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Tschetschenien

Ein Diktator rastet aus, weil sein Instagram-Account gesperrt wurde

Ramzan Kadyrow posierte für seine 3,2 Millionen Follower mit Tigern und Kalaschnikows. Seit der tschetschenische Präsident das nicht mehr darf, lässt er andere dafür leiden.
Screenshot

Autoritäre Machthaber sind oft extravagant. Da wird aus "Mein Haus, mein Boot, mein Auto" schnell mal "Mein Wolkenkratzer, meine Olympischen Spiele, meine Atombombe". Doch Ramzan Kadyrow, dem tschetschenischen Präsidenten von Putins Gnaden, ist auch sein Instagram so wichtig, dass er nicht über den Verlust hinweg kommt. Denn sein Account wurde kürzlich gelöscht.

Bei Instagram hat er zuvor in den für ihn typischen Trainingsanzügen posiert, Tiger geknuddelt, mit Krokodilen gerungen und seinen Gegnern kaum verhohlen mit Gewalt gedroht. Wohl aus Rache hat Kadyrow die Büros einer Menschenrechtsorganisation stürmen lassen – deren Chef wurde gar verschleppt. Doch der Reihe nach.

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Zwei verheerende Kriege zwischen der Moskauer Zentralregierung und radikalen muslimischen Separatisten haben Tschetschenien verwüstet zurückgelassen. Um einen Wiederaufbau und stabile Verhältnisse in der russischen Teilrepublik zu ermöglichen, ging Präsident Wladimir Putin etwas ein, das liberale russische Kommentatoren schon mal als "Pakt mit dem Teufel" beschreiben: Er setzt 2007 den ehemaligen Separatisten Ramsan Kadyrow als tschetschenischen Präsidenten ein. Im Gegenzug für Stabilität nach innen und Loyalität gegenüber Moskau darf Kadyrow auf eigene Faust regieren. Er nimmt die Sache mit der Faust wörtlich: Seinem Sicherheitsapparat werden Morde, Entführungen und Folter gegen Andersdenkende vorgeworfen. Eine Opposition gibt es in Tschetschenien nicht. Human Rights Watch berichtete im Sommer 2017 über Säuberungen gegen Schwule, die von der Polizei entführt, teilweise wochenlang festgehalten und gequält worden sein sollen.

Kadyrow ist Sohn des 2004 ermordeten früheren Präsidenten Achmat Kadyrow. Vereinzelt hängen in der Republik Poster mit den Konterfeis dreier Männer: Vater Kadyrow, Sohn Kadyrow und Wladimir Putin. Scherzhaft sprechen die Menschen manchmal von "Vater, Sohn und heiliger Geist". Es mehren sich aber irgendwann die Zeichen, dass Kadyrow nicht einmal von der russischen Regierung im Zaum zu halten ist. Da nützen auch all die Bilder nichts, die Kadyrow von sich und seinem Mentor Putin postet. Auf Instagram, versteht sich.

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Im Zuge der Sanktionen, die von der EU und den USA vor allem wegen des Ukraine-Krieges gegen Russland verhängt wurden, kam auch Kadyrow nicht ungeschoren davon. Neben anderen Strafmaßnahmen wurden Ende 2017 auch seine Profile bei Facebook und Instagram gelöscht.

Screenshot: Instagram

Mitte Januar stürmten dann maskierte Männer das Büro von Memorial, der bekanntesten russischen Menschenrechtsorganisation in Inguschetien, einer Nachbarprovinz Tschetscheniens. In der tschetschenischen Hauptstadt Grosny selbst wurde Memorial-Chef Oyub Titiew verhaftet, ihm wird Drogenbesitz vorgeworfen. Es wirkt ganz wie ein koordinierter Angriff von zwei Seiten auf die einzige NGO, die sich noch wagt, vor Ort Kadyrows Machenschaften anzuprangern.

Einen Nachweis, dass der doppelte Angriff auf Memorial mit der Löschung von Kadyrows Account zusammenhängt, gibt es naturgemäß nicht. Aber Beobachter sind sich dessen trotzdem sicher, da Memorial in Grosny als Vertreter des Westens wahrgenommen wird. Regierungskritische Moskauer Medien wie die Zeitung Novaya Gazeta und der TV-Sender Dozhd berichteten über diese These. "Ich glaube, das war Rache dafür, dass er seinen Account verloren hat", sagte die frühere Chefin von Memorial in Grosny, Katya Sokirianskaja, dem Guardian. Es habe Kadyrow nicht sonderlich gestört, auf der US-Sanktionsliste zu stehen, aber der Verlust von Instagram sei für ihn "sehr schmerzhaft" gewesen. "Es war nicht nur sein liebstes Spielzeug, sondern auch ein mächtiges Propaganda-Instrument." Kadyrow hatte zuletzt 3,2 Millionen Follower. In Tschetschenien selbst leben etwa 1,3 Millionen Menschen.

Memorial veröffentlichte ein Statement, in dem die Anschuldigungen gegen Titiew als komplett haltlos und die Zustände in Tschetschenien als unhaltbar beschrieben werden. Die NGO sei paralysiert und praktisch dicht. Die Menschenrechtler bitten um viel Öffentlichkeit für diesen Fall, weil Titiew nur dann eine Chance auf einen halbwegs fairen Prozess habe.

Kadyrow selbst hat derweil angekündigt, auf andere soziale Netzwerke auszuweichen – vor allem auf solche, die nicht von US-Firmen kontrolliert werden.

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