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So wünschen sich Bettler, dass du mit ihnen umgehst

Wir wollten den Spieß einmal umdrehen und haben Bettler befragt, welche Wünsche sie denn eigentlich an uns Passanten im Umgang mit ihnen haben.
Obdachlose Frau
Foto von Tommy Pixel via Flickr

UPDATE: Unsere Gesellschaft scheint ziemlich genaue Vorstellungen davon zu haben, wie Bettler sich zu verhalten haben. Seit gestern herrscht in der Stadt Salzburg beispielsweise ein sektorales Bettelverbot—Bettelnde Menschen dürfen sich damit in vielen Teilen der Altstadt nicht mehr aufhalten, ansonsten erwarten sie Strafen von bis zu 500 Euro. Ähnliche Gesetze—beispielsweise in Graz—wurden vom Verfassungsgerichtshof bereits mehrmals für verfassungswidrig erklärt. Das scheint die Salzburger Stadtregierung aber nicht zu stören.

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Wir wollten den Spieß einmal komplett umdrehen und herausfinden, welche Wünsche Bettler denn eigentlich an uns Passanten und an die Behörden im Umgang mit ihnen haben. Dafür sind wir losgezogen und haben wir uns mit zwei jungen rumänischen Bettlern unterhalten. Die ersten drei Wünsche stammen von einer jungen Frau, die wir bettelnd in der U-Bahn-Station am Westbahnhof getroffen haben. Die drei weiteren Wünsche stammen von einem rumänischen Mann, der regelmäßig vor einer Supermarktfiliale im 3. Bezirk sitzt und uns dort aus seinem Leben erzählt hat.

Was wir in den Gesprächen gelernt haben: Bettler verlangen von uns offensichtlich eigentlich so gut wie nichts. Die „Forderungen" die sie uns gegenüber geäußert haben, waren so derartig minimal und selbstverständlich, dass man viele davon fast gar nicht als Forderungen bezeichnen kann. Trotzdem haben wir ihre Aussagen hier gesammelt, um euch einen kleinen Knigge im Umgang mit Bettlern bieten zu können. Vielen Dank an Annika Rauchberger von der Bettellobby Wien, die für uns aus dem Rumänischen gedolmetscht hat.

Nimm mir mein Hab und Gut nicht weg

„Ich bin 25 Jahre alt, Mutter von drei Kindern und bin mit meinem Mann vor etwa einem Jahr nach Wien gekommen, um irgendwie genügend Geld für meine Familie und meine Kinder sammeln zu können. Zwei meiner Kinder leben in Rumänien bei meiner Mutter, das jüngste ist bei mir in Wien. Ich bettle regelmäßig hier bei der U-Bahnstation am Westbahnhof—meistens bin ich zehn Minuten hier und zehn Minuten dort, bis ich von den Wiener Linien oder der Polizei wieder weggeschicktwerde.
Dass die Mitarbeiter von den Wiener Linien mich regelmäßig von hier vertreiben, stört mich gar nicht so sehr. Die Art, wie sie es machen aber teilweise schon. Manche Leute von den Wiener Linien gehen viel schlechter mit mir um, als etwa die Polizei. Ich trage zum Beispiel nur noch eine Kopie von meinem Personalausweis mit mir, weil sie ihn mir schon oft weggenommen und zerrissen haben.
Um meine Kinder und meine Mutter in Rumänien ab und zu anrufen zu können, hatte ich bis vor Kurzem ein Handy mit Prepaid-Guthaben. Aber es gibt da diese Polizistin, die besonders unfreundlich ist. Letztens hat sie mir das Handy einfach weggenommen. Sie war wohl der Meinung, wenn jemand betteln müsse, dann kann er sich sicher auch kein Handy leisten."

Tritt mich nicht

Foto: Moise Nicu / Flickr / CC 2.0

„Die meisten Wiener behandeln mich wirklich nicht schlecht. Manche geben mir eine Münze, viele gehen vorbei, ohne dabei unfreundlich zu sein und das ist absolut in Ordnung. Aufpassen muss ich aber vor allem abends, denn dann steigen oft Betrunkene aus der U-Bahn, da kommt es auch immer wieder einmal dazu, dass man angepöbelt wird.
Vor ein paar Tagen ist ein Mann aus der U-Bahn ausgestiegen, hat sich im Vorbeigehen einfach meinen Becher mit Kleingeld geschnappt, und ist davongelaufen. Er war aber ziemlich dick und nicht gerade schnell, also bin ich aufgesprungen und ihm nachgelaufen. Am anderen Ende der U-Bahn hab ihn dann eingeholt und mir den Becher zurückgenommen. Manchmal passiert es auch, dass man wirklich körperlich angegangen wird. Letztens bin ich hier unten bei der U3 gesessen und ein Wiener Linien-Mitarbeiter, der mich vertreiben wollte, hat mir einfach mit dem Fuß einen Tritt versetzt, als niemand zugeschaut hat."

