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Popkultur

Matrix ist veraltet und peinlich

Bitte macht kein Remake von Matrix, denn es ist OK, dass Dinge irgendwann alt und lahm werden.

Dieses Jahr feiert der erste Film der Matrix-Trilogie sein Jubiläum. Ein paar wenige Medien widmetem diesem Anlass hagiografische Rückblicke auf das „bleibende Vermächtnis" des Films, seinen Themen, und der unvergesslichen Iconografie; aber größtenteils scherte sich eigentlich niemand darum.

Ich war 14, als Martix herauskam und interessierte mich zu dem Zeitpunkt weit mehr für das bevorstehende Star Wars-Prequel, weshalb mir ein Film, in dem der Typ von Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit zwei Stunden lang eine Sonnenbrille trägt, scheißegal war. Ich bekam von Freunden, die mutig genug waren, eine Vorstellung zu besuchen, zu hören, wie „total krank" Matrix war, und dass es mich „förmlich umwerfen" würde. Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis ich endlich die Berührung einer Frau zu spüren bekam, aber dieser Film klang wie ein cineastischer Trostpreis dafür.

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Da ich bereits damals ein Zyniker in Ausbildung war, versuchte ich, das ganze Bro-Getobe und die Übertreibung zu ignorieren. Es dämmerte mir nicht ein einziges Mal, dass hinter ihrem Gerede tatsächlich irgendwas stecken könnte, bis ich auf dem Weg zu Star Wars Episode I an einem Saal vorbeiging, in dem Matrix gezeigt wurde. Zwischen den Schießereien, der bombastischen Musik und den philosophischen Dialogen hörte ich echtes Entsetzen und lautes Aufatmen aus dem Saal kommen. Das letzte Mal, als ich diese Geräusche zuvor bei einem Film gehört hatte, war bei der Poolsexszene von Showgirls—und damals kamen sie von mir, aus meinem Zimmer, während ich masturbierte.

Matrix wurde zu einem Phänomen der Popkultur, das Videospiele, Cartoons, Merchandise und zwei beschämende Fortsetzungen hervorbrachte, für die wir heute alle Geld zahlen würden, um sie wieder zu vergessen. Es war der ideale Film für die Gesellschaft, in die er geboren wurde und in dem Moment eine echte Bereicherung des Zeitgeists, den Matrix förmlich neu definierte. Aber es gibt auch eine dunkle Seite dieser Relevanz, die zu sehr auf einen Moment fixiert ist, und das ist, wie das Opus Magnum der Wachowskis bei nachfolgenden Generationen ankommt. Matrix war perfekt für 1999, aber den Film im Jahr 2014 anzuschauen, fühlt sich an, als würde man sich heute ein Limp Bizkit Album anhören—also wie etwas, von dem man dringend abraten sollte.

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Der Matrix-Soundtrack umfasst so „legendäre" Künstler wie die Propellerheads, Deftones, Monster Magnet, Marilyn Manson und Rammstein. Die CD wird im Privatfernsehen seit damals als Soundtrack für so ziemlich alles von Galileo bis zu Heimwerkersendungen verwendet. Selbstverständlich erhöht der Soundtrack der Fortsetzung seinen Einsatz und beauftragte Linkin Park und POD (verantwortlich für dieses lächerliche, beschissene Video da oben), Tracks beizusteuern.

Die Popmusik in diesen Filmen war wie das weltweit schlechteste Ozzfest Line-up, wie man am Auftritt der Dave Matthews Band am Soundtrack zu Matrix Reloaded sieht. Ich meine, Dave Matthews Band! Irgendwie aber auch wieder passend, da ihr Werk wie eine Computersimulation von Musik klingt. Im Jahr 1999 war der beliebteste Promi der Wrestler „Stone Cold" Steve Austin. Die Zeiten waren hart und das gilt ganz besonders für die Musik. Der Matrix-Soundtrack verkörpert diese dunkle Ära ziemlich perfekt.

Matrix ist von der beschissenen Musik, bishin zu den zweifelhaften Outfits hoffnungslos veraltet. Du denkst jetzt spöttisch „Ja, na und? Irgendwann sind alle Soundtracks und Kostüme veraltet. Darum findest du Matrix lahm?" Ja, obwohl mich der folgende Screenshot des POD-Videos vielleicht umstimmt:

Die Musik (und die Kleidung) ist tatsächlich das leichteste Ziel für Spott, aber wenn du genauer hinschauen würdest, würdest du merken, dass dieser Film in einer Schleife aus nicht enden wollendem Anachronismus gefangen ist, der er niemals entkommen können wird.

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Vor Matrix wusste die Popkultur nicht, wie sie sich an das neue Paradigma, entstanden durch die ständig besser werdende Leistung von Computern und das Internet, anpassen sollte. „Evil Technology"-Filme gab es in den Neunzigern wie Sand am Meer. Es gab Filme wie diesen Sandra-Bullock-und-Dennis-Miller-Streifen, The Net, der sowas wie das filmische Äquivalent zu gruseligen Nachrichtenmeldungen über Rasierklingen in Halloween-Süßigkeiten ist. "Hacker stehlen dir deine Kreditkarten… und deine Seele!"

Kathryn Bigelow's Strange Days hat vorausgesagt, dass Menschen im Jahr 1999 sich ihren Kick von Virtual-Reality-Recordings von Snuff-Filmen holen. In der Realität sieht es so aus, dass wir immer noch nicht herausgefunden haben, wie man 3-D-Filme wirklich erträglich macht. Früher war es der bahnbrechende Film von Bigelow's Ex-Mann, Terminator, der die Geschichte von einem zukünftigen Krieg zwischen Mensch und Maschine erzählte. Matrix hat diese Geschichte wiederbelebt, indem Computer und das Internet eine Verbindungsstelle zur eventuellen menschlichen Evolution darstellen—eine leere Leinwand voller unbegrenzter Möglichkeiten. Tatsächlich konnte Technoligie so als etwas Aufregendes dargestellt werden. Mit Computern kannst du fliegen, Kugeln ausweichen und Fremdsprachen lernen—zusätzlich dazu, dass du von gigantischen Tintenfisch-Monstern versklavt wirst. Aber ich greife voraus, zurück zum Anfang.

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Wenn du die Geschichte von Matrix nicht kennst, weil du 12 bist und dein Lieblingsfilm Frozen ist, lass es mich dir kurz erklären: Keanu Reeves ist ein nerdiger Programmierer, der von coolen Leuten in Leder-Overalls und IBM-Programmierern von 1957, die immer Sonnenbrillen tragen, verfolgt wird. Die IBM-Programmierer scheinen ziemlich böse zu sein, wahrscheinlich weil sie Krawatten tragen. Die coolen Leute in Leder-Overalls scheinen die Guten zu sein, weil sie auf Raves herumhängen und Karate können. Es stellt sich heraus, dass Keanu in einer Welt lebt, die eigentlich eine Computersimulation des Jahres 1999 ist. In der echten Welt ist er mit einer Maschine verbunden, die Energie aus seinem leblosen, komatösen Körper extrahiert. Das ist das Schicksal der gesamten Menschheit, während empfindsame Maschinen die Weltherrschaft übernommen haben und Menschen dafür verwenden, ihrer bösen Maschinenwelt als Batterien zu dienen.Warum hassen die Maschinen die Menschen so sehr? Du wirst dir ein komplett unabhängiges Cartoon-Prequel ansehen müssen, um das herauszufinden.

Auf jeden Fall, die IBM-Typen sind eigentlich Computerprogramme, deren Job es ist, die Menschen davon abzuhalten, die Wahrheit herauszufinden. Die Leder-Karate-Raver sind befreite Menschen, die zurück in „die Martix" gehen, um andere Menschen aus diesem psychischen Gefängnis zu befreien. Keanu ist ihr Messias, über den prophezeit wurde, dass er die Menschheit aus der Sklaverei erretten würde. Aber bevor er das machen kann, muss er lernen, an sich selbst zu glauben.

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Klingt nach einem ziemlich sensationellen Film, nicht? Naja nicht so schnell,Gläuber. Abgesehen von der schlechten Mode, den Nu-Metal-Grässlichkeiten und einem ungesunden Vertrauen in die Farbe Grün, ist Matrix nur ein gottverdammter Film, in dem böse Computer den Planeten zerstören wollen. Sorry, aber in 2014 sind wir uns alle bewusst, dass es nicht die Technologie ist, die uns zerstören wird, sondern die reichen Industriellen, denen nur ihr persönlicher Profit am Herzen liegt. Wenn du also dachtest, das jüngste Johnny Depp-Häufchen Transcendence wäre schon ein Rückschritt in die Neunziger gewesen—ähm, ja.

Dabei ist Matrix technisch keineswegs schlecht gemacht. Der Film hat ein gutes Tempo, ist spannend, manchmal sogar ganz clever und visuell ziemlich anregend. Er ist nur vom Design bis zur Kernhandlung komplett im Jahr 1999 gefangen, so wie Thomas Anderson bevor er zum Goth-Jesus wurde. Matrix ist einfach der recyclte Nachkomme von allem, was vor ihm war.

Es gibt nicht viele Sci-Fi- oder Fantasyfilme, die so viel Einfluss wie Matrix hatten, aber es gibt da ein paar. Star Wars, der erste moderne Blockbuster, fällt ohne Schwierigkeiten in diese Kategorie. Die Tatsache, dass ein Haufen Leute in einem Wohnzimmer, die ein Script lesen, auch nur ein kleines Bisschen Medienaufmerksamkeit bekommen, ist ein Beweis für die langfristigen Nachwirkungen des ersten Release des Filmes im Jahr 1977. Ohne Star Wars wäre die Welt eine andere.

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Auf der anderen Seite dieses exklusiven Spektrums steht Blade Runner. Ein Disaster, was die Kritiken und den kommerziellen Erfolg betrifft, weshalb Ridley Scott's dystopischer Thriller natürlich nicht das Popularitäts-Level von Star Wars erreicht hat, aber seine einzigartige Vision der Zukunft hat ihre dreckigen Fingerabdrücke über alle Sci-Fi-Filme verteilt, die danach kamen—auch über Matrix.

Das Fünfte Element, Judge Dredd, Dark City, The Crow, und jeder Sci-Fi- oder Fantasy-Film, der ab 1982 vor Matrix existiert hat, ist eine Kopie von dem verregneten, industrialisierten, aber doch ästhetischen Albtraum aus Blade Runner.

Blade Runner und Star Wars könnten in ihrer Aufmachung, Titelmusik, Gangart und ihrem Ton nicht verschiedener sein. Und nichtsdestotrotz haben die Wachowski Geschwister sie beide betrunken gemacht, sie miteinander Sex haben lassen und neun Monate (oder 20 Jahre) später haben sie ein Baby namens Matrix bekommen—eine düstere, unheilvolle, trostlose Jesus-Allegorie über den Kampf zwischen Gut und Böse. Das einzige, das Matrix wirklich von seinen Vorfahren unterscheidet, ist ein Haufen nervender Songs von schrecklichen Bands und die verzögerte Dauer des Kugel-Flugs. Stell dir einen Donna Summer Song in der Kantinen-Szene von Star Wars vor.

Komm schon, stells dir vor. OK, stell es dir lieber nicht nur vor. Hör dir das an während du dir die Kantinen-Szene ohne Ton ansiehst:

Also, um Gottes Willen, macht kein Remake von Matrix. Es ist ein kulturelles Artefakt einer anderen Zeit, so wie RoboCop, Seinfeld, The Dukes of Hazzard und Monica Lewinsky. Wir sollten diese Dinge dort lassen, wo sie hingehören. Es ist OK, dass Dinge irgendwann alt und lahm werden. Meine Kinder werden Die Tribute von Panem und Twilight absolut verabscheuen, die die Jugendlichen von Heute wie hungrige Vöglein schlucken. Manche Dinge sind kein zeitloser Klassiker. Dieses Eingeständnis ist der erste Schritt des Heilungsprozesses.