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Drogen

Die Berliner Polizei hat zwei weitere Koks-Taxifahrer hochgenommen

Wir haben andere Fahrer gefragt, ob sie jetzt Angst haben.
Hintergrund: imago | CHROMORANGE || Symbolbild: Grey Hutton || Montage: VICE

Sich in Großstädten ein Gramm Koks zu besorgen, ist nicht schwieriger als eine 4-Käse-Pizza zu bestellen. Einmal im Adressbuch des Handys auf einen Namen, der keinen Nachnamen hat, gedrückt, und "Jacob" oder "Friedrich", die selten nach Jacob oder Friedrich aussehen, stehen wenige Minuten später vor der Tür – natürlich völlig unauffällig immer drei Hausnummern weiter.

Doch seit dieser Woche gibt es zwei Koks-Taxifahrer weniger auf Berlins Straßen. Bei einer Razzia gegen Mitglieder einer arabischstämmigen Großfamilie in Berlin nahmen die Beamten zwei Männer fest, teilte die Staatsanwaltschaft via Twitter mit. Die beiden 19-Jährigen werden verdächtigt, einen Drogenlieferservice betrieben zu haben. Hochgenommen wurde ein Fahrzeug, das als Bunker diente, um von dort aus die Ware in die Stadtgebiete zu liefern. Laut Staatsanwaltschaft wurden 2,4 Kilo Cannabis im Auto gefunden und bei weiteren Einsätzen Luxusautos und eine große Summe an Bargeld beschlagnahmt.

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Auch bei VICE: So wurde ich ein internationaler Kokain-Kingpin


Um der Polizei nichts ins Netz zu gehen, verhalte man sich selbstverständlich so unauffällig wie möglich, berichtet ein Kokstaxifahrer. Auf Statussymbole werde verzichtet, meist seien sie in unscheinbaren Kleinwagen unterwegs. Auch VICE traf sich letztes Jahr mit einem Fahrer. Bis zu 1.000 Euro, sagte "Sammy", mache er in einer normalen Nacht. Seine Kunden seien Studierende, Unternehmer und sogar Polizistinnen. Seine Nummer werde per Mundpropaganda weitergegeben. Über zwei Kilo Kokain konsumieren allein Menschen in Berlin jeden Tag. Der Konkurrenzkampf um diese Nasen, sagte Sammy, sei hoch. Er gehe von mehreren hundert Anbietern allein in der Hauptstadt aus. Die Welt schätzte die Anzahl an Koks-Taxis in Berlin 2014 auf 150. Der Tagesspiegel berief sich 2014 auf einen Kurier, der von 50 bis 100 Stück ausging. Genauere Zahlen sind auch der Polizei nicht bekannt.

Auf Nachfrage von VICE hieß es von der Polizei, dass auch Kunden und Kundinnen, die sich per Knopfdruck mit Koks versorgen ließen, nun Strafen zu befürchten hätten. Inwieweit die Polizei dafür Messenger-Daten durchforstet und Spuren nachgeht, wollte der Sprecher nicht preisgeben. Sehr wahrscheinlich ist es allerdings nicht, dass bei der nächsten Bestellung statt einem Dealer, die Polizei vor der Tür steht. Die Ausbeute an relevanten Straftätern und -täterinnen unter der Kundschaft ist ziemlich gering. Daher lohnt sich die Ermittlungsarbeit kaum. Trotzdem sollten Konsumierende nicht allzu laissez-faire mit ihren Bestellungen umgehen: sind es überdurchschnittlich viele, wird auch solchen Spuren nachgegangen.

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"Unsere Autos sind unauffällig. Wir wechseln regelmäßig die Handynummern und agieren nur über sichere Messenger-Dienste wie Threema."

Fest steht aber, dass auch Drogen-Lieferservice immer wieder auffliegen. Bereits 2017 mussten sich drei Berliner vor Gericht verantworten, weil sie Kokain aus ihrem Auto heraus verkauft hatten. Die Angeklagten wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Ebenfalls in Berlin wurde im September letzten Jahres ein 27-Jähriger festgenommen, weil die Polizei in seinem Mercedes 43 sogenannte Eppendorfgefäße und Bargeld fand. In Hamburg wurde im Juli ein 59-jähriger Mann festgenommen, er fuhr nicht nur Koks durch die Gegend, sondern auch Kunden als normaler Taxifahrer. Die Polizei fand nach eigenen Angaben 26 Koks-Tütchen in seinem Taxi.

Ob sie jetzt vorsichtiger seien, hat VICE mehrere Dealer per SMS und Messenger-Dienst gefragt. Einer der Dealer meinte, ihn erwische man sowieso nicht. "Von uns Kurierfahrern gibt es mittlerweile so viele und ich bin vorsichtig." Ein anderer sagt, er fühle sich durch die Festnahmen ebenfalls nicht eingeschüchtert: "Unsere Autos sind unauffällig. Wir wechseln regelmäßig die Handynummern und agieren nur über sichere Messenger-Dienste wie Threema." Einer meint sogar: "Von Festnahmen habe ich noch gar nichts mitbekommen." Ob er nun weitermache wie bisher? "Ja, logo. Was denn sonst?" Denn die Nachfrage ist groß: Der Konsum in Berlin ist zwischen 2015 und 2017 um mehr als 70 Prozent gestiegen. Im Jahr 2017 wurde von Zoll und Polizei so viel Kokain sichergestellt wie nie zuvor. Couch-Kokser brauchen also erstmal nichts zu befürchten, ein Ende der Kurierdienste ist nicht in Sicht.

Einen Service-Tipp haben wir trotzdem noch: Was selbst leichter, regelmäßiger Koks-Konsum für Folgen für euren Körper hat, lest ihr hier.

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