FYI.

This story is over 5 years old.

Mode

Nachhaltige Mode gibt es nicht

Du kaufst bio und fair ein? Schön für dich. Aber glaub bloß nicht, dass du damit die Welt verbesserst, sagt Tansy E. Hoskins.

Das ist Tansy | Foto: Henna Malik

Über drei Jahre ist es her, dass die Bilder des eingestürzten Nähfabrik-Gebäudes in Bangladesch um die Welt gingen. Über 1.000 Menschen wurden damals getötet, über 2.000 verletzt. Seitdem wurde einiges darüber geschrieben, dass Arbeiter und die Umwelt dafür bezahlen, dass wir T-Shirts für vier Euro kaufen können. Viele schworen sich damals: nie wieder umweltschädliche Fast-Fashion, die unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wird.

Anzeige

Viele große Modemarken sind auf den Nachhaltigkeitszug aufgesprungen: Zara brachte im September 2016 die "Join Life"-Linie heraus, H&M bietet seit 2011 eine Conscious-Kollektion an. Aber kann Mode—"das Lieblingskind des Kapitalismus"—überhaupt nachhaltig sein? Schließlich ist das ganze System darauf ausgelegt, den Wunsch nach etwas Neuem zu wecken, mehr zu wollen, als man bereits hat.

Tansy E. Hoskins leuchtet in Das antikapitalistische Buch der Mode die Industrie in ihren dunkelsten Ecken aus und beschreibt, wie Mode uns konsumhungrig hält. Sie argumentiert, dass man kein richtiges Leben im falschen haben kann—und keine Weltverbesserung mit nachhaltiger Kleidung kaufen kann.

VICE: Das T-Shirt, das ich anhabe, behauptet, "fair und nachhaltig hergestellt" zu sein. Ist es denn nicht besser, als hätte ich eines bei Primark gekauft?
Natürlich ist das besser. Aber du darfst nicht glauben, dass du die Welt durch Shoppen verbesserst. Der Kapitalismus bringt uns bei, dass wir durch individuelle Kaufentscheidungen etwas bewegen können. Aber die Modeindustrie ist eine der größten Industrien der Erde und deren Probleme kann man nur lösen, wenn man gemeinsam handelt. Man stoppt ja auch keine Kriege oder die Klimaerwärmung allein.

Das Gegenargument ist aber: Wenn viele Menschen nachhaltige Mode kaufen, denkt die Industrie vielleicht um.
Wenn du nachhaltig einkaufst, hilfst du nur einzelnen Marken—und vielleicht deinem Gewissen. Das System mit allen seinen Problemen bleibt aber bestehen, die Umweltverschmutzung oder die Ausbeutung der Arbeiter. Der Begriff "nachhaltige Mode" gaukelt vor, dass wir uns eine bessere Welt erkaufen, nicht erkämpfen können. Es bringt den Menschen bei, nur an sich zu denken, anstatt sich zusammenzuschließen und gemeinsam für eine Sache einzustehen.

Anzeige

Foto: Promomaterial des Verlags

Was kann ich dann tun?
Du kannst dich zum Beispiel in Bewegungen engagieren, die versuchen, die Modeindustrie zu verändern: Umweltschutzorganisationen, Gewerkschaften oder Gruppen, die sich für die Rechte der Fabrikarbeiter einsetzen. Greenpeace engagiert sich gegen Chemikalien in Textilien. Und in Deutschland kämpft zum Beispiel die Kampagne für saubere Kleidung für Rechte der Arbeiter und eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen.

Also wäre mein Geld besser in einer Greenpeace-Spende aufgehoben als in einem T-Shirt aus Biobaumwolle?
Man kann beides machen. Wenn du das Geld hast, ist nichts Falsches dabei, Biobaumwolle zu kaufen. Aber das haben längst nicht alle. Ich finde es wichtig, dass man Menschen nicht ausschließt, nur weil sie sich bestimmte Konsumgewohnheiten nicht leisten können. Sich in Arbeitsgruppen zu engagieren, kostet erstmal nur Zeit, man muss ja nicht unbedingt spenden. Außerdem stößt es mir auf, wenn die Verantwortung auf den Konsumenten abgewälzt wird, anstatt die Marken zur Rechenschaft zu ziehen. Die Message ist: Du bist an Sklavenarbeit schuld, wenn du die falschen Klamotten kaufst. Dabei sollte die Frage sein: Warum gibt es überhaupt noch Marken, die mit Kinder- oder Sklavenarbeit produzieren oder in Gegenden mit knappen Wasserressourcen?

In deinem Buch klagst du die Modeindustrie nicht nur wegen Umweltverschmutzung und prekären Produktionsbedingungen an, sondern auch wegen Rassismus.
Naomi Campbell war Anfang der Nullerjahre auf dem Cover der britischen Vogue zu sehen. Erst 12 Jahre später war das nächste schwarze Model auf der Titelseite, Jourdan Dunn. So etwas prägt unser Schönheitsideal. Die Modeindustrie sagt uns nicht nur, was wir tragen, sondern auch wie wir aussehen sollen: angefangen bei der Hautfarbe, über unseren Hüftumfang und wie viele Falten wir haben dürfen. Es würde uns allen gut tun, wenn wir nicht nur ein Schönheitsideal hätten, sondern unterschiedliche Vorbilder—alte, dicke, schwarze. Oder gar keine Vorbilder—und einfach zufrieden damit wären, wie wir sind.

Ein Kapitel deines Buches heißt auch "Mode widerstehen". Was können wir dagegen tun, immer wieder nach Neuem zu lechzen?
Das ist sehr schwer, dieser Wunsch wurde uns seit der Kindheit eingepflanzt. Es ist ja nicht im Interesse der Modeindustrie, dass Menschen sich so wohl fühlen, wie sie sind. Sie will ja immer wieder neue Dinge verkaufen. Wir sollten lernen, auf andere Wege glücklich zu sein als durch Konsum, und unsere Bestätigung woanders suchen. Aber das ist vor allem für Frauen schwer, die auch im Jahr 2016 hauptsächlich danach bewertet werden, wie sie aussehen.

Soziale Medien machen es nicht einfacher: Wenn man ständig für Facebook oder Instagram fotografiert wird, ist der Druck größer, nicht das gleiche Kleid am nächsten Wochenende zu tragen, oder am Wochenende drauf. Versteht mich nicht falsch: Das Streben nach Schönheit und Kreativität ist etwas Tolles und Menschliches. Aber das Leben wäre viel einfacher, wenn nicht ein System, dessen Ziel es ist, möglichst viel zu verkaufen, uns vorschreiben würde, wie wir auszusehen haben.