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Schenk mir ab und zu Aufmerksamkeit

„Vor allem während der Arbeitswoche geht es an den Plätzen, an denen ich sitze, extrem hektisch zu. Der größte Teil der Menschen ist da zu gestresst, um mich überhaupt wahrzunehmen. An Sonntagen ist das aber manchmal ein wenig anders, und einige Menschen schenken mir hin und wieder richtig Aufmerksamkeit. Manche Leute, die mich hier regelmäßig sehen, laden mich sogar auf etwas zu essen ein, damit ich mich in die Restaurant-Filiale setzten und mich für ein paar Minuten ausrasten kann.
Andere bringen mir sogar Kleidung mit, was mich auch sehr freut—ich hoffe nämlich, dass ich an den Osterfeiertagen heim nach Rumänien fahren kann und möchte meinen Kindern und meiner Mutter wirklich gerne ein paar Geschenke mitbringen.
Mit Aufmerksamkeit meine ich aber eigentlich gar nicht materielle Dinge, sondern vor allem, dass manche Leute, die mich öfter sehen, mir zunicken oder ,Hallo' sagen. Das kann einen hier sehr aufbauen."

Steck dir nicht mein Geld ein

Foto: Wikipedia Commons/ Rainer Knäpper/ CC 1.2

„Ich bin dreißig Jahre alt und lebe schon seit mehreren Jahren in Österreich. Ich bin nicht gerne Bettler, versuche damit aber—zumindest irgendwie—über die Runden zu kommen. Was mich wirklich stört, sind Passanten, die mich beschimpfen. Ich zwinge ja niemanden, mir Geld zu geben: Wer ein Problem mit mir hat, kann einfach weitergehen—ich werde niemanden belästigen oder verfolgen. Aber manche Leute behandeln einen einfach grundlos schlecht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Leute uns gar nicht mehr als richtige Menschen wahrnehmen.
Auch die Polizei wird teilweise wirklich unangenehm. Wenn die Polizisten mir das Geld abnehmen, das ich mir erbettelt habe, müssten sie mir ja eigentlich eine Quittung über den Betrag ausstellen. Wenn aber gerade weit und breit keine Zeugen zu sehen sind, stecken sich die Polizisten das Geld manchmal einfach ein. Ich gehe mal davon aus, dass sie es sich dann einfach selbst behalten."

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Ruf nicht aus falschen Gründen die Polizei

„Letztens, als ich hier saß, kam die Polizei zu mir und nahm mich fest. Irgendjemand hatte wohl bei der Polizei angerufen und behauptet, ich hätte ihn attackiert—wahrscheinlich, um mich von dem Platz zu vertreiben, an dem ich gesessen bin und gebettelt habe. Die Polizei brachte mich also auf den Posten. Ich fragte sie mit den paar Deutschkenntnissen, die ich habe, wer denn überhaupt behauptete, dass ich ihn angegangen wäre. Die Polizei sagte, dass ich nicht die Fragen zu stellen hätte. Letztendlich saß ich von 9 Uhr morgens bis 15 Uhr am Polizeiposten, bis sie mich dann doch gehen ließen."

Gebt mir die Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu tun

„Ich bin ein junger Kerl, ich bin kräftig und fit. Wenn ich irgendwie die Möglichkeit bekommen würde, würde ich viel lieber einer körperlichen Arbeit nachgehen und nicht hier sitzen, um darauf zu warten, dass mir jemand Geld spendet. Aber ich bekomme diese Möglichkeit nicht. Stattdessen muss ich quasi auf der Straße sein und versuchen, irgendwie an genügend Geld zu kommen. Es ist fast so, als würden die Leute geradezu wollen, dass man anfängt, Drogen zu verkaufen oder andere kriminelle Dinge zu tun. Aber das will ich nicht. Ich will einer richtigen Arbeit nachgehen. Das frustriert mich einfach."

Titelbild von Tommy Pixel/ Flickr/2.0