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Schlägerei

Ein Fankrieg zwischen zwei YouTubern hat in Berlin einen Großeinsatz ausgelöst

Die Bilanz: neun Festnahmen, 13 Ermittlungsverfahren und zwei sichergestellte Messer.
Szenen einer Schlägerei zwischen YouTubern auf dem Alexanderplatz
Screenshot: YouTube | YC_Dexter || Handy: Pixabay

Der Berliner Alexanderplatz ist für so manches bekannt: Kriminalität, Demonstrationen, peinliche Volksfeste und für einen Roman, den viele Schüler und Schülerinnen irgendwann mal im Deutschunterricht lesen sollen, es aber nicht wirklich tun. Was bisher noch nicht mit dem Alex in Verbindung gebracht wurde sind Fankriege zwischen YouTubern.

Richtig gelesen: Am Donnerstagnachmittag ab etwa 17:30 Uhr gerieten auf dem Alexanderplatz die Fans zweiter deutscher YouTuber aneinander. Mehrere Streifenwagen, Krankenwagen und Bereitschaftspolizisten waren im Einsatz, es gab Schlägereien und die Beamten setzten Reizgas ein, um die rivalisierenden Lager zu trennen. Am Freitagmorgen sagte ein Polizeisprecher gegenüber der Morgenpost, etwa 400 Menschen seien anwesend gewesen, 50 von ihnen hätten sich an der Auseinandersetzung beteiligt.

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Nachdem sich die Situation auf dem Alexanderplatz wieder einigermaßen beruhigt hatte, ging es im angrenzenden U-Bahnhof weiter. Dort seien etwa 20 Personen ins Gleisbett gesprungen und hätten sich mit Steinen beworfen. Erst um 21:30 Uhr sei der Einsatz beendet gewesen, sagte der Polizeisprecher. Die Bilanz: Neun Personen wurden vorübergehend festgenommen, 13 Strafermittlungsverfahren eingeleitet und zwei Messer sichergestellt.

Beef zwischen YouTubern verlagert sich auf die Straße

ThatsBekir

ThatsBekir in seiner Instagram-Story am Donnerstag || Screenshot: Instagram | ThatsBekir__

Dass es zwischen YouTubern immer mal wieder Stress gibt, ist nicht neu, manche Kanäle haben sich sogar darauf spezialisiert, die Auseinandersetzungen wie in einer Daily Soap zu inszenieren. Inhaltlich geht es seltener darum, ob nun Sami Slimani oder Bibi die bessere Gesichtscreme verwenden, sondern meist um Kontroversen der Sorte "A hat gesagt, dass B ein C ist". Das Ganze wird dann in mehreren Videos ausführlichst breitgelabert, jeder bekommt seine Abrufe und die Sache ist irgendwann erledigt.

Im aktuellen Fall allerdings hat sich der Beef auf die Straße verlagert. Beteiligt sind zwei YouTuber. Auf der einen Seite: ThatsBekir aus Stuttgart mit rund 160.000 Abonnenten. Auf der anderen Seite: ein User, der sich Bahar al Amood nennt, mit knapp 14.000 Abonnentinnen. Er soll, wie die Morgenpost schreibt, "zu einer arabischstämmigen Berliner Großfamilie" gehören. Vergangene Woche rief ThatsBekir in einem Video zu einem Fantreffen auf dem Alexanderplatz auf, al Amood soll das gleiche getan haben.

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Vorangegangen war ein Streit der beiden, der sich seit einigen Wochen in mehreren Clips angedeutet hatte. ThatsBekir soll al Amood mutmaßlich in einem Livestream "Hurensohn" genannt haben, erzählt der YouTuber Jounes Amiri in einem Video. Er war am Donnerstagnachmittag vor Ort und erklärt den Ablauf so: Der Berliner wollte den Stuttgarter daraufhin konfrontieren und eine Entschuldigung hören, die er aber offenbar nicht bekam.

Eine Aufnahme zeigt, wie sich beide Beteiligten in einer Menschenmasse gegenüberstehen, jemand ruft offenbar "Schlag ihn!". Kurz darauf scheint al Amood seinem Kontrahenten tatsächlich ins Gesicht zu schlagen, woraufhin die Auseinandersetzung entflammt und mehrere junge Männer aufeinander losgehen. "Ich hab' zu Bekir gesagt, er wird seine Schelle bekommen", sagt al Amood später in einer Sprachnachricht an Amiri, die dieser in seinem Video veröffentlicht.

"Mir geht es schlecht, ich brauche Pause"

Noch am Donnerstagabend meldeten sich beide YouTuber auf Instagram. "Mir geht es schlecht. Ich hoffe, dass ich morgen reden kann. Ich brauche Pause", schrieb ThatsBekir in einer Story. Bahar al Amood war gesprächiger: "Ich hoffe, dass es euch allen gut geht, das mit der Polizei tut mir leid. Wir haben versucht, es mit Reden zu klären", schreibt er. Zudem kündigte er für Freitag noch ein erklärendes Video auf YouTube an. Gleichzeitig scheint die Sache noch nicht vorbei zu sein: "Es hat alles jetzt erst angefangen!", warnt er.

Bahar al Amood

Bahar al Amood antwortet auf Instagram. | Screenshot: Instagram | baharalamood

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VICE hat beide Männer kontaktiert, aber noch keine Rückmeldung erhalten.

"Das ist doch irgendwie krank", sagt Jounes Amiri zu der ganzen Aktion, "ich habe das Gefühl, YouTuber-Schlagen wird zum Trend." Tatsächlich wurde vorgestern auch der YouTuber Yavi TV (320.000 Abonnenten) von einem anderen YouTuber und dessen Fans in Frankfurt angegriffen.

Ist das nun die logische Entwicklung? Früher hat man sich auf dem Schulhof mit den Rivalen aus der Nachbarklasse geprügelt, heute wird der Beef auf YouTube ausgetragen, vor laufenden Kameras und mit der Unterstützung häufig minderjähriger Zuschauer und Zuschauerinnen. Reden wir bald von YouTube-Bandenkriegen, deren Lager sich mit Smartphones bewaffnet in deutschen Innenstädten verabreden? Folgt bald ein ARD-Brennpunkt mit dem Thema "Die Gewalt, die aus der Röhre kam?"

Seien wir ehrlich: Am Ende steckt hinter der ganzen Aktion vermutlich nicht viel mehr als spätpubertäre Eitelkeiten und einige verletzte Egos. Was die gewalttätigen Auseinandersetzungen, ob in Frankfurt oder jetzt in Berlin, natürlich nicht entschuldigt. Im Gegenteil, mit der Aktion beweisen die Beteiligten der gesamten deutschen YouTube-Szene einen Bärendienst. "Unglaublich, was dieser Einsatz wieder kosten wird", sagte ein Passant am Alexanderplatz im Gespräch mit VICE.

Ein anderer brachte es auf den Punkt: "Ich glaube, dafür bin ich zu alt."

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