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Germany's Next Mob-Model

Kopftücher für Deutsche: Wie ein rechtes Nähprojekt "deutsche Werte" stärken will

Patriotische Frauen wollen Mode wieder "konservativ" machen – und nähen dafür auch Kinderklamotten aus den Hemden verstorbener Angehöriger.
Foto: imago | imagebroker

Alexander Gaulands Hundekrawatte hätte uns eine Warnung sein sollen: Die rechte Revolution ist jetzt auch im Bereich Fashion angekommen. "Nähmanufaktur" heißt ein neues Projekt des rechten Netzwerks "Ein Prozent", eine Art DaWanda für Nationalisten. Die Idee dahinter: Deutsche Frauen nähen für deutsche Kinder, um deutsche Werte in unserer globalisierten Welt zurückzubringen. Kleidung aus einer Zeit, in der Mädchen noch keine Hosen trugen und Nike ein Kosename und kein Konzern war.

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Im November 2017 riefen die Verantwortlichen hinter "Ein Prozent" erstmals dazu auf, für den Aufbau einer "Nähmanufaktur für konservative Mode" zu spenden. Rund ein halbes Jahr später scheint das Projekt erfolgreich gecrowdfundet. Die Website der Nähmanufaktur existiert laut netcraft.com seit Mai 2018 – weil es heutzutage eben auch in der ultimativen "Zurück in die 30er"-Fantasie ein bisschen moderne Infrastruktur und Technik braucht.


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Das Angebot auf der Seite ist überschaubar: 17 Artikel können aktuell bestellt werden, elf für Jungs, sechs für Mädchen. Wer die Knickerbocker-Hose "Heiner" oder das Kleid "Elisabeth" kaufen möchte, muss erst einmal über ein Formular Kontakt zu den gesichtslosen Näherinnen aufnehmen. Neben dem etwas gruselig anmutenden Hemd "Opa Werner", für das aus eingeschickten Kleidungsstücken der verstorbenen Verwandtschaft neue Oberteile genäht werden können, gibt es im Shop auch eine richtige Überraschung: ein Kopftuch. Für deutsche Mädchen. Anscheinend ist das Kleidungsstück für Rechte nur dann diskussionswürdig, wenn es Musliminnen tragen.

Bis man das Kulturgut in den Händen halten kann, dauert es dann einen Monat. Die Klamotten werden nur auf Bestellung hin angefertigt, versandt wird selbstverständlich "nur innerhalb Deutschlands".

Die Nähmanufaktur ist Teil vom "Netzwerk Landraum", einer Arbeitsgruppe, mit der "Ein Prozent" die Provinz wieder richtig deutsch machen möchte. Dazu werden rechte "Pioniere" quasi umgesiedelt, um sich in ihrer neuen Heimat für ein patriotisches Gemeinschaftsgefühl und traditionelle Werte stark zu machen. Die Deutschen sollen aus den multikulturellen Großstädten raus und zurück aufs Land, wo sie wieder Handwerk und Landwirtschaft betreiben, anstatt in Berlin, München oder Bottrop für Menschenrechte auf die Straße zu gehen. Laut "Ein Prozent" befanden sich im Februar 2018 15 Familien in Gesprächen wegen einer möglichen Umsiedlung, drei seien bereits "konkret in die Zielgebiete gezogen und haben sich dort in die Wertegemeinschaft eingelebt".

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Screenshot von naehmanufaktur.net

Bei allem Gemeinschaftsgeist, den sie heraufbeschwören wollen, erfährt man überraschend wenig darüber, wer hier genau näht oder wohin die 10 bis 40 Euro fließen, die man für die "hochwertige Ware", diesen "Kulturmarker des Eigenen", ausgeben kann – was auch immer das bedeutet. Die einzige namentlich aufgeführte Verantwortliche für das Projekt, Katrin Hilse, scheint aber zumindest auch privat enge Bande zum Betreiber der "Ein Prozent"-Website, Helge Hilse, zu haben. Neben dem Nachnamen teilen beide die gleiche Anschrift im sächsischen Kurort Oybin, nahe der Tschechischen Grenze. Hier bietet Katrin Hilse auch gleich mehrere Ferienwohnungen an – falls man es sich mal so richtig bequem machen möchte zwischen Menschen, die eng mit der Identitären Bewegung vernetzt sind und auf ihrer Website zum Widerstand gegen die Inhaftierung eines mutmaßlichen Rechtsextremisten aufrufen.

Auch das Modeprojekt ist rechtspolitisch aufgeladen. Hier geht es nicht primär um lokal gefertigte Kinderkleidung gegen billig und unter menschenunwürdigen Bedingungen produzierte Massenware. Hier geht es um Dritte-Reichs-Romantik wie aus einem Heimatfilm der 30er. Die Leinenhemden und völkisch anmutenden Kleidchen in Grün-, Rot- und Beigeschattierungen, sollen ein Zeichen setzen. "Ist 'bunt' wirklich fantasievoll oder einfach nur langweilig?", heißt es in der Selbstbeschreibung der Nähmanufaktur. Man muss kein Textanalytiker sein, um zu verstehen, dass sich dieses "bunt" ganz bewusst nicht nur auf wild gemusterte Kleider oder Leggins mit Leo-Print bezieht.

"Durch Ihren Kauf unterstützen Sie die Rückgewinnung kultureller Räume", heißt es auf der Website der Nähmanufaktur. Und: "Helfen Sie durch Empfehlungen von Mund zu Mund, den Aufbruch der Frauen zu multiplizieren." Wie viele "Opa Werner"-Hemden und christlich-abendländische Kopftücher wohl verkauft werden müssen, um die rechte Nährevolution zum Erfolg zu führen? Wir bleiben dran. Vielleicht können die patriotischen Näherinnen ja zwischenzeitlich etwas Wechselwäsche für Alexander Gauland produzieren.

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