jetzt auch noch die Union? Noch nicht ganz. Offiziell lehnt die Union die Ehe für Alle immer noch ab. Immerhin soll Merkel ihren angedeuteten Kurswechsel schon mit CSU-Chef Seehofer abgesprochen haben.

Merkels Kritiker sehen sie als Trittbrettfahrerin

"Ja, also ich habe natürlich zur Kenntnis genommen, wie das jetzt alle Parteien außer der Union und der AfD gesagt haben", sagte die Kanzlerin am Montag im Live-Talk der Brigitte. Dass die Bundeskanzlerin plötzlich einen Kurswechsel in Sachen Gleichstellung fährt, liegt wohl vor allem an dem Druck, den mögliche Koalitionspartner in der Bundestagswahl auf die Union ausüben. Oder warum sonst hat es solange gedauert, dass Angela Merkel ihre Position überdenkt?

Einer, der die Taktik der Kanzlerin erkannt hat, taktiert jetzt jedenfalls selbst geschickt:

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Martin Schulz will die Entscheidung noch diese Woche erzwingen

Der Bundestag wird sich am Freitag in die Sommerpause verabschieden. Danach kommt der Wahlkampf. Die SPD und Martin Schulz wollen sich von der Kanzlerin aber nicht lumpen lassen und fordern nach ihren blumigen Worten auch Taten. Martin Schulz kündigte an, dass die Ehe für Alle noch in dieser Woche beschlossen wird. Notfalls wolle man eine Abstimmung erzwingen, falls die Union nicht mitmache – was schon recht brisant wäre, da die SPD immerhin noch für drei Monate Koalitionspartner der CDU ist.

Der Druck auf Merkel kommt nicht nur von Seiten der SPD. Schon vorher hatten viele Bundestagsabgeordnete, die sich schon lange für die Ehe für Alle einsetzen, auf Merkels Worte reagiert. Volker Beck von den Grünen forderte sie beispielsweise auf, endlich die Abstimmung freizugeben. Vor zehn Tagen war es auch Beck, der seine Kollegen auf dem Parteitag "zwang", die Ehe für Alle zur Koalitionsbedingung zu machen, und damit Auslöser der ganzen Debatte ist.

Das queere Magazin 'Siegessäule' freut sich jedenfalls

Deutschland würde bei einem Erfolg das 14. Land in Europa sein, das die Ehe für Alle erlaubt

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