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Wood Pushers

​Skate or Die an Altersschwäche

In Wien haben sich mittlerweile einige Gruppen gebildet, in denen gesetztere Semester gemeinsam Spaß auf Brettern haben und ordentlich darauf scheißen, ob irgendwelche jungen Leute sie cool finden oder nicht.

You don't quit skating because you get oldyou get old because you quit skating." Zugegebenermaßen ist dieser Satz von Skatelegende Jay Adams (RIP) ist schon etwas abgedroschen, aber er ist immer noch der beste Einstieg, wenn es um alte Männer auf neuen Brettern geht.

Auch wenn es manche Menschen lächerlich finden oder wieder andere es nicht glauben können, dass es Leute gibt, die nicht ausschließlich deshalb am Skateboard stehen, um dem anderen Geschlecht zu gefallen, gibt es mittlerweile auch hierzulande mehr und mehr Freunde des Rollens, die ihre Teenager Zeit schon lange hinter sich gelassen haben.

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Daniel Eberharter pushes it to the limit.

In Wien haben sich mittlerweile einige Gruppen gebildet, in denen gesetztere Semester gemeinsam Spaß auf Brettern haben, nach der Session gemütlich auf ein Bier gehen und vor allem ordentlich darauf scheißen, ob irgendwelche jungen Leute sie cool finden oder nicht. Jobs und Familien machen die meisten Vertreter dieser Gruppe zu Weekend Warriors und logischerweise strebt niemand von ihnen irgendeine Form von Skateboard-Karriere an—Stichwort Shopsponsor. Diese haben sie bereits lange hinter sich. Begeisterung, Freude und Hingabe sind in ihren Sessions wahrscheinlich genau deshalb umso stärker zu spüren. In einem gewissen Alter steht man dann eben doch etwas über den Dingen, die in postpubertären Szenen noch hoch im Kurs stehen.

Gerald Winna, Head Honcho der Wiener Facebook Seite „Old School Sk8ers and Veterans" hat eine für diese neue Generation von Old-Schoolern typische Biographie hinter sich: Von 1989 bis 94 stand er am Brett, danach wurde ihm die Freundin wichtiger. Fürs zum-Billa-Fahren oder als Wallhangers hatte er immer Skateboards im Haus und vor zirka vier Jahren wollte es der mittlerweile 40-Jährige dann wieder wissen. Seine Motivation dazu beschreibt er so:

„Jeder, der jemals ernsthaft geskatet ist, hat vieles verinnerlicht: Das Gefühl zu skaten und die Freude und den Spaß, den dieses Stück Holz mit Rollen und Achsen bedeutet. Mittlerweile ist es ja ein weltweites Phänomen, dass sich Leute jenseits der 35 wieder auf Skateboards stellen und—so blöd das vielleicht klingen mag—ein Stück ihrer Jugend wieder erleben. Nur, dass sie es diesmal bewusst erleben. Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass ich damals bereits ein begeisterter Skater war, aber das Ganze jetzt mehr wertschätze und deshalb fast noch stärker darauf reinkippe als damals."

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Als Winna gemerkt hatte, dass er nicht alleine war, gründete er eine Facebook Gruppe als eine Art Interessensgemeinschaft, die zunächst eher mit dem Nachtrauern an alte Zeiten als mit aktivem Skaten beschäftigt war. Der erste Beschreibungstext der Gruppe lautete:

„Plattform für alle gealterten Skateboard-Reservisten, die den alten Zeiten auf dem Brett, das einmal die Welt bedeutet hat, nachtrauern. Das waren noch Zeiten, als die Boards noch breit und asymmetrisch ,die Rollen verhältnismäßig groß waren, es noch nicht in jedem Kaff einen Skatepark gab, die Bones Brigade auf Tour war, Powell Peralta, Santa Cruz und Vision die Zulieferer erster Wahl, und unsere Körper noch heilungswillig waren."

Da aber immer mehr Mitglieder nicht nur Re-issue Boards an der Wand ansehen, sondern tatsächlich auch skaten wollten, wurde aus der Seite bald eine Drehscheibe zur Vereinbarung von Sessions zwischen Arbeits- und Familienstress. Mittlerweile haben sich bereits auch viele andere „Alte-Männer Crews" in Wien gebildet.

Einige Mitglieder der Old School Sk8ers und Veterans zusammen mit anderen Skatern gesetzterem Alters am Heldenplatz.

Hans-Peter Hutter (OA Assoz.-Prof. PD Dipl.-Ing. Dr. med.), begeisterter Skateboarder und renommierter Umweltmediziner, hat im Gegensatz zu vielen Mitgliedern der Old School Sk8ers nie damit aufgehört, zu skaten und damit auch keine Zeit gehabt, alten Zeiten nachzutrauern. In einem gemütlichen Gespräch über Skateboarding, Sport und gesellschaftliche Konventionen erzählte mir der altersmäßig schwer einschätzbare H-P Hutter nach einer Skatesession mehr:

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„Was mir hierzulande nicht gefällt, ist dieses ‚Gar-nicht-versuchen-Wollen'. Ab 30, 35 Jahren sagen die Leute zu allem Neuen ‚Dafür bin ich zu alt'. Das beschränkt sich nicht nur auf Skateboarding, sondern praktisch auf alle Sportarten, die für einen neu sind und für die man sich daher auf ungewohntes Terrain begeben müsste. Ob Angst vor Versagen oder Befürchtungen, sich zu blamieren oder zu verletzen damit zu tun haben, kann ich nicht sagen. Aber ganz sicher gehen wir oft mit viel zu hohen Erwartungen an die Dinge heran, weil wir medial ständig nur mit Höchstleistungen konfrontiert sind."

Dass in einem gewissen Alter keine Wunder mehr zu erwarten sind, ist offensichtlich, aber viele Leute scheinen einfach nicht verstehen zu wollen, dass es Spaß macht, sich selbst herauszufordern. Den Ollie auf den Randstein zum ersten Mal zu schaffen, bereitet dem Anfängern genauso viel Freude, wie H-P etwa seine Frontside Airs in diversen Betonguben wie eben auch im Deep End des Dog-bowls (siehe erstes Bild), bei dem mir der Mund noch immer offen stehen bleibt.

H-P Hutter beim Rock n Roll im Deep End.

In einem Punkt sind sich alle „älteren" Skater einig, mit denen ich gesprochen habe: An der Leidenschaft fürs Skaten selbst hat sich gar nichts verändert. Die Pausen zwischen den Sessions werden vielleicht länger. Die Körper beziehungsweise die Stützapparate brauchen etwas länger, um sich zu regenerieren—aber die Begeisterung ist dieselbe wie früher.

Irgendwie ist das so, als würde man eine Band aus seiner Jugend noch einmal hören, nur dass es sich hier um ein Gesamterlebnis handelt: Blutige Knie gehören genauso dazu wie skeptische Blicke von frustrierten Menschen, Busts von Hausmeistern oder übereifrigen Polizisten, die mitunter halb so alt sein können wie die Skater selbst.

In einer Zeit, in der geshapte Boards wieder angesagt sind, und beim Vans Combi Pool Classic die Legenden-Fraktion cooler anzusehen ist als die jungen Pros, kann man sein Brett also ruhig mal wieder entstauben und ein bisschen Spaß haben. Zu oft habe ich Leute nach dem fünften Krügerl sagen hören, sie wollen mal wieder skaten gehen, nur um sich dann am nächsten Tag mit einem Kater herumzuschlagen. Vielleicht wäre es eine gute Idee, einmal seine Ankündigungen umzusetzen und nachmittags wirklich aufs Skateboard zu steigen. Wenn man wirklich auf seinen Kater besteht, kann man sich den auch beim Skateboard fahren holen. Bier und Skaten schließen einander jedenfalls nicht gänzlich aus.