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Sex

So sieht die Rebellion der Zukunft aus

Wir haben mit einem Zukunftsforscher darüber gesprochen, wie sich unsere Enkel schon bald gegenseitig in Zombies verwandeln und neue Geschlechter erfinden.
Illustration: Ralph Damman

Was hast du in deiner Jugend alles gemacht, um deinen Eltern auf die Nerven zu gehen? Hast du dich heimlich rausgeschlichen, um zusammen mit deinen Freunden zu kiffen? Oder hattest du vielleicht irgendwo mit irgendjemandem unerlaubt Sex?

Jetzt denkst du bestimmt gerade ganz nostalgisch an früher. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage, wie unsere Kinder und vielleicht sogar unsere Enkel in Zukunft gegen uns rebellieren. OK, sie werden auf jeden Fall etwas tun, das für uns total idiotisch ist, aber was genau?

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Werden sie immer noch kiffen, wenn ihre Eltern an irgendwelchen lahmen Cannabis- und Weinproben teilnehmen? Werden sie überhaupt an Sex denken, wenn sie sich vom Anfang ihrer Pubertät an mit Pornos en masse eindecken können?

Um Antworten auf Fragen dieser Art zu finden, habe ich mit Dr. Ian Pearson telefoniert, einem Zukunftsforscher, der zum Beispiel vermutet, dass im Jahr 2050 Sex zwischen Mensch und Roboter häufiger vorkommt als Sex zwischen zwei Menschen.

Pearson geht außerdem davon aus, dass viele der heutigen Drogen durch chemische Weiterentwicklung in Zukunft sicherer und damit auch legal sein werden. Gleichzeitig sorgen medizinische und biotechnische Fortschritte dafür, dass wir unseren Rausch auf ganz neue Art und Weise erleben.

So haben Forscher zum Beispiel schon die transkranielle Magnetstimulation (TMS) als eine Form der Therapie bei psychischen Störungen entwickelt. In der Zukunft wird es dir also vielleicht möglich sein, einfach ein Paar TMS-Kopfhörer aufzusetzen und high zu werden, indem du verschiedene Teile des Gehirns "abstellst". Unter Umständen kannst du dieses High sogar nach Belieben an- und ausschalten.

Wissenschaftler arbeiten derzeit auch daran, Medizin in Pillenform in verschiedene Körperregionen zu lenken, um Krebs zu bekämpfen. Sobald das Medikament an seinem Ziel angekommen ist—zum Beispiel in der Leber—, wird die Kapsel von außerhalb des Körpers durch elektromagnetische Wellen oder Ultraschall zerstört. "Aber was", fragt Pearson, "wenn man auch Heroin oder Morphium in einer solchen Kapselform einnehmen könnte?"

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Stell dir folgendes Szenario vor: Du schmeißt dir ein wenig MDMA ein und gehst in den Club. Vorerst passiert jedoch nichts, du tanzt einfach nur nüchtern durch die Gegend. Plötzlich drückt der DJ auf einen Knopf und elektromagnetische Wellen schwingen durch den Raum. Das Ecstasy wird freigelegt und alle Anwesenden sind auf einen Schlag richtig drauf. Vielleicht werden dann auch noch TMS-Kopfhörer verteilt, um den Rausch nach Belieben zu kontrollieren.

Klingt ziemlich cool, oder? Wenn Drogen in Zukunft jedoch sicher und legal sind, dann ist der Konsum natürlich ungefähr genauso rebellisch wie ein Nasenpiercing.

"Das ist eben die Sache beim Rebellieren. Wenn man etwas Legales nimmt, dann hat das nicht mehr viel mit Rebellion zu tun", sagt Pearson. Was könnten unsere Enkel also Gefährliches/Dummes/Illegales tun?

Nehmen wir mal an, dass man die weiterentwickelten Drogen mit cleverer IT verbindet, um einem anderen Menschen die Kontrolle über sein Gehirn zu geben. "Das wäre rebellisch", meint Pearson.

Er geht davon aus, dass es uns 2040 möglich sein wird, unsere Körper elektronisch untereinander zu teilen, unser Bewusstsein über das Internet zu verknüpfen und sogar das Gehirn eines anderen Menschen gegen dessen Willen zu kontrollieren. Ja, du hast richtig gelesen, du kannst deine Freunde und deine Feinde in Zombies verwandeln.

