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Kommentar

Der YouTuber Leon Lovelock verbreitet gefährliche Verschwörungstheorien

Der Fitness-YouTuber interviewt seit Kurzem gerne Kollegah und Co., um mit ihnen über Pyramiden in der Antarktis und die da oben zu sprechen. Warum das ein Problem ist.
Leon Lovelock spricht mit Kianush
Leon Lovelock im Gespräch mit Kianush || Screenshot via YouTube aus dem Video "Kianush über Verschwörungstheorien, Knast, Politik, Darknet & das Album Safe #KiC16 - Leon Lovelock" von Leon Lovelock

Die da oben in ihrer Kuppel machen doch eh das, was sie wollen. Die Erde ist nicht rund. Die Anschläge am 11. September waren ein Insidejob. Und was bitte ist mit diesen "verfickten Pyramiden" los? Wurden sie womöglich von Dschinn errichtet? Das klingt nach abgründigen Diskussionen in dunklen Ecken des Internets. Doch vermeintliche Antworten auf solche Fragen liefern verschiedene deutsche Rapper in Videos des YouTubers Leon Lovelock. Das mag für einige Leute unterhaltsamer Trash sein, tatsächlich ist es aber eine gefährliche Entwicklung. Lovelock legitimiert Verschwörungstheorien, indem er ihnen einen Plattform bietet. Er stellt sie auf eine Ebene mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Kritisiert wird er dafür aus der YouTube-Community heraus nicht.

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In seinem Interviewformat "Komm ins Café wir müssen reden", in dem er vor allem Rapper interviewt, oft über eine Stunde lang, sprechen nicht alle, aber einige von ihnen über abstruse Verschwörungstheorien. Hinterfragt werden sie nicht. Lovelock grinst und nickt und findet das alles furchtbar interessant. Auch wenn er öfter sagt, dass er sich mit den Themen nicht so sehr beschäftigt habe, scheinen sie ihn in diesen Momenten sehr zu beschäftigen. Seine Interviews sind maximal unkritisch. Sie wirken wie Gespräche unter zwei Freunden, bei denen der eine (Leon Lovelock) alles bejaht, was der andere sagt.


Aus dem VICE-Netzwerk: Er überlebte einen Amoklauf, nun wollen Verschwörungstheoretiker sein Leben zerstören


Die junge Zielgruppe von Lovelock, die ihm vertraut, in ihm ein Vorbild sieht, könnte die Theorien ernst nehmen. Immerhin folgen Lovelock knapp 350.000 Menschen bei YouTube. Vor allem, weil er Unterhaltung und Fitnessvideos produziert hat. Die haben ihn bekannt gemacht. Verschwörungstheorien finden erst seit knapp einem halben Jahr auf seinem Kanal statt, seitdem wurde Kollegah dreimal interviewt – "Zufall?", Verschwörungstheoretiker-Voice. Es scheint so, als würde Lovelock sich mittlerweile in seiner Rolle als derjenige gefallen, der für Aufklärung sorgt und das, worüber nicht gesprochen werden soll, auf den Tisch bringt (in seinen Augen). Sogar die Titel von Interviews mit Rappern wie Kollegah, Pa Sports oder Kianush nehmen Bezug auf die Theorien.

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"Kianush über Verschwörungstheorien, Knast, Politik, Darknet & das Album Safe" ist die Headline zum Interview mit dem Rapper Kianush, in dem es mehr als zwanzig Minuten lang unter anderem darum geht, dass "die da oben" machen würden, was sie wollen. "Es ist einfach Fakt, dass die Regierung für ihr eigenes Interesse handelt", sagt Kianush. Und: "Sind alle unter eine Decke (sic!)." Mit "sie" meint er Politiker. Warum das so sein soll, bleibt unklar. Diese Aussagen stellen beide zwar als Fakten hin, aber Ahnung vom politischen System in Deutschland scheinen sie nicht zu haben. Trotzdem hat das Video 260.000 Aufrufe. Außerdem geht es im Video darum, dass man den "Mainstream-Medien" nicht vertrauen könne und der Wissenschaft auch nur teilweise. Woher Kollegah, Kianush, Pa Sports, der behauptet, an einige Punkte der Antarktis dürfe niemand reisen, oder Fler, der weder an die Mondlandung noch an eine runde Erde glaubt, ihr geheimes Wissen beziehen, ist ebenso undurchsichtig wie ihre Argumentation.

Trotzdem sind diese Interviews die am meisten angeklickten Videos von Lovelock in den letzten Monaten. Das Spiel mit den Verschwörungstheorien scheint also nicht nur eine Herzensangelegenheit zu sein, es scheint sich auch finanziell zu lohnen. Klicks bringen Geld.

Die Illuminaten und die Pharmaindustrie sind schuld

Doch wie konnte es dazu kommen? 2014 steht Leon Lovelock in einem Video vor einer Tafel in einem Klassenzimmer und schreibt daran mit weißer Kreide "Thema Sixpack Körperfett senken". "Six-Pack für den Sommer – Körperfett reduzieren Teil 1: Kalorienbedarf festlegen" heißt das Video von vor fünf Jahren. Es wurde bis heute nur etwas mehr als 50.000 mal angesehen. Lovelock machte in den letzten Jahren vor allem Videos darüber, wie man seinen Körper definiert, wie man richtig isst, wie man zu einem echten Muskelmann wird. Für 25 bis 99 Euro konnte man Trainingspläne und Trainingstipps von ihm kaufen. Später kamen Straßenumfragen dazu, in denen Lovelock zum Beispiel fremde Frauen fragt, was sie von Muskeln halten. Diese Videos sind harmlose Unterhaltung. Nicht unbedingt lustig, teilweise sexistisch, aber manchmal auch charismatisch. Leon Lovelock wirkt sympathisch, seine Fans mögen das, fühlen sich von ihm verstanden, wenn er in seinen Videos ihre Fragen beantwortet. Er ist der nette Typ von nebenan, der seine Fans zu Bestleistungen motivieren will.

2019 sitzt Leon Lovelock auf einem Stuhl und redet über den Tod des Rappers Nipsey Hussle und darüber, was die Pharmaindustrie damit zu tun haben könnte. Das Video heißt: "Wurde Nipsey Hussle von den 'Illuminaten' ermordet? Dr. Sebi Verschwörung (RIP)". Dr. Sebi war ein selbsternannter Doktor, der behauptete, Aids heilen zu können. Nipsey Hussle wollte, bevor er erschossen wurde, eine Dokumentation über ihn drehen. Lovelock bezieht sich auf eine YouTube-Doku und spricht darüber, dass es nicht unrealistisch sei, dass die Pharmaindustrie oder andere Kräfte etwas mit Hussles Tod zu tun haben. Immerhin wäre Dr. Sebi sonst durch die Doku ja zu bekannt geworden und das hätte der Pharmaindustrie geschadet. Dass Sebi bis zu seinem Tod 2016 durch Talkshows tourte, medial präsent war und eine Doku eines Rappers über ihn die Pharmaindustrie einen feuchten Dreck interessieren wird, darauf kommt er nicht.

Er sagt stattdessen irgendwann im Video, dass man sich nicht zu viel von Mainstream-Medien und von anderen Meinungen ablenken lassen solle. "Denn sonst verlierst du dein eigenes Ich. Du bist dann nur noch eine Hülle." Es wirkt so, als wäre Leon Lovelock mit der guten Absicht YouTuber geworden, Leute dazu zu bringen, besser mit sich selbst umzugehen. Doch er hat sich in der Idee verrannt, dass man als Mensch in irgendeiner Form fremdgesteuert wird. Mit diesem Mindset bietet er zusammen mit Kollegah, Pa Sports oder Kianush, die in ihren Ansichten um einiges radikaler sind als er, einen Nährboden für Verschwörungstheorien. Nicht in den dunklen Ecken des Internets, sondern im YouTube-Mainstream. Doch weder YouTube noch Spotify, wo die Interviews auch zu hören sind, scheinen sich dafür zu interessieren. Sie verdienen daran ja mit. Dass Kinder mit abstruser Scheiße zugeballert werden, ist allen offenbar egal.

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