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Crime

Mann ließ 22-Jährige mit Leseschwäche Verträge unterschreiben – und zwang sie damit zur Prostitution

Die Frau dachte, der 54-Jährige würde ihr eine Website bauen.
Foto Hand: Max Pixel | CC0 | Kondom und Geldschein: imago | Christian Ohde

Für viele ist es kaum nachvollziehbar, dass es Frauen gibt, die das Geld für ihr WG-Zimmer freiwillig mit Sex verdienen. Eine 22-Jährige aus München hatte genau das vor: Wie die SZ berichtet, plante die Frau 2014, in die Erotik-Branche einzusteigen und ihren Unterhalt künftig mit Pornos und Sexarbeit zu bestreiten. Doch der Mann, mit dem sie Geschäfte einging, band sie mit dubiosen Verträgen an sich – und drängte sie am Ende in die Zwangsprostitution. Am Montag wurde der 54-Jährige zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

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"Sie sind ein arbeitsloser Betrüger, der sich junge, naive Frauen sucht", zitiert die Süddeutsche Zeitung die Staatsanwältin des Amtsgerichts München. Ihre Worte galten Ralph W., angeklagt wegen Menschenhandels und gewerbsmäßigen Betrugs. Der 54-Jährige soll sich gegenüber der jungen Frau, die Porno-Darstellerin und Escort werden wollte, fälschlicherweise als Webdesigner und Kameramann ausgegeben und ihr seine Hilfe angeboten haben. In Wahrheit habe er weder eine Ausbildung noch einen Job gehabt, heißt es in der Zeitung.

2014 soll er die Frau zum Casting in seiner Münchner Wohnung eingeladen haben. Dort habe er sie für ihre Website gefilmt und fotografiert. Das Münchner Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte der Frau dort zwei Verträge vorgelegt habe, die sie dann auch unterschrieben habe. Das erklärte der Sprecher des Gerichts gegenüber VICE. Die Zeugin habe sich "zu sexuellen Dienstleistungen" und zum Schadensersatz im Falle eines Vertragsbruchs verpflichtet.


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Was genau in dem Vertrag stand, den sie unterschrieben hatte, konnte die Frau aber offensichtlich nicht verstehen: Sie hat eine Lese- und Rechtschreibschwäche. Wie die SZ berichtet, ist die Frau, die im Prozess als Zeugin auftrat, davon ausgegangen, ihr Geschäftspartner werde künftig lediglich ihren Internetauftritt betreuen und ihr Kunden vermitteln. Dafür hätte ihm die Hälfte der Einnahmen zugestanden.

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Anscheinend spitzte sich die Situation zu, als die Frau sich – nach einem negativen Erlebnis mit einem Kunden – entschlossen hatte, nicht mehr als Escort zu arbeiten. Der Angeklagte verlangte daraufhin noch mehr Geld von ihr: 8.000 Euro Schadensersatz pro Monat; diese Summe bestätigte der Sprecher des Amtsgerichts gegenüber VICE. "Die Zeugin sah für sich wohl keine andere Wahl, als nicht in ihrem Ausbildungsberuf zu arbeiten, sondern die bereits früher ausgeübte Prostitution fortzusetzen", so der Sprecher.

Der Angeklagte habe sie zu seiner Haussklavin machen wollen, zitiert die SZ aus der Aussage der Zeugin. Insgesamt 14.000 Euro habe sie an Ralph W. gezahlt. Dann habe ihr ein Kunde, dem sie sich anvertraut habe, dabei geholfen, zur Polizei zu gehen. Die Zwangsarbeit der Betroffenen soll allerdings nicht die einzige Einnahmequelle von Ralph W. gewesen sein: Laut SZ hat er nebenbei rund 20.000 Euro Arbeitslosengeld und Sozialleistungen kassiert.

Das Amtsgericht München verurteilte Ralph W. am Montag zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von knapp 35.600 Euro. Außerdem muss er der Frau 3.000 Euro Schadensersatz zahlen. Der Angeklagte habe die Taten gestanden, so der Sprecher des Gerichts, das Urteil sei aber noch nicht rechtskräftig.

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