Laut Pearson reicht es für die Etablierung einer solchen Praxis aus, dass der angesagteste Promi von 2040 in den sozialen Netzwerken schreibt, wie cool es ist, ein Zombie zu sein.

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Pearson malt mir aber noch weitere Zukunftsszenarien aus: Laut ihm wird die nächste Generation der Fitnessarmbänder nicht mehr locker am Handgelenk getragen, sondern direkt auf die Haut geklebt. Anfangs zeichnet das Gerät nur grundlegende Daten wie den Puls auf. Wenn wir die Technik aber irgendwann tiefer gehen lassen und mit unseren Nerven verbinden können, dann werden wohl auch Orgasmen auf Knopfdruck möglich sein.

"Wenn du mit der Freundin deines besten Freundes schlafen willst, dann gibst du ihm einfach dieses neue Gerät und sagst ihm nichts von den erweiterten Funktionen. Dann hackst du dich in sein Nervensystem und 'klaust' so seine Empfindungen—und befindest dich quasi mit seiner Freundin im Bett", erklärt Pearson. Im Grunde ist das ein wahrgewordener Film von David Cronenberg.

Neben Bewusstseins- und Nervensteuerung als neue Würze im Schlafzimmer sagt Pearson aber auch eine "Explosion der sexuellen Möglichkeiten" voraus: Zukünftige Generationen werden das binäre System von Mann und Frau hinter sich lassen und neue Geschlechter erfinden. Und damit meint Pearson keine Transgender. Durch die elektronischen Steuerung von Empfindungen in Kombination mit den Entwicklungen im Bereich der virtuellen und erweiterten Realität könnte es bald möglich sein, sich komplett neue Geschlechter und Genitalien auszudenken.

"Man kann dann ein neues Geschlechtsteil aus dem Bauchnabel oder rechten Arm kommen lassen", meint Pearson.

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Auch hier wird wohl die Social-Media-Welt bestimmen, was eine Art der Rebellion darstellt und was einfach nur komisch ist. "Man kann nicht vorhersagen, welche Geschlechter und welche sexuelle Orientierungen erfolgreich sein werden, weil es letztendlich darauf ankommt, welche Promis auf dem Twitter der Zukunft erfolgreich sind und Trends schaffen."

Das Problem dieser ständigen Suche nach neuen Arten der sexuellen Befriedigung und neuen Kicks ist jedoch, dass man dabei schnell übers Ziel hinausschießt. Man denke zum Beispiel an die vergewaltigenden und mordenden Roboter aus Westworld oder an Folter im Live-Fernsehen.

Aber was passiert, wenn man hier einen anderen Weg einschlägt?

Laut Pearson führt die Mob-Mentalität, die man heutzutage in den sozialen Netzwerken beobachten kann, möglicherweise dazu, dass man aufgrund seiner Posts und Handlungen schnell verurteilt wird.

Und das im wahrsten Sinne des Wortes: "Die Dinge, die heutzutage als völlig normal gelten, könnten 2050 für Ärger sorgen", erklärt Pearson. "Die eigene Freundin zu küssen, ist dann vielleicht ein Vergehen."

In einer solchen Dystopie machen es die Fortschritte in der Überwachungstechnologie mit Sicherheit auch möglich, für Verbrechen schneller ins Gefängnis zu wandern (1984 lässt grüßen).

Aber ganz egal welches Szenario, die Welt geht laut Pearson wohl so oder so vor die Hunde. Der Grund für den Pessimismus des Zukunftsforscher ist folgender: Selbst wenn wir mithilfe unserer technologischen Fortschritte Sex und Drogen besser machen, so sind und bleiben wir letztendlich immer noch die gleiche Spezies, die sich schon seit Jahrhunderten gegenseitig foltert, versklavt und einsperrt. Genau hier liegt die Krux.

"Wir konnten nun schon oft genug beobachten, wie schrecklich Menschen sein können", sagt Pearson. "Wir haben uns seit der Steinzeit nicht wirklich weiterentwickelt und mit der passenden Technologie sowie den passenden Gesetzen werden wir auch in Zukunft wieder genau die gleichen Fehler begehen wie früher."

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