Wer ist Ursula Stenzel?

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Wer ist Ursula Stenzel?

Sie wird als "Pelzmantelmadonna der Hofratswitwen" bezeichnet, nennt ein Gehalt von 8.700 Euro "Peanuts" und umgibt sich bei Wahlkampfauftritten gerne mit Katzenmenschen.

Screenshot via ursulastenzel.com

Googelt man Ursula Stenzel, erscheint in den Suchergebnissen neben Videos wie "Ursula Stenzel und die Mohnstrudelmafia" und unzähligen Artikeln ein Interview-Ausschnitt mit dem Titel "Luxusprobleme". Darin erzählt Stenzel von der Unterbringung in einem Hotel, das ihren Ansprüchen nicht entsprach, woraufhin sie umgehend in ein Luxushotel eincheckte.

"Das war auf Kosten des Staates, aber wenn man so schwer arbeitet, darf man nicht untergebracht werden wie ein armer Flüchtling, der ohne Pass reist", sagt Stenzel abschließend und lacht. Dieses Video fasst die öffentliche Person Ursula Stenzel – oder zumindest das Meme, das mittlerweile von Gegnern aus ihr gemacht wurde – wahrscheinlich recht gut zusammen: Dekadent, immer ein bisschen daneben und sehr unreflektiert bürgerlich. Die Fragen, die die öffentliche Person Stenzel aufwirft, wollte sie uns auf mehrmalige Nachfrage leider nicht beantworten.

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Auch, wenn es aus heutiger Sicht nur noch schwer vorstellbar ist, war Stenzel früher als Journalistin für den ORF tätig und erlangte hier als Moderatorin der ZIB Bekanntheit. Das ist nicht zuletzt bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass der ORF von der FPÖ, der Stenzel mittlerweile beigetreten ist, gerne als Staatsfunk bezeichnet und attackiert wird. Nach ihrer ORF-Zeit wechselte Stenzel zur ÖVP und blieb bis 2006 Delegationsleiterin der Konservativen in Brüssel.

Weil ihr die ÖVP aber irgendwann zu "liberal" wurde – laut Stenzel würde die Partei "dem Zeitgeist frönen" und die "Machtherrschaft der SPÖ-Bonzen" in der Stadt beenden wollen –, wechselte sie 2015 als unabhängige Kandidatin auf die Liste der FPÖ.

Auch das ist bemerkenswert; alleine schon für den Umstand, dass jemand die ÖVP und das Wort "Zeitgeist" in einem Satz erwähnt und als ehemalige Vorsteherin des noblen Ersten Bezirks abfällig von "Bonzen" spricht. Aber mit Widersprüchen dieser Art schien Stenzel ohnehin nie ein Problem zu haben. In ihrer langjährigen Polittätigkeit sorgte sie mit ihren Forderungen und Positionen nicht nur einmal für Aufsehen – sie baute vielmehr ihre Karriere darauf auf.

Derzeit ist Ursula Stenzel jedenfalls nichtamtsführende Stadträtin in Wien und verdient in dieser Funktion rund 8.700 Euro monatlich – übrigens ein Gehalt, das sie im Oktober 2016 als "Peanuts" bezeichnete. Die Stadt könne übrigens am besten sparen, indem sie endlich die Mindestsicherung und Grundversorgung für Migranten kürze, so Stenzel damals gegenüber der Kronen Zeitung.

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Angesichts ihrer wohl bekanntesten Forderungen könnte man das Gefühl bekommen, Stenzel habe ein Problem mit Dingen, die Spaß machen und/oder sie mit Menschen konfrontieren, die sie lieber nicht sehen möchte.

Sie setzte sich zum Beispiel gegen Straßenkünstler ein und sprach von einer Jury, die bestimmen sollte, welche Musik auf der Straße gespielt werden dürfe. Eine Petition gegen Straßenmusik erreichte damals 534 UnterzeichnerInnen. Auch alkoholisierte, feiernde Menschen scheinen Stenzel schon des Öfteren ein Dorn im Auge gewesen zu sein. So forderte sie zu Beispiel die Schließung von Punschständen, beziehungsweise ein Design der übrigbleibenden nach ihrem Geschmack, und sprach sich gegen den Silvesterpfad aus.

"Ich weiß aufgrund meiner Familiengeschichte, was Leid, Flucht und Vertreibung bedeuten."

Ihr wohl größtes Feindbild waren jedoch die Sperrstunden von Clubs und anderen Lokalen im Ersten Bezirk, die sie auf keinen Fall von 4 auf 6 Uhr morgens verlängert sehen wollte. Ihr Kleinkrieg gegen Clubbetreiber bescherten ihr letztendlich den Song "Ursula Stressned" – eine Neuinterpretation des 2011 erschienenen Songs "Barbara Streisand" von Ducksauce.

Die Macher des Songs forderten, dass Clubs dort, wo keine Anrainer gestört werden, ohne Sperrstunde feiern sollen dürfen. Auf die Forderung ging Stenzel zwar nicht ein, soll den Song Medienberichten zufolge aber witzig gefunden haben: "Als Teenager wurde ich typmäßig oft mit Streisand verglichen und habe im privaten Kreis ihre Lieder gesungen."

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Generell spricht Ursula Stenzel ziemlich gerne über sich selbst. Nach ihrem Wechsel von der ÖVP zur FPÖ schaffte sie es immer wieder, ihre persönliche Geschichte zum Thema zu machen. So betonte Stenzel, angesprochen auf die politischen Positionen der FPÖ, immer wieder ihre jüdische Herkunft – selbst, wenn es kurz zuvor noch um geflüchtete Menschen ging.

Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins profil sagte Stenzel bei einer Wahlkampfveranstaltung zum Thema Flüchtlingskrise: "Ich weiß aufgrund meiner Familiengeschichte, was Leid, Flucht und Vertreibung bedeuten."

Mit ihrem Wechsel von der ÖVP zur FPÖ schaffte es Uschi vom Graben, wie sie vom gleichnamigen Satire-Account auf Twitter genannt wird, die österreichische Politik jedenfalls noch ein bisschen absurder zu machen als sie ohnehin schon war. Im Rahmen der Wienwahl 2015 bezeichnete sich Ursula Stenzel selbst als "politisches Animal" – ausgesprochen auf Deutsch –, was dazu führte, dass bei Wahlkampfauftritten als Wildkatzen verkleidete Menschen um Ursula Stenzel herum tänzelten und Fotos für die Ewigkeit entstanden. Auch der Aufmacher auf ihrer Webseite lehnt an ihr Leben als "politisches Animal" an.

Screenshots via ursulastenzel.com

Eine besondere Glanzstunde von Ursula Stenzel ereignete sich jedoch im Zuge der vergangenen Bundespräsidentschaftswahl, für die zumindest in Medienberichten für kurze Zeit auch als FPÖ-Kandidatin gehandelt wurde.

Wie wir wissen wurde es Norbert Hofer, aber Stenzel tauchte dennoch in diversen TV-Diskussionen als Expertin und Analytikerin auf, wo sie unter anderem Nazi-Vorwürfe gegen den Vater von Alexander Van der Bellen äußerte, die vom Nachrichtenmagazin profil schon vor Jahren entkräftet worden waren. Als das Ergebnis der Stichwahl schließlich vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, sagte sie im Interview mit der Presse, dass eine Manipulation des Wahlergebnisses für sie durchaus denkbar sei.

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Aber nicht nur eine Wahlmanipulation, sondern eine viel weitreichendere, persönlichere Manipulation hielt sie für möglich. Auf Facebook postete sie: "Höre Frühstück bei Stöckl mit Norbert Hofer auf Ö3. Frequenz ist kaum zu finden. Hoffe, dass keine Absicht dahinter steckt, Sendung mit Hofer zuzudecken. Das wäre wie im Kalten Krieg!" Auf die Frage, ob sie das ernst gemeint hätte, bejahte sie. Man könne schließlich nicht ausschließen, dass mit allen Mitteln gekämpft werde, so Stenzel.

Stenzel steht für das wohlhabende Spießertum, das in seiner kleinen, heilen Blase namens Innere Stadt lieber nicht gestört werden möchte.

Sieht man sich ihr privates Facebook-Profil an, findet man viele altbekannte Gesichter: So ist sie zum Beispiel mit der selbsternannten, weltberühmten "Pop Art"-Künstlerin Tanja Playner befreundet und hat mit ihr für ein Selfie posiert. Sie liket Felix Baumgartner, Werner Otti und Andreas Gabalier. Und sie postet Fotos im Pelzmantel, für die sie von einigen tierlieben FPÖ-Fans angefeindet wird.

Außerdem spricht sie sich auf ihrer Facebook-Page für Trump aus und schrieb nach dessen Antrittsrede: "Eine große Rede! Möge es ihm gelingen, die Hoffnungen zu erfüllen, die er geweckt hat, nicht nur in den USA." Sie teilt einen Artikel, in dem geschrieben wird, "Punk-Bettler" würden den sechsten Bezirk "terrorisieren" – im Text der FPÖ-Mariahilf, die das ursprüngliche Posting verfasst hatte, werden die Punks als "Gestalten" bezeichnet. Auch spielende Kinder auf Denkmälern scheinen Ursula Stenzel aufzuregen. Die Kommentare unter Stenzels Beiträgen sehen zum Beispiel so aus:

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Und Ursula Stenzel sticht auch noch auf eine andere Art heraus: Sie ist die einzige Frau unter den bekannteren Gesichtern der FPÖ – wahrscheinlich auch aufgrund ihrer zumindest scheinbaren Unverwüstlichkeit.

Immer wieder positioniert sich die FPÖ als Underdog, als die Partei des vergessenen kleinen Mannes, gegen die Hautevolee und das berühmt-berüchtigte Establishment. Stenzel ist jedoch der lebende Beweis, dass die FPÖ mindestens so fest im Establishment verankert ist wie alle anderen Parteien; auch wenn den Freiheitlichen der Proporz und die Parteibuch-Vergangenheit des großkoalitionären Österreich fehlt. Sie steht für das wohlhabende Spießertum, das in seiner kleinen, heilen Blase namens Innere Stadt lieber nicht gestört werden möchte.

Wofür sie sich stark macht, sind keine "vergessenen" Österreicher, Armutsgefährdete oder alleinerziehende Mütter. Sie findet es nicht schlimm, Migranten die Mindestsicherung zu kürzen, wollte Straßenmusiker aus dem touristenstarken Ersten Bezirk verdrängen und lebt von einem extrem hohen Gehalt – offenbar ohne diesen Umstand selbst zu realisieren. Sie kümmert sich um Probleme wie vermeintlich zu hässliche Punschhütten und kämpft generell für Verschönerungsmaßnahmen, die nicht viel mehr als einem persönlichen Gusto entsprechen.

Stenzel wurde ein Meme, die überzeichnete Verkörperung einer hochnäsigen, reichen Frau aus dem ersten Bezirk.

Mit diesen eher absurden und öffentlichkeitswirksamen als sinnvollen Aktionen, die großteils bereits mehrere Jahre zurück liegen, machte sich Stenzel selbst zur Kunst- und in den Augen anderer auch ein bisschen zur Witzfigur. Sie wurde zum lebenden Meme, der überzeichneten Verkörperung einer hochnäsigen, realitätsfremden und reichen Frau aus dem ersten Bezirk.

In Medienberichten wird sie daher als "verhaltensauffällig" bezeichnet und als "Pelzmantelmadonna der Hofratswitwen" belächelt. Zumindest für Stenzel selbst hat das alles etwas Gutes: Dieses Bild in unseren Köpfen, das sie selbst mit so ziemlich jedem einzelnen ihrer Auftritte immer wieder bedient, bewahrt sie aber auch davor, wirklich ernsthaft kritisiert und konsequent hinterfragt zu werden.

Verena auf Twitter: @verenabgnr

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