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Mietwucher

In diesen Containern in München leben Menschen für 350 Euro im Monat

Keine Küche, kein sauberes Klo – so wohnen Opfer des Immobilien-Irrsinns in München.

Über ein Dutzend Container, aneinandergereiht wie Blechdosen im Supermarktregal. Zwei Menschen wohnen in einem, sagt der Vermieter, vier sagen die Nachbarn. Beim Mieterwechsel werden Mittel gegen Kakerlaken gesprüht, sagt der Vermieter dem BR. Ein junger Osteuropäer, der dort wohnt und anonym bleiben will, erzählt dem Deutschlandfunk, er gehe lieber auf die 50-Cent-Toiletten in der U-Bahn-Station als auf die hier. Für diesen Schlafplatz zahlt er 350 Euro im Monat.

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Auf der Fläche im Norden Münchens zeigt sich ein Problem der Stadt: In der Stadtmitte ziehen Kräne Luxuswohnungen mit Isarblick in die Höhe. Für alle, die nach günstigen Zimmern suchen, ist das, als würde man mit dem Bauschutt ihre Hoffnung auf günstige Mieten begraben. Die Stadt wächst. 1,5 Millionen Einwohner sind es jetzt, bis 2030 sollen weitere 230.000 dazukommen. Immer mehr Menschen reißen sich um bezahlbare Wohnungen. Mit rund 17 Euro pro Quadratmeter pro Monat kostet die durchschnittliche Studentenbleibe 43 Prozent mehr als noch 2010, ein WG-Zimmer kostet im Schnitt 545 Euro. Das ist schwierig für junge Leute und noch schwieriger für Menschen, die die nicht gut deutsch sprechen, für Niedriglöhne arbeiten und keine soliden Lohnabrechnungen vorlegen können. Ihre Chance auf dem klassischen Wohnungsmarkt geht gegen Null – und macht sie zu Opfern von Mietwuchern wie diesem.

Das Land, auf dem die Schlafbüchsen stehen, gehört zum Teil der Stadt München, ein Pächter hat hier das Containerlager aufgeschlagen. Ohne Genehmigung. Wie kann es sein, dass auf einer Fläche der Stadt jemand illegal Betten vertickt? Und das in München, wo schon der Abstand der Gartenhecke zum Nachbargarten zum Streit führt. Wo sind die Mietervertreter und Juristen, um hier einzuschreiten?

In einem der gelöschten Inserate für die Wohncontainer steht eine Nummer. Ein Mann hebt ab, sagt, er sei der Hausmeister und nicht der Vermieter. Nach der ersten Frage sagt er, wir sollen in fünf Minuten noch einmal anrufen, und legt auf. Dann schaltet er sein Handy aus. Auch eine weitere Nummer, die des LKW-Gebrauchthändlers auf dem Gelände, ist über zwei Tage nicht erreichbar.

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"Die Container im Norden sind nicht die einzigen in München", sagt Savas Tetik, der im Infozentrum Migration und Arbeit mit diesen Leuten Formulare ausfüllt und ihnen bei den Dingen hilft, die das Überleben hier zu einem Leben machen – angefangen bei der Suche nach Arbeit und Wohnung. Die Menschen, die er berät, arbeiten in prekären Verhältnissen, etwa als Reinigungskräfte für maximal 1.200 Euro im Monat. "Auf dem Münchner Mietmarkt haben sie mit ihren Arbeitsverträgen quasi keine Chance", sagt er. Was auch nicht gerade bei der Wohnungssuche helfe, seien die Schlagzeilen über Menschen aus Osteuropa mit Begriffen wie "Bettlermafia".

Diese Situation kann von Vermietern ausgenutzt werden – denn wer froh ist, überhaupt ein Bett zu haben, wird wohl keinen Juristen einschalten, der sich darum kümmert, dass sein Vermieter die Mietpreisbremse einhält, ein von der Stadt festgelegter Preisdeckel für Mietanstiege. Die Mieter in den Containern machen dem Vermieter wohl keinen Stress, weil sie selbst keinen wollen. Sie brauchen einfach einen Schlafplatz.

Für Menschen, die für kurze Zeit kommen, um zu arbeiten, blieben drei Möglichkeiten bei der Wohnungssuche, sagt Tetik: Pensionen, Arbeiterwohnheime oder eben Container. In Pensionen werde oft etwa ein Vierbettzimmer für 1.500 Euro im Monat vermietet. Das würden sich die Bewohner dann teilen. Viele würden sich völlig aufarbeiten, mit einem Vollzeitjob plus einem Mini-Job nebenher, um die Mieten zu zahlen. Tetik erzählt von einem Arbeiterwohnheim an der Autobahn und einem Campingplatz im Norden – 600 Euro im Monat für einen Wohnwagen. Und von einem Vermittler, der Menschen Mietverträge versprach, 5.000 bis 12.000 Euro pro Person einkassierte – und dann mit all dem Geld abhaute.

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Zusammengefasst: Skrupellose Vermieter verdienen an den Mittellosen. Und das öfter als man es in München mit seinem Sauberstadt-Image erwarten würde.

Das illegale Containerlager im Münchner Norden | Fotos: Google Maps

Dass die Stadt mit Auswüchsen des Wohnungsproblems nicht sonderlich sauber umgeht, zeigt ein Beitrag des Deutschlandfunks über das Containerlager:

Bei der Bauaufsicht der Stadt München kennt man die Siedlung schon lange, schließlich steht sie teilweise auf städtischem Grund – und man weiß: Die Container sind illegal. Cornelius Mager, Leiter der Bauaufsicht: "Die Bauten sind ungenehmigt, aber wir hatten bei einem Ortstermin 2013 und 2016 keine Veranlassung, sofort dagegen einzuschreiten."

Es wohnen Menschen in grotesk schlechten Verhältnissen inmitten einer Reihenhausidylle – und die Stadt scheint das einfach so durchgehen zu lassen.

"Wo sollen die Menschen hin, auf die Straße?", sagt Tetik. An die 7.000 Menschen waren Ende 2016 in München wohnungslos, einige hundert leben unter Brücken und auf der Straße. Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten die Menschen aus Osteuropa, die Tetik betreut, meist nicht. Dafür müssten sie – wenn sie keine Familien oder Härtefälle sind – seit mindestens fünf Jahren in München gemeldet sein. Eine Lösung? "Solange wir den Menschen keine bezahlbaren Wohnungen anbieten können, sehe ich keine."

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