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„Reich bleibt Reich!“ – So ticken türkische Nationalisten in Österreich

In letzter Zeit fielen die „Grauen Wölfe" wieder mit faschistoiden Aktionen auf. Wir haben einen ihrer Anhänger gefragt, was es damit auf sich hat.
Türkische Nationalisten in Deutschland. Foto: Felix Huesmann

Ulus B. ist mit dem BMW da, zieht noch einen Parkschein, bevor wir im hinteren Barbereich des türkischen Restaurants im 16. Bezirk Platz nehmen. Der 24-jährige Unternehmer kennt das meiste Personal persönlich. Er trägt einen dunklen Anzug und am Kragen glänzt ein Anstecker mit drei goldenen Halbmonden—sie stehen für die Kontinente Asien, Afrika und Europa, über die sich das osmanische Reich früher einmal erstreckt hat. Heute sind sie das offizielle Logo der nationalistischen türkischen Partei MHP, deren Anhänger B. ist.

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Allgemein werden die Mitglieder der MHP auch als Graue Wölfe bezeichnet. Ein Begriff, den Ulus zwar für antiquiert hält, aber grundsätzlich auch kein Problem damit hat, so genannt zu werden. „Was für mich zählt, ist die Liebe zur Fahne, zum Volk und zum Vaterland", sagt er.

Umstritten sind die Grauen Wölfe vor allem aufgrund ihrer blutigen, faschistoiden Vergangenheit. Gegründet in der Türkei der 1960er vom damaligen Oberst und Nazi-Symphatisanten Alparslan Türkeş, fielen ihnen bei Attentaten und Auseinandersetzungen (in erster Linie gegen die linken kurdischen Erzfeinde) in der Folge Tausende Menschen zum Opfer, ehe die Partei in den 80ern dann für lange Zeit selbst verboten wurde. In den letzten Jahren schaffte es die MHP bei Wahlen wieder meistens recht deutlich über die 10-Prozent Hürde. Geblieben ist die stramm-rechte, pantürkische Ideologie und ihr umstrittene Erkennungszeichen—der Wolfsgruß.

Das Handzeichen, das beim schnellen Hinsehen ein bisschen aussieht wie die klassischen Rock'n'Roll-Hörner, sei ein uraltes, türkisches Symbol, sagen Anhänger wie Ulus B. „Wir machen das im Stadion, auf Demos, am Kinderspielplatz." Auf MHP-nahen Facebook-Seiten findet man den Gruß auf jedem zweiten Selfie. Dieser lockere beziehungsweise provokante Umgang mit der Symbolik führte vor einigen Wochen auch zum großen Aufreger.

„Wir machen diesen Gruß im Stadion, auf Demos, oder am Kinderspielplatz."

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So wurde ein Foto publik, auf dem ein Mann in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Mauthausen den Arm zum Wolfsgruß hob. Dazu die fragwürdige Bildunterschrift: „Mein Bruder, in Hitlers Konzentrationslager. Weder Amerika, noch Russland, noch China! Alles für das Türkentum!"

Es handelte sich um den Schriftführer des türkischen Kulturvereins Avrasya in Linz, Abdurrahman A. Der Verein wurde immer wieder kritisiert, weil er einerseits den Grauen Wölfen nahe steht, gleichzeitig pflegte die Stadt-SPÖ stets gute Beziehungen: Avrasya nahm bei Mai-Aufmärschen teil, erhielt Räumlichkeiten im Rathaus und wurde Mitglied des Integrationsbeirates der Stadt Linz. Lange hatte Bürgermeister Luger hinsichtlich des Vereins beschwichtigt, doch kurze Zeit später tauchte ein weiteres Foto auf, ebenfalls aus dem Umfeld des Avrasya-Funktionärs: diesmal nicht mit Wolfs-, sondern ganz offensichtlich mit Hitlergruß. Anfang April warf man den Verein dann schließlich doch noch aus dem Stadtgremium.

Bilder aus dem Umfeld der Grauen Wölfe, die zuletzt für Empörung sorgten.

Gegenüber VICE erklärt ein Sprecher des Vereins, dass es sich beim zweiten Bild nur um einen „blöden Zufall" handelte: So habe es von der Situation mehrere Fotos gegeben, die Person habe nur den „gängigen" Wolfsgruß machen wollen, auf dem Weg dorthin sei dann diese unbewusste Geste abgelichtet worden.

Avrasya ist nur einer von rund zwanzig MHP-nahen Vereinen in Österreich. Als Dachorganisation gilt die Österreichisch-Türkische Föderation, die seit 1995 in Wien Meidling ansässig ist. Für den Funktionär vom Linzer Verein legt man dort die Hand ins Feuer: „Er ist ein vorbildlicher Mensch in Sachen Integration", meint Vizechef Baki Uslu. „Bei uns gibt es keine Radikalen, dafür schwöre ich auf den Koran." Überhaupt setze man sich gegen Fundamentalismus ein und fördere Integration.

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Das Credo der türkischen Nationalisten lautet heute: Lerne Deutsch, leiste etwas, kleide dich adrett.

Es leuchtet schon ein, was die bemüht freundlichen Altfunktionäre damit beteuern wollen. Die Grauen Wölfe sind in Österreich aktuell sicher kein krimineller, nazistischer Schlägertrupp. Im Bericht des Verfassungsschutzes fanden sie zuletzt 2009 am Rande eine Erwähnung, seither nicht mehr.

In den 90ern war das womöglich noch etwas anders, als es auch hier noch zu heftigeren Auseinandersetzungen mit Kurden, zu Morden und Aktivitäten im Drogenmilieu kam. Mittlerweile geben sich die türkischen Nationalisten angepasst, straff organisiert und eigentlich ziemlich bürgerlich. Ihr Credo: lerne Deutsch, leiste etwas, kleide dich adrett. Selbst die aufmüpfigen Rapper aus Ried, die vor ein paar Jahren wegen Grauer Wölfe-Ästhetik in Kritik geraten, treten gerne auch vor kleinen Kindern und Mamas auf, wenn sie vom Traditionsverein gebucht werden.

Das bedeutet nicht, dass bei der Gruppierung keine rechtsextreme, völkische Ideologie nicht mehr vorhanden ist, wie die Vorfälle in Oberösterreich und ihre vorherrschende Unfähigkeit zur Selbstkritik beweisen. Es bedeutet auch nicht, dass es deshalb generell zu keinerlei Gewalt mehr kommen kann oder die Grauen Wölfe gemäßigt oder geläutet wären—vor allem, wenn alte Konflikte neu aufflammen oder sich neu zuspitzen. Im Moment bleibt abzuwarten, ob sich die Nationalisten nicht als Wölfe im Schafspelz—oder Nadelstreif—herausstellen. In ihrer Rhetorik sind die harten rechten Positionen immer noch sehr deutlich.

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„In Wien werden Demos der PKK geduldet. Man stelle sich vor, ISIS würde hier demonstrieren. Dabei wäre das doch das gleiche."

Das gilt auch bei Ulus B., dessen Eltern vor etwa 30 Jahren als Gastarbeiter kamen. Inhaltlich zeigt sich im Gespräch recht schnell die beinharte, nationalistische Linie. Völkermord an den Armeniern? „Hat es nie gegeben, ist vermutlich eine Erfindung der PKK." Diese ist wiederum eine Terrororganisation, die von Israel und der USA unterstützt wird—und eigentlich zählen alle dazu, die sich bei pro-kurdischen Demonstrationen engagieren.

Überhaupt spart Ulus B. nicht mit Terrorismusvergleichen, auch mit der Terrormiliz IS: „Der österreichische Staat duldet Demonstrationen der PKK. Man stelle sich vor, ISIS würde mit der schwarzen Flagge demonstrieren. Das wäre nicht möglich, dabei wäre es genau das gleiche—beides ist gleich schlimm, beides ist Terrorismus." Er könne daher auch verstehen, wenn junge Türken nicht ertragen, dass hierzulande Terroristen demonstrieren und es gegebenenfalls zu Auseinandersetzungen kommt.

Die Autonomiebestrebungen in der Osttürkei seien jedenfalls „als würde man ihnen ihren rechten Arm nehmen wollen", so Ulus B. weiter. „Wir werden sicher kein Stück Land hergeben. Reich bleibt Reich! [Die PKK] sind Fliegen und wir werden sie bis zum Schluss bekämpfen."

Thomas auf Twitter: @t_moonshine