FYI.

This story is over 5 years old.

Stuff

Von der Punkerin zur "Nikab-Nora": Der Werdegang einer Schweizer Salafistin

Anne Will hätte wissen müssen, wie nahe Nora Illi dem islamistischen Extremismus steht.
Foto: imago | Sven Simon

Immerhin eins hat die Sendung von Anne Will am Sonntagabend erreicht: Vier von fünf Gästen waren sich in einer Sache vollkommen einig. Und zwar darüber, dass der fünfte Gast unmöglich ist.

Der fünfte Gast, das war die vollverschleierte Nora Illi, ihres Zeichens "Frauenbeauftragte" des sogenannten "Islamischen Zentralrats Schweiz". Deren Aussagen haben dafür gesorgt, dass sich Anne Will nun vorwerfen lassen muss, sie habe in ihrer Sendung "Propaganda für den IS" eine Plattform gegeben. "Das kann man im öffentlichen Fernsehen nicht machen", urteilte der Islamismus-Experte Ahmad Mansour noch in der Sendung.

Anzeige

Dabei ging es vor allem um Auszüge eines Textes, den Illi im April 2014 veröffentlicht hatte und in dem sie Eltern von "Syrien-Ausreißerinnen" dazu riet, "einen kühlen Kopf zu bewahren". In dem Text schrieb sie außerdem, aus islamischer Sicht sei nichts daran auszusetzen, nach Syrien zu reisen, um sich dort dem Kampf gegen Assad anzuschließen, das beweise "Zivilcourage". Man müsse nur wissen, dass der Krieg eben eine "bitterharte Langzeitprüfung mit ständigen Hochs und Tiefs" sei. Das klang nicht nur für die Anwesenden wie eine Ermutigung, in den Dschihad zu ziehen.

Das Blöde ist nur: Das hätte man sich denken können. Nora Illi ist nämlich nicht nur irgendeine Vollverschleierte und ihr Verein ist auch nicht irgendein muslimischer Dachverband. Stattdessen ist die Schweizerin eine erprobte Provokateurin, und die Vertreter des "Islamischen Zentralrat Schweiz" (IZRS) sind genau so seriöse Gesprächspartner wie die "Scharia-Polizei" des deutschen Salafisten Sven Lau.

In der Schweiz kennt man die 32-Jährige schon seit geraumer Zeit als "Nikab-Nora". Über ihre Vergangenheit ist nicht allzu viel bekannt. Die Tochter eines deutschen Psychotherapeuten und einer Sozialpädagogin wuchs atheistisch auf, ließ sich aber als Teenager freiwillig katholisch taufen, interessierte sich später aber auch für den Buddhismus.

Auf einer Demo gegen den "zionistischen Apartheid-Staat Israel" lernte sie ihren späteren Ehemann Patric Illi kennen.

Anzeige

Sie war aber auch in der Punk-Szene unterwegs und hing gerne zum Saufen vor dem Bahnhof Zürich Stadelhofen herum. Wann genau sie zum Islam übertrat, ist nicht ganz klar, laut mancher Berichte geschah das auf einer Reise nach Dubai, bei der sie 16 oder auch 17 Jahre alt war, nach anderen Berichten konvertierte sie erst zwei Jahre nach dieser Reise.

2002 nahm sie an einer Demo gegen den "zionistischen Apartheid-Staat Israel" teil und lernte dort Patric Illi kennen, der damals in der Gruppe "Pro-PLO Schweiz" sehr aktiv war. 2003 heirateten die beiden in Jordanien.

Patric heißt heute Qaasim und ist eine dieser Figuren, wie sie nur die bunte westeuropäische Salafisten-Szene hervorbringen kann: Als Jugendlicher war der gebürtige Schweizer eine Zeit lang evangelikaler Christ (ein "Jesus Freak", wie er das selbst nennt), danach durchlief er Phasen als Technoparty-Veranstalter, Hitler-Fan, Schweizer Nationalist, PLO-Unterstützer, Hamas-Fanboy, virulenter Israel-Hasser und schließlich Salafist und Gründer des "Zentralrats", der nur einen Bruchteil der Schweizer Muslime vertritt. Die ganze schillernde Karriere mit all ihren Höhen und Tiefen kann man in diesem ausgezeichneten Porträt der Schweizer Wochenzeitung nachlesen.

An Patrics/Qaasims Seite entwickelte auch Nora Sendungsbewußtsein. Sie, die eine frühere Bekannte als "völlig verunsichert" wirkend beschrieb, zog sich irgendwann den Nikab über und begann, als vollverschleierte Frauenrechtlerin durch die Schweizer Öffentlichkeit zu geistern. "Mein Schleier gibt mir ein Gefühl von Freiheit", erklärte sie 2010 in einer Schweizer Fernsehsendung und löst seitdem regelmäßig Proteststürme von Frauenrechtlerinnen aus. 2012 trat sie mit derselben Linie auch im deutschen Fernsehen bei Menschen bei Maischberger an und wurde damit schlagartig bekannt.

Anzeige

IS-Sympathisanten sind die beiden Illis aber trotzdem nicht.

Mittlerweile hat Illi die Masche des verschleierten Medienmagnets ziemlich gut raus. Als das Schweizer Kanton Tessin ein Gesichtsverhüllungsverbot erließ, erschien Illi mit Schleier auf dem Kopf und Journalisten im Schlepptau auf der zentralen Piazza von Locarno und kassierte trotzig das allererste Bußgeld. Neben der Vollverschleierung verteidigt sie auch das Prinzip der Mehrehe: "Es liegt in der Natur des Mannes, dass er sich irgendwann nach einer anderen Frau sehnt", schrieb sie 2011 in einer Kairoer Zeitung.

Nach Kairo gereist waren Nora und Qaasim, um den Umsturz auf dem Tahrir-Platz live mitzuerleben. Was genau sie dort sonst noch gemacht haben, ist unklar, aber laut Qaasim selbst wird seine Frau jetzt von der ägyptischen Regierung "per Haftbefehl gesucht wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung."

IS-Sympathisanten sind die beiden Illis aber trotzdem nicht. Stattdessen sind sie, ähnlich wie zum Beispiel der befreundete deutsche Salafist Pierre Vogel, mehr oder weniger offene Kritiker des IS—und unterstützen stattdessen umso aktiver dessen interne islamistische Gegner, vor allem al-Qaida.

Letztes Jahr präsentierte der IZRS sogar stolz ein Video-Interview mit dem hochrangigen Islamisten-Führer Abdallah al-Muhaysni, der eine al-Qaida-Gruppe in Syrien anführt und für mindestens ein Massaker verantwortlich ist. In einem Interview mit der Schweizer Boulevard-Zeitung Blick vor zwei Jahren weigerte sich Nora Illi auch ausdrücklich, sich von al-Qaida in Syrien zu distanzieren. "So lange die Opposition vereint gegen Assad kämpft, kann ich nur dahinterstehen", erklärte sie damals. "Krieg ist leider immer blutig und es gibt immer Gräueltaten—auf beiden Seiten."

Dass Nora Illi nicht nur ein paar schräge Ansichten über Männer und Frauen hat, sondern sich zusammen mit ihrem Mann immer wieder haarscharf an der Grenze dazu bewegt, Terror zu unterstützen, ist in der Schweiz also schon lange bekannt. Dank Anne Will jetzt auch in Deutschland.