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Herzlichen Glückwunsch, Niantic, ihr habt 'Pokémon Go' zerstört

Die Entscheidung, dem Tracking-System Pokévision einen Riegel vorzuschieben, hat viele Spieler verärgert—vor allem deswegen, weil die Entwickler ihre eigenen Hausaufgaben nicht erledigen.
Screenshot von YouTube aus dem Video "Discover Pokémon in the Real World with Pokémon GO!"

Screenshot von YouTube aus dem Video "Discover Pokémon in the Real World with Pokémon GO!"

Sofern du die letzten Wochen nicht unter einem Stein gelebt hast, solltest du schon mal von Pokémon Go gehört haben—also dem unfassbar erfolgreichen Smartphone-Spiel von Niantic, das die Programmierer in Zusammenarbeit mit der Pokémon Company entwickelten. Durch eine Mischung aus GPS-Tracking und Augmented Reality macht es Pokémon Go den Spielern möglich, in der echten Welt auf Pokémon-Jagd zu gehen. Die Macher konnten auch direkt große Erfolge feiern, aber all das wird sich jetzt wohl ändern. Niantic hat nämlich eine richtig dumme Entscheidung getroffen.

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Als Pokémon Go Anfang Juli auf den Markt kam, funktionierte das einfache, aber praktische Tracking-System noch folgendermaßen: Wenn sich ein Pokémon in der Nähe des Spielers befand, zeigte das Spiel unter dem Bild des kleinen Monsters Fußabdrücke an. Wenn man also zum Beispiel ein Glumanda mit einem einzigen Fußabdruck sah, bedeutete das, dass das Pokémon nur einen Steinwurf weit weg war. Drei Fußabdrücke deuteten hingegen an, dass einem noch ein ziemlicher Spaziergang bevorstand. Um das ins Auge gefasste Pokémon nun wirklich zu fangen, musste man in dessen Richtung laufen und hoffen, dass die Anzahl der Fußabdrücke weniger wurde. Klar, das war jetzt nicht gerade das eleganteste System der Welt und es hat auch oft für einige Ausraster gesorgt, aber man stellte den Spielern zumindest eine gewisse Hilfe zur Verfügung.

Dann kam jedoch der Bug mit den drei Fußabdrücken und fuhr das System komplett an die Wand. Egal wie weit man sich jetzt nämlich von einem Pokémon weg befand, das Spiel zeigte immer drei Fußabdrücke an. Ein seltenes Dragoran auf deinem Radar? Viel Glück bei der Suche, mein Freund! All das hätte Pokémon Go schon fast das Genick gebrochen, weil nämlich auch noch erschwerende Gerüchte hinzukamen, dass der "Bug" so von Niantic gewollt war, um die überforderten Server zu entlasten.

Der Mensch ist jedoch erfinderisch und wenn sich irgendwo ein Loch auftut, kann man auf jeden Fall darauf wetten, dass dieses Loch bald nicht mehr da sein wird. Und so entstand mit Pokévision (und ähnlichen Lösungen) auch plötzlich ein browser-basiertes System, mit dem die Spieler ihre Umgebung gezielt nach Pokémon absuchen konnten. Dabei waren auch keine Fußabdrücke nötig, denn Pokévision sagte einem nicht nur genau, wo sich das Ziel befand, sondern auch, wie lange es sich dort noch aufhielt. Das Spiel war gerettet und alle Pokémon-Trainer dieser Welt konnten aufatmen.

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Aber war das schon Schummeln? Klar, man könnte ein solches Vorgehen schon so bezeichnen. Da es jedoch kein offizielles und vor allem funktionierendes System mehr gab, mussten wir uns eben selbst helfen. Als Forbes Niantic fragte, was man dort denn von Tools wie eben Pokévision halte, fiel die Antwort aber auch dementsprechend negativ aus. So meinte Niantic-CEO John Hanke im Interview mit dem Magazin:

"Ja, das gefällt mir natürlich nicht wirklich. Ich bin kein Fan davon. Wir haben derzeit andere Prioritäten, aber schon bald könnten solche Programme nicht mehr funktionieren. Eigentlich schneiden sich die Spieler damit nur ins eigene Fleisch, weil das Ganze so keinen Spaß mehr macht. Man versucht, unser System zu überlisten und Daten abzuschöpfen. Und das verstößt gegen die Nutzungsbedingungen." Diese Haltung wäre durchaus verständlich, wenn man das eigentliche Tracking-System nicht so kaputt gemacht hätte. Und Hankes Aussage sollte sich auch nicht als leere Drohung herausstellen, denn nur drei Tage nach der Veröffentlichung des Interviews war Pokévision nicht mehr verfügbar.

Hey guys. We wish we had some news for you

At this moment, we are respecting Niantic and Nintendo's wishes.

Will keep you guys posted

— Pokevision (@PokeVisionGo)July 31, 2016

Der derzeitige Stand ist also, dass Pokémon Go kein brauchbares Tracking-System besitzt und die Spieler einfach "blind" durch die Gegend laufen müssen—in der Hoffnung, auf ein wertvolles Pokémon zu stoßen. Herzlichen Glückwunsch, Niantic, ihr habt es verkackt. OK, Pokévision hat euch nicht gefallen, aber bitte bringt doch erstmal eine funktionierende Lösung an den Start, bevor ihr uns externe Hilfswerkzeuge wegnehmt.

Ihr habt ja nicht mal angekündigt, bis wann ihr das Problem lösen wollt. Beim letzten Update haben die Entwickler das Fußabdruck-System sogar komplett entfernt—wahrscheinlich damit sich die Frustration der verwirrten Spieler in Grenzen hält. Dieser Zug lässt vermuten, dass man das eigentliche Problem in nächster Zeit nicht beheben wird. Ohne zuverlässige Möglichkeit, die gewünschten Pokémon zu finden, vergeht erfahrenen Spielern die Lust auf Pokémon Go. So verlangen viele schon Rückerstattungen, da sich ihre Pläne für die In-App-Käufe geändert haben.

Wir alle haben schon diverse Berichte darüber gelesen, dass Pokémon Go nur ein kurzlebiger Hype sei, der in ein oder zwei Monaten wieder vorbei sein wird. Genau deshalb sollten die Entwickler doch eigentlich alles dafür tun, die Kritiker vom Gegenteil zu überzeugen. Niantic hat Pokévision jedoch einen Riegel vorgeschoben und damit den Schwung des Spiels ebenfalls gekillt. Genau dieser Schwung ist für den beständigen Erfolg jedoch unerlässlich. Zwar kann man davon ausgehen, dass Pokémon Go bei weltweit 75 Millionen Spielern durch dieses Ärgernis nicht komplett untergehen wird, aber ein Großteil der Hardcore-Fans fühlt sich dennoch ignoriert. Und gleichzeitig gibt es für Neulinge weniger Anreiz, das Ganze überhaupt auszuprobieren bzw. dabeizubleiben.