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Wer hat das Flüchtlingsdenkmal in Berlin angezündet?

Die Flüchtlinge sind überzeugt, dass der Brand vor allem der Politik nutzt.
Foto: Marcus Staiger

In der Nacht von Montag auf Dienstag brannte auf dem Oranienplatz in Berlin Kreuzberg die Kunstinstallation „Haus der 28 Türen" nieder, ein Pavillon, der als Treffpunkt für Geflüchtete vorgesehen war. Errichtet wurde das Holzhaus im letzten Jahr zunächst auf dem Tempelhofer Feld als Kunstwerk, das mit seinen verschlossenen und geöffneten 28 Türen an die 28 Mitgliedstaaten der EU erinnern sollte, die sich zunehmend gegen die globalen Flüchtlingsströme abschotten.

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Das zerstörte Denkmal. Alle Fotos: Marcus Staiger

Nachdem nach anderthalb Jahren Besetzung das Protest-Zeltlager auf dem Oranienplatz im April 2014 geräumt wurde und ein Zirkuszelt an derselben Stelle niedergebrannt war, wurde das 28-Türen-Haus auf den Platz verlegt und seitdem von Geflüchteten und Unterstützern instand gesetzt, um als Versammlungsort genutzt zu werden.

Dass der Flüchtlingsbewegung überhaupt ein Treffpunkt zur Verfügung stehen sollte, war Teil einer Vereinbarung zwischen Senat, Bezirk und Vertretern von Geflüchteten, in der den protestierenden Refugees noch weiter Zugeständnisse gemacht wurden, die allesamt mehr oder weniger nicht eingehalten worden waren.

Nun droht mit dem Brand von Montagnacht, auch der letzte Überrest des Protestes aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit zu verschwinden, was den Verantwortlichen in der Berliner Politik vielleicht gar nicht so unrecht wäre. Diese Vermutung äußerten zumindest die Vertreterinnen und Vertreter der Bewegung, die am Donnerstagmorgen zu einer eher kurzfristig angesetzten Pressekonferenz geladen hatten.

So erinnerte die Sprecherin Napuli Langa an die Ereignisse vor einem Jahr, wie Sozialsenatorin Dilek Kolat, die maßgeblich für die Auflösung des Zeltlagers verantwortlich war, verschiedene Flüchtlingsgruppierungen mit Hämmern und Stemmeisen ausgerüstet hatte, mit denen diese dann auf andere Geflüchtete losgingen. Frau Langa stellte in ihrem Statement auch mehrere Male das „C" im Namen der CDU infrage und erklärte, dass sie von dieser „Christlichkeit" als Geflüchtete nicht all zu viel spüren würde.

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Turgay Ulu und Napuli Langa

Turgay Ulu, Aktivist der ersten Stunde und Mitorganisator des Flüchtlingsmarsches auf Berlin, mit dem die selbstorganisierte Flüchtlingsbewegung im Jahr 2012 ihren Anfang nahm, betonte mehrmals, dass man zwar nicht wisse, wer das Haus angezündet habe, dass der Anschlag aber trotzdem als politische Tat zu werten sei.

Ob nun durch eine gezielte Neonazi-Attacke, aufgrund von Nachbarschaftsstreitigkeiten oder aufgrund von purem Vandalismus—der Brand selbst sei im Interesse der Politik, die keine Sympathie für einen selbstorganisierten Flüchtlingsprotest habe und sich auch mit anderen Maßnahmen gegen Geflüchtete wenden würde.

Ulu machte in diesem Zusammenhang auf die bevorstehende Asylrechtsverschärfung aufmerksam, die aktuell von der Großen Koalition betrieben wird und die Anfang Mai im Bundestag verabschiedet werden soll. Er hob hervor, dass mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung eine Masseninhaftierung von Flüchtlingen drohe und erklärte, dass sich die Bewegung trotz aller Rückschläge auch weiterhin gegen die menschenverachtende Flüchtlingspolitik der EU einsetzen werde. Man werde den Oranienplatz auch weiterhin als Zentrum des Protestes nutzen, so zum Beispiel am 18.04. mit einer Großkundgebung, die sich gegen die geplante Asylrechtsverschärfung richtet.

Ein Sprecher der Bewegung, der sich als Mohammed vorstellte, erklärte, dass ein realer Ort und ein realer Treffpunkt von absoluter Wichtigkeit sei, um sich politisch zu organisieren. Trotz allem lasse sich der Protest auch durch diese „physische Attacke" nicht aufhalten, worauf Napuli Langa poetisch ergänzte: „Der Oranienplatz wurde im Jahr 2012 schwanger mit dem Asylstreik. Seitdem hat der Oranienplatz viele kleine Oranienplätze zur Welt gebracht und sich über die gesamte Republik ausgebreitet. Wir werden nicht aufhören, um gleiche Rechte für alle zu kämpfen. You can't evict a movement."

Kurz nach Ende der Pressekonferenz kündigte sich das Bezirksamt an, das aufgrund von Sturmwarnungen einen schnellen Abriss der Ruine forderte. Gestern Abend standen die Überreste aber noch. Nun bleibt abzuwarten, ob der Bezirk einem neuen Flüchtlingstreffpunkt auf dem Oranienplatz zustimmt. Den getroffenen Vereinbarungen gemäß müsste